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lötzlich haut Bibiana Steinhaus
auf den grünen Knopf vor ihr
auf dem Tisch. „Felix, deutlich
kein Abseits, wir checken noch
das mögliche Foulspiel“, sagt
die Videoassistentin bestimmt. Felix, das
ist Schiedsrichter Felix Brych, der gerade
das Bundesliga-Spiel zwischen dem FC
Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf leitet.
Steinhaus bitteteinen ihrer beidentechni-
schen Assistenten, ihr alle vier Kamera-
einstellungen auf ihren Monitor zu spie-
len, die das mögliche Foulspiel zeigen.
Dann nimmt sie erneut Kontakt zu Brych
auf. „Ich empfehledir einen On-Field-Re-
view“, sagt sie. Und Brych gehorcht. Er
schaut sich die Szene auf einem kleinen
Bildschirm am Spielfeldrand an, folgt ih-
rerEmpfehlung und entscheidetauf Foul.
Diese Szene spielt sich mitten in der
Sommerpause der Fußball-Bundesliga
ab. Sie ist nachgestellt, das Spiel zwi-
schen Schalke und Düsseldorf fand be-
reits im März statt. Aber die Schiedsrich-
ter mussten zuletzt eben noch einmal viel
üben und mehrmals beweisen, dass sie
die Sache mit dem Videobeweis beherr-
schen. Es soll schließlich alles besser lau-
fen als in den vergangenen beiden Spiel-
zeiten, in denen ganz Fußball-Deutsch-
landoftmehr überdasFür und Wider des
technischen Hilfsmittels diskutiert hat
alsüberdas eigentliche Spiel. Künftig sol-
len die Entscheidungen zügiger getroffen
- und vor allem transparenter für die Zu-
schauer werden.
Dafür die ganze Arbeit im sogenannten
Kölner Keller in der Sommerpause. Da-
für die ganzen Investitionen, es musste
noch einmal ordentlich aufgerüstet wer-
den, weil seit dieser Saison der Videobe-
weis auch in der Zweiten Liga zum Ein-
satzkommt. DieFrage ist,ob dieSchulun-
gen gereicht haben, um auch das neue
Personal auf die hohen Anforderungen
einzustimmen. Inzwischen müssen 108
Unparteiischepro Wochenende tätigwer-
den– doppelt sovielewiein dervergange-
nen Saison.
Bibiana Steinhaus wird bei ihrer
Übung unterstützt von einem Assisten-
ten. Der Assistent des Videoassistenten
sitzt links neben ihr hat einen roten
Knopfvor sichliegen.Rechts nebenStein-
haus sitzen zwei technische Assistenten,
die sogenannten Operatoren. Sie werten
Bilder aus und kalibrieren die Abseitsli-
nie. Die vier – so viele sind es jeweils bei
den insgesamt 18 Partien eines Spielta-
ges der Bundesliga und der Zweiten Liga - müssen sich gut untereinander abstim-
men, und gut mit dem Schiedsrichter auf
dem Platz verständigen. Dafür haben sie
einen weiteren Knopfvor sich liegen, den
sie betätigten sie, wenn sie über das Mi-
krofon mit dem Referee Kontakt aufneh-
men wollen. Für die interne Kommunika-
tion gibt es Headsets. Sonst würde es zu
laut werden im Keller von Köln-Deutz –
schließlich gibtes zehnArbeitsplätzever-
teilt auf zwei Räume, dicht an dicht.
Viele haben sich zuletzt vor allem über
die Länge der Entscheidungsfindung be-
klagt, dabei dauerten die insgesamt 111
Interventionen in der vergangenen Sai-
son jeweils nur rund eine Minute. Dabei
ist für das Verständnis wichtig, dass die
Videoassistenten nur empfehlen und
nicht entscheiden.
Darauf weist auch Jochen Drees hin,
der Leiter des Projekts Videobeweis.
Und nur, wenn sich durch eine Empfeh-
lung eine Entscheidung ändern könnte,
muss der Schiedsrichter in die Review
Area gehen und sich die Szene auf einem
Bildschirm nochmals anzusehen. Das
scheint noch nicht jedem klar zu sein,
nicht mal jedem Schiedsrichter.
Das zeigte sich etwa beim Supercup
zwischen Borussia Dortmund und dem
FC Bayern München vor zwei Wochen.
Der Tritt von Bayerns Joshua Kimmich
war das beste Beispiel dafür, wie der Vi-
deoassistent sich nicht verhalten soll.
Klar war, dass Schiedsrichter Daniel Sie-
bert nicht in Gänze gesehen hatte, was
auf dem Spielfeld passiert war. In dem
Moment hätte sein Videoassistentihm sa-
gen müssen, dass er sich die Szene noch-
mal anschauen soll. Er hat aber keinen
On-Field-Review empfohlen, sondern
sich für die Gelbe Karte entschieden –
und damit seine Kompetenz überschrit-
ten. Es ist nun einmal nicht die Aufgabe
des Videoassistenten zu entscheiden.
„Den Anspruch, dass keine Fehler mehr
passieren, kann man nicht haben. Wir ar-
beiten in einem Liveprozess“, sagt Drees.
Er hofft jedoch, dass eine Panne wie die
beim Supercup ein Einzelfall bleibt.
Dochdafürmüssen auch dieVorausset-
zungen stimmen. Immer noch ist es ver-
wunderlich, dass es anders als auf dem
Platz keine festen Teamsgibt, wasdieAb-
stimmung erschwert. Außerdem predi-
gen die Deutsche Fußball-Liga und die
Schiedsrichter-Chefs seit Monaten, wie
wichtig es sei, die Videoassistenten zu
professionalisieren. Doch die Technik ist
so komplex, dass es seine Zeit braucht,
bis sich Automatismen entwickelt haben,
die zu schnelleren, konkreteren und vor
allemstetsrichtigenEntscheidungen füh-
ren. Grundsätzliche Zweifel an der Not-
wendigkeit des Hilfsmittels gibt es je-
doch kaum noch. Es ist ohne Technologie
nicht möglich, den Fußball gerechter zu
machen“, sagt beispielsweise Simon Rol-
fes,der Sportdirektor vonBayer Leverku-
sen. Ihm ist aufgefallen, dass die Akzep-
tanz des Videobeweises unter den Spie-
lern gewachsen ist. Er fordert aber von
allen Vereinsvertretern mehr Verständ-
nis und Akzeptanz. Diese werden sie
wohl erst zeigen, wenn der Videobeweis
einheitlich ausgelegt wird und die Regeln
für alle gleich sind.
Dazu gehört, dass der Videoassistent
nur dann eingreifen darf, wenn es sich
um eine klare, offensichtliche Fehlein-
schätzung des Schiedsrichters handelt.
Oder wenn der Unparteiische einen rele-
vanten Vorfall nicht sehen konnte. Trifft
beides nicht zu, bleibt es dabei, dass er
alleine entscheidet. „Der Videoassistent
ist kein zweiter Schiedsrichter, sondern
ein Assistent“, sagt Projektleiter Drees.
So kann nur der Schiedsrichter selbst
eine finale Entscheidung treffen. Drees
hat beobachtet, dass eine Entscheidung
mehr akzeptiert wird, wenn der Referee
sich die Szene noch einmal am Spielfeld-
randanschaut: „So wirdnach außen doku-
mentiertwird, dasser selbst die Entschei-
dung trifft.“
Schließlich ist das bisher das größte
Problem des Videobeweises gewesen: die
Transparenz. Die Zuschauer konnten oft
nurschwer nachvollziehen, wannwer wa-
rum eingegriffen hat. Damit sich das än-
dert,werdenkünftigdie Bilderim Fernse-
hen übertragen, die der Videoassistent
dem Schiedsrichter zur Überprüfung an
denMonitor am Spielfeldrand sendet. Da-
bei soll es drei verschiedene Einstellun-
gen geben, „durch den der Zuschauer er-
kennen kann, was der Schiedsrichter
macht,was der Videoassistentmacht und
- ganz wichtig – welche Szene die beiden
sich gerade gemeinsam anschauen“, sagt
Bibiana Steinhaus.
Auch sollen die Bilder aus dem Kölner
Keller besser eingefangen werden. Mit
Kameras, die den Entscheidungsprozess
filmen, kann man den Videoschiedsrich-
tern ab jetzt praktisch direkt über die
Schulter schauen. In den Stadien wird es
allerdings weiterhin keine Übertragung
von Videosequenzen geben, darauf ha-
ben sich die Vereine verständigt. Man
könne aus der Entfernung ohnehin nicht
genug sehen, sagt die DFL. Sie fürchtet
noch mehr Verwirrung.
FürschnellereEntscheidungenundwe-
niger Fehler hat Drees seine Videoassis-
tenteninderSommerpausenochmalsum-
fangreich geschult – die alten wie die
neuen. In der Bundesliga werden weiter-
hin die aktiven Erstliga-Schiedsrichter
plusderehemaligeSchiedsrichterGünter
PerlalsVideoassistenteneingesetzt,dazu
kommen auch ausgewählte Schiedsrich-
terausderZweitenLiga.Vorerstsinddies
allerdingsnurfünf,alleanderenhattenzu
große Schwierigkeiten, sich an die neue
Aufgabe zu gewöhnen. Sie werden als As-
sistenten des Videoassistenten einge-
setzt.InderZweitenLigafungierenZweit-
liga-undBundesliga-SchiedsrichteralsVi-
deoassistenten.IhnenzurSeitestehenak-
tiveundehemaligeDrittliga-Schiedsrich-
tersowie Bundesliga-Assistenten.
Herangeführt wurden dieneuen Video-
assistenten schon länger an ihre Aufgabe.
In der vergangenen Saison dienten die
Freitagabendspiele der Bundesliga für sie
als Grundlage für Übungen. Neben den
Videoassistenten, diedas Spiel regulärbe-
gleiteten,simuliertensieunter Livebedin-
gungen dasselbe Spiel nebenan. Zudem
wurden auf der Westkampfbahn in Köln
Spiele organisiert, in denen Prozesse si-
muliert und getestet wurden. Die Video-
assistenten der Zweiten Liga mussten
sichdabeisogar noch aufeine andereAuf-
gabe einstellen, denn aus Kostengründen
haben sich die Klubs dort gegen die Torli-
nientechnologie entschieden. Mit Hilfe
der Kameras müssen die Assistenten
vorm Bildschirm also auch erkennen, ob
der Ball vor oder hinter der Linie ist.
Die Aufgabe der Schiedsrichter ist ins-
gesamt in den vergangenen Jahren also
viel komplexer geworden. Doch trotz der
vielen Neuerungen haben sie vor allem
eines im Sinn, wie Bibiana Steinhaus
sagt: „Natürlich ist es der eigene An-
spruch, besser zu sein als die Technik.“
L
iebe Leute,haltet euchfest.Die Wo-
che ist vollgepackt mit Titelkämp-
fen. Deutsche, Europa- und Welt-
meisterschaften haben wir im Angebot.
In den meisten Fällen finden die Medail-
len schon ihre neuen Besitzer, andern-
orts beginnt der lange Weg dorthin erst.
Und es wird sogar eine Olympiamedaille
vergeben.
Eine WM und eine EM
Das ist doch ein Wochenstart: Am Mon-
tag beginnt eine WM und eine EM. Die
Weltmeisterschaft steigt in Basel im Bad-
minton. Die Veranstalter rechnenmit ins-
gesamt 30000 Zuschauern in der Halle
und einer Milliarde am Fernseher. Diese
gigantische Zahl resultiert aus der riesi-
gen Beliebtheit des Sports in Asien. An
solche Werte wird die EM in der Dressur
und im Springreiten in Rotterdam nicht
herankommen. Dafür gibt es einen Bat-
zen Preisgeld: Allein beim Springreiten
sind 730000 Euro vorgesehen.
Keine WM, keine EM
Dienstag ist der einzige Tag der kommen-
denWoche, andemkeineTitelkämpfebe-
ginnenoder enden.Tja, was nun?Einfach
mal einen Blick in die Geschichte werfen:
Am 20. August kamen zwei Herren zur
Welt, die es in ihren Sportarten bis zum
Olympiasieger brachten. Der deutsche
Gewichtheber Josef Straßberger – gebo-
ren 1894 – holte 1928 in Amsterdam
Gold, der Schweizer Skirennläufer Bern-
hard Russi – geboren 1948 – siegte 1972
in Sapporo in der Abfahrt.
Eine WM endet, zwei fangen an
Jetzt aber weiter im Meisterschafts-Text.
Die Sportkletterer beschließen am Mitt-
woch ihre WM in Hachioji (Japan). Die
Kanuten fangen dafür erst an, die Welt-
meisterschaft wird in Szeged (Ungarn)
ausgetragen. Falls jemand zufällig in der
Gegend unweit der Grenzen zu Serbien
und Rumänien unterwegs ist: Stehplatzti-
ckets gibt es an den ersten beiden Tagen
schon für umgerechnet je drei Euro. Sie
mögen Wasser lieber, wenn es gefroren
ist? Das ist in dieser Jahreszeit auch in der
Umgebung von Minsk schwer zu bewerk-
stelligen, aber einen Hauch von Schnee
und Kälte hätten wir trotzdem. Im Win-
tersportkomplex Raubitschy, auch Weiß-
russische Schweiz genannt, wird die WM
im Sommer-Biathlon ausgetragen.
Mal eine DM zur Abwechslung
Eine deutsche Meisterschaft war hier
noch gar nicht vertreten. Bitteschön: Ab
Donnerstag suchen die Sportschützen in
München ihre Besten.
Noch eine EM startet
LosgehtesamFreitag fürdie Volleyballe-
rinnen.TurniereinmehrerenLändernlie-
gen voll im Trend, diese EM hat gleich
vier im Angebot: Polen, Türkei, Ungarn,
Slowakei. Deutschland spielt zunächst in
Bratislava, das erste Spiel ist gegen die
Schweiz angesetzt (14.30 Uhr).
Ein bisschen Olympia ist auch dabei
Das Wochenende ist da, Entscheidungen
stehen an. BeiderHockey-EM in Antwer-
penwird dasFinaleder Männer amSams-
tag (20.30 Uhr) ausgetragen, das der
Frauen am Sonntag (16 Uhr). Und hier
die Auflösung in Sachen Olympia: Chris-
tina Obergföll bekommt in Offenburg
von Alfons Hörmann, dem Präsidenten
des Deutschen Olympischen Sportbun-
des (DOSB), eine Silbermedaille – für die
Spiele in Peking 2008. Speerwerferin
Obergföll, die 2016 ihre Karriere been-
det hat, war Dritte geworden. Doch die
Russin Maria Abakumowa wurde wegen
Dopings disqualifiziert – vor drei Jahren.
Zwei weitere WM-Eröffnungen
Bis auf die Meisterschaft der Schützen
(bis2.September) unddie Volleyball-EM
(bis 8. September) enden alle Veranstal-
tungen Sonntag. Die Weltmeisterschaf-
ten im Judo (Tokio) und Rudern (Linz)
fangen dafüran. Dasist dochein Wochen-
abschluss. Sebastian Schlichting
Wie dieWOCHEwird
Unter
Beobachtung
Alles reinhauen.Ab Montag geht es bei der
Badminton-WM um Medaillen. Foto: AFP
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Von Christopher Stolz
Foto: Wolfgang Rattay/Reuters
Früh übt sich: Wie kleine Berliner an den großen Sport herangeführt werden – Seite 20
SPORT
Wie jeden Sonntag an dieser Stelle:
Unser Blick auf die nächsten sieben Tage
Alle Viere.Für jedes Spiel der Bundesliga und der Zweiten Liga sind jeweils zwei Videoassistenten und zwei technische Helfer im Einsatz. Insgesamt sind 108 Unparteiische für die Arbeit nötig.
Am Drücker. Auch Bibiana Steinhaus
musste viel üben. Foto: Oliver Berg/dpa
DM, EM, WM –
und Olympia
Der Videobeweis in der Fußball-Bundesliga
ist umstritten.
Jetzt soll alles besser laufen –
und vor allem besser vermittelt werden.
Doch dafür sind viele Mitarbeiter nötig
SONNTAG, 18. AUGUST 2019 / NR. 23 918 WWW.TAGESSPIEGEL.DE/SPORT SEITE 17
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