Berliner Kurier - 18.08.2019

(WallPaper) #1
Volksvertreter und

Millionenverdiener

ImmermehrNebentätigkeiten bei Bundestagsabgeordneten:Bislangzusammen mindestens
16 MillionenEuro allein in der laufenden Legislaturperiode. Jeder vierte Abgeordnetebetroff en

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Sebastian Brehm (47, CSU), gebo-
ren in Nürnberg, ist Steuerberater
und beschäftigt 25 Mitarbeiter. Er
erwirtschaftete seit Beginn der
Legislaturperiode 13 83 500 Euro.

Hans-Georg von der Marwitz (58,
CDU) ist in Heidelberg geboren.
Der Wahlkreis des Landwirts ist
in Brandenburg. Nebeneinnah-
men: mindestens 12 23 500 Euro.

Carl-Julius Cronenberg (57, FDP)
ist in Arnsberg (NRW) geboren.
Er ist Geschäftsführer mehrerer
Unternehmen. Verdienst: mindes-
tens1106 500 Euro.

Hans-Georg

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1223500Euro

Carl-Julius

Cronenberg

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Sebastian

Brehm

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Berlin – Ein Vortrag hier, ein
wenig„Beratung“dort:Die
709 Volksvertreter haben seit
Herbst 2017 durchNebentä-
tigkeitenzusammenmindes-
tens 16 MillionenEuroeinge-
nommen. Mehr als jeder vier-
teimBundestaggehtinzwi-
schen einem bezahlten
Nebenjob nach. Darunter
auch prominente Politiker.

Bei der FDP arbeiten 53 Prozent
der Abgeordneten nebenher. In
der CSU sind es immerhin noch
46 Prozent (CDU: 34), am sel-
tensten passiert das bei den Grü-
nen. Dort konzentrieren sich 85
Prozent der Abgeordneten aus-
schließlich auf ihre Hauptauf-
gabe, hat eine Untersuchung des
„Spiegel“ und der Transparenz-
initiative abgeordneten-
watch.de ergeben. Insgesamt
arbeiten 202 Abgeordnete
nebenbei. Das entspricht 28
Prozent. In der vorigen Wahlpe-
riodewarenesnoch 22 Prozent.
„Die Verquickung zwischen
Politik und Wirtschaft ist
grundsätzlich ein Problem“,
sagte Abgeordnetenwatch-
SprecherinLéaBrianddemRe-
daktionsNetzwerkDeutschland
(RND). „Wir müssen endlich da-
rüber diskutieren, ob Lobbyjobs
von Abgeordneten und Seiten-
wechsel in die Wirtschaft nicht
verboten gehören“, fordert sie.
Ähnliches gelte auch für hoch-
rangige Mitarbeiter von Abge-
ordneten, die in Bereiche der
Wirtschaft wechselten, die sie
vorher politisch bearbeitet hät-
ten.
Zu den Topverdienern im
Bundestag gehört nominell der
Steuerberater und CSU-Abge-
ordnete Sebastian Brehm. Er hat
Einkünfte aus Mandaten in
einer Gesamthöhe von mindes-
tens 13 83 500 Euro angegeben.
So viel wie kein anderer. Aller-
dings: Als Selbstständiger ist er
verpflichtet,seinenbeziehungs-
weisedenBruttoumsatzseines
Unternehmens anzugeben.
Brehmsagt,dermeisteUmsatz
werdedurchseineMitarbeiter
erwirtschaftet.„Eineunabhän-
gige Mandatsausübung ist ga-
rantiert,“soderCSU-Politiker,
dadieMandatemitseinerBun-
destagstätigkeit nicht in Verbin-
dung stünden.
Zu den prominenteren Top-
verdienern im Bundestag gehö-
ren beispielsweise Peter Ram-
sauer (CSU). Der ehemalige
Verkehrsminister erhielt in die-
ser Legislaturperiode alleine als
„Strategieberater“ mehr als
300 000 Euro. Von wem, ist un-
klar. Nach den aktuellen Verhal-
tensregeln dürfte Bundestags-
präsident Wolfgang Schäuble
(CDU) von den Abgeordneten
verlangen, wenigstens die Bran-
che ihrer anonymisierten Ver-
tragspartner offenzulegen, um
mögliche Interessenkonflikte
zuerkennen.Laut„Spiegel“pas-
siertdasbisherabernicht.Bri-
and: „Wenn Abgeordnetedie
Geldgeber vonMillionensum-
menverschweigenkönnen,ist
dasskandalös.DerBundestag
muss umgehend wirksame
Transparenzpflichten beschlie-
ßen.“
Bei Ex-Gesundheitsministe-
rin Ulla Schmidt (SPD) ist we-
nigstens die Branche bekannt.
Sie erhielt in knapp zwei Jahren
mindestens 120 000 Euro für
ihren Verwaltungsratsposten
beim Schweizer Pharmakon-
zern Siegfried Holding AG.
Die Bezüge als Abgeordneter
in Höhe von 10 083 Euro (brut-
to) sind für Ex-Vizekanzler Sig-
mar Gabriel (SPD) fast nur Zu-
brot: Seine „publizistische Tä-
tigkeit“ beim Holtzbrinck-Ver-
lag (unter anderem „Die Zeit“)
wird mit einem monatlichen Be-
trag zwischen 15 000 und 30 000
Euro vergütet.
Lkw-Maut für das Klima
Berlin –Unionsfraktionsvize
AndreasJung(CDU)bringt
zur Verbesserung des Klima-
schutzeseineLkw-Mautins
Spiel.„Ichplädierefüreine
Lkw-Mautab3,5Tonnen
und auf allen Straßen, bei der
das Handwerk weiter außen
vor bleibt“, so Jung in der
FAZ.
Dänen:Trump scherzt
Kopenhagen –US-Medien
berichteten, US-Präsident
Donald Trump wolle Grön-
land kaufen. Jetzt gab es eine
deutliche Reaktion aus Däne-
mark, zu dem die autonome
Insel politisch gehört. Ex-
Premier Løkke Rasmussen
nannte es einen verspäteten
Aprilscherz.
Maas in der Arktis
Ottawa –Bundesaußenmi-
nister Heiko Maas (SPD) hat
bei einem Besuch in der ka-
nadischen Arktis dazu aufge-
rufen, den dramatischen Fol-
gen der Klimakrise in der Re-
gion deutlich mehr Aufmerk-
samkeit zu schenken. Die
Erderhitzung macht sich in
der Arktis am deutlichsten
bemerkbar.
Hannover –Niedersachsens
MinisterpräsidentStephan
WeilhatimDeutschlandfunk
das Verfahren zur Wahl
eines SPD-Chefs kritisiert:
„Optimalistdasganzbe-
stimmt nicht.“ Simone Lange
undAlexanderAhrens,Bür-
germeister von Flensburg
undBautzen,präsentierten
gestern ihre Bewerbung.
Berlin –Die Bundesregie-
rung hat dem Ex-Außenmi-
nister Sigmar Gabriel (SPD)
die Berufung in den Auf-
sichtsrat eines großen polni-
schen Konzerns untersagt,
geht laut tagesschau.de aus
einer Antwort auf die Anfra-
ge des Linken-Abgeordneten
Lorenz Gösta Beutin hervor.
Verhinderter Lobbyist
NACHRICHTEN
Weil kritisiertSPD-Suche
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Foto: Wolfgang
Kumm/dpa
AKK überMaaßen: Maß ist voll!
Parteichefindenkt überRauswurfdes Rechtsauslegersnach–dochi nder CDU rumort es
Berlin –CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer hat Ex-
Schlapphut Hans-Georg Maa-
ßen und seine rechtskonservati-
ve „Werte-Union“ frontal ange-
griffen. In einem Interview mit
der Funke-Mediengruppe dach-
te AKK sogar über einen Raus-
wurf Maaßens nach. „Es gibt aus
gutem Grund hohe Hürden, je-
manden aus einer Partei auszu-
schließen. Aber ich sehe bei
Herrn Maaßen keine Haltung,
die ihn mit der CDU noch wirk-
lich verbindet“, sagte sie. Sie
verglich die Splittergruppe
„Werte-Union“ mit der Tea-
Party-Bewegung in den USA, die
mit ihrer radikalen Agenda die
Republikaner dominiert hat –
und so den Aufstieg Donald
Trumps ermöglichte. „Das wird
die CDU, das werde ich als Vor-
sitzende nicht zulassen. Es ist
das gute Recht jedes Mitglieds,
seine Meinung zu äußern. Der
Versuch aber, eine gänzlich an-
dere Partei zu schaffen, stößt auf
meinen allerhärtesten Wider-
stand.“ Maaßen reagierte gelas-
sen: „Es ist mir ein Rätsel, wer
ihr dazu geraten hat, solche Ge-
dankenspiele zu formulieren“,
sagte er.
Kritik kam aus dem Osten.
Sachsens CDU-Chef Michael
Kretschmer sagte in „BamS“:
„Das ist der falsche Weg. Bei al-
ler berechtigten Kritik an Hans-
Georg Maaßen–wir schließen
niemanden aus der CDU aus, nur
weil er unbequem ist.“ Er rate
„zu Gelassenheit im Umgang“.
Und CDU-Generalsekretär
Paul Ziemiak bestritt, dass AKK
den Ausschluss Maaßens geor-
dert habe. „Klarstellung: @AKK
fordert keinen Parteiausschluss
von #Maaßen. In der @CDU als
Volkspartei der Mitte mit über
400 000 Mitgliedern werden
unterschiedliche Meinungen
vertreten–und das ist auch gut
so“, so Ziemiak via Twitter.
Hans-GeorgMaaßen, ehemaliger
Verfassungsschutz-Chef,steht für
extremrechtePositionen in der CDU.
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Die „Grace 1“ in den
Gewässernvon
Gibraltar.ImStreit um
den iranischenTanker
haben die USAin
letzterSekundeeine
Freigabe gestoppt.
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Berlin –Die wochenlange Fest-
setzung des iranischen Tankers
„Grace 1“ vor Gibraltar war völ-
kerrechtswidrig. Die Beschlag-
nahmung des Schiffes am 4. Juli
durch britische Marinekomman-
dos in der Straße von Gibraltar
finde „keine Rechtsgrundlage im
Seevölkerrecht“, heißt es in einem
Gutachten des Wissenschaftli-
chen Dienstes des Bundestages,
das dem RedaktionsNetzwerk
Deutschland vorliegt.
Die Untersuchung im Auftrag
der Linken-Bundestagsfraktion
kommt zu dem Schluss, dassdie
Durchsetzung von EU-Sanktio-
nen nicht über internationalem
Recht steht und somit auch die
von der Bundesregierung getrage-
ne Begründung der britischenRe-
gierung für die Festsetzung nicht
rechtens war. Am Donnerstag
hatten die Behörden von Gibraltar
die Beschlagnahmung des Schif-
fes mit mehr als zwei Millionen
Tonnen iranischen Rohöls aufge-
hoben.
Ein US-Bundesgericht ordnete
die Beschlagnahmung des Öls an.
Das US-Justizministerium
spricht von Verstößen gegen
Sanktionen.
Gutachten:Tanke r-Beschlagnahmungwarfalsch
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arteiausschlussverfahren
schadenderPartei und
helfen dem Abweichler.Das
ist bei der SPD und ThiloSar-
razinso,eswarbeiderAfD
und Björn Höckeder Fall. Es
wirdauch bei der CDU und
Hans-Georg Maaßen so lau-
fen.CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer hat jetzt
lautüberdessenParteiaus-
schluss nachgedacht. Das war
ungeschickt, dochAKKhat
einenHangzusolchenMiss-
griffen.Mandenkenuranihr
Sinnieren über die Meinungs-
freiheitimInternet.
DieParteichefinattackiert
auchdie Splittergruppe Wer-
te-Union, der Maaßen ange-
hört–diese wolle wie die Tea
Party in den USAdie Konser-
vativen umkrempeln. Das
stimmt. Maaßen hat einen
Planfür die Partei:Erwill eine
konservative Mehrheit schaf-
fen.Ein schwarz-blaues Bünd-
nis zwischen CDU und AfD ist
das Ziel,das er bereits wäh-
rendseinerBeamtenkarriere
verfolgte,als er 2015 die da-
maligeAfD-Chefin Frauke Pe-
try beriet. Maaßen spricht auf
CDU-Wahlkampfveranstal-
tungen in Sachsen,die AfD fei-
ertihn.Mit Parteiausschluss-
verfahrenam Hals würde er
zumMärtyrer. Daswürde in
Sachsenvielesverkomplizie-
ren–und auch AKK schaden.
Von
Jan
Sternberg
So schafft
die CDUMärtyrer
MEINE
MEINUNG
JoshuaWong
Nicht mehr „nur“ Hundert-
tausende sollen es sein, eine
Million Menschen will der
22-jährige Joshua Wong, das
bekannteste
Gesicht der
Straßenpro-
teste, heute
auf Hong-
kongs Stra-
ßen bringen.
Wong
schloss sich
bereits 2011
–damals als
Oberschüler
–der Demokratiebewegung
an. Vorbild sind die Proteste
1989 auf dem Tian’anmen-
Platz in Peking. Er studiert
seit August 2014 Politikwis-
senschaft an der Open Uni-
versity of Hong Kong.
MANN DESTAGES
Foto: Kin Cheung/AP/dpa
POLITIK BERLINERKURIER,Sonntag, 18. August 2019
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