Hamburger Morgenpost - 18.08.2019

(Elle) #1
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Sonntag, 18. August 2019 7


Klövensteen-Förster Nils
Fischer (46) an gefällten
Fichten, die Opfer des
Borkenkäfers geworden sind

Wie krank ist


denn IhrWald,


Herr Förster?


„Hier schauenSiemal...“Für
NNilsFisch er ist die Miserein
seinemRevier,dem Klöven-
steenander Grenze zwischen
RRissen und Schleswig-Hol-
stein, mit den Händen zugrei-
ffen. Der Förster(46) nimmt
aufeinemWaldwegeineHand-
voll Erde auf,deutetauf den
kknochentroc kenen Sand. Das
zzweiteJahr inFolgeist es in
HHamburg viel zu trocken, die
BBäume sindgeschwächt und
dann hatder Borkenkäfer
leichtes Spiel. Aber dieWald-
kkrise birgt auch Chancen...


„„Haidehof“ nennt sich das Ge-
biet desKlövensteens, in dem
wwir mit FörsterNils Fischer
vverabredet sind. Er fährt mit
sseinem Dienstwagen, einen
ggrünen VW Amarok,vor. Auf
demBeifahrersitz schlummert
ssein Jagdhund,ein rot-brauner
SSpaniel mit demNamen Ulme.
Ulmen gibt eswenigeimKlö-
vvensteen, dafür aber immer
nnoch zu vieleFichten und die
hhat derBorkenkäfer zumFres-
ssen gern.


Aktuell ist der
Grundwasser-
spiegel imKlö-
vensteen um
1-2 Meter
gesunken.
Für einen
„Flach-
wurzler“
wie die
Fichte
ein Prob-
lem.Wenn
gesunde
Bäumevom
Borkenkäfer
„angebohrt“
werden, dann
wehren die sich
tapf er mit Harz.
Geschwächte
Bäume können das aber nicht
mehr.Der Borkenkäfer krabbelt
zwischen Rinde undStamm,
legt dort seine Larven ab und
schnell ist ein BaumvonZehn-
tausenden Käfern befallen. Die-
se unterbrechen dieSaftströme
der Bäume und nach einigen
Wochen ist das Opfer„erle-
digt .“
Wiekommt es überhaupt
zum hohenFichtenbestand in
unseren Wäldern?Nils Fischer

erklärt, nach dem
Krieg hättenzu-
nächst die
Engländer
rund um
Ham-
burgor-
dent-
lich ab-
geholzt.
Als die
Bundes-
republik
dann in
den 50er
Jahren den
großen Auf-
schwung mit ei-
nem Bauboom er-
lebt e, wurdeex-
trem viel Bauholz
benötigt.Unddas lieferteeben
die schnell nachwachsende
Fichte.
JetztläuftderFörsterfasttäg-
lich durch denKlövensteen und
suchtFichten, dievomBorken-
käfer befallen sind. „Ist der Kä-
fererstmal da,kann man nur
fällen“ soFischer.Wir st ehen in
einer kleinen Lichtung, in der
ein Dutzend befallene undge-
fällteBäume liegen.
Nils Fischer legtWert auf die
Feststellung: „DerBorkenkäfer
hatimÖ

g
ko-Systemseinen
Platz.“Unddie gescha ffenen
Freifflächen hättenimWald
„durchaus auch ihren
Charme“. Hamburgist
aber auch deutlich
wenigervomBefall
derBorken-Käfer-
Arten „Buchdru-
cker“ oder „Kup-
ferstecher“ be-
troffen.
Im Harz, dem
Schwarzwald oder
dem Bayerischen
Wald bei den vielen
Fichten-Monokulturen
sieht es schon dramati-
scher aus.Nils Fischer meint,

die aktuell kritischeSituation
führevielleicht auch zu einer
gesunden „Selbstrefflexion“
darüber,was im deutschen
Wald geschieht undwasge-
pfflanztwerden sollte.Natur-
schützer und Förster machen
sichendlichgemeinsamGedan-
ken.
20 befallene Bäume hatFi-
sche rander betroffenen Stelle
Fällen lassen. Ohne dieses
rechtzeitigeEingreifen wären
wohl 60-70Ficht en nicht zuret-
tengewesen.Nunsprießenhier
schonkleine Mini-Buchen und
Eichen. DieNatur hatesregu-
liert und da will man auch hin,
wegvom reinen Nadelwald und
hin zu einem standortgere ch-
tenLaubwald-dominierten
Mischwald. Der hatDeutsch-
land immerhin überJahrtau-
sende bedeckt.
Nils Fischer führt uns zwei
Kilometerweiter zu einer wei-
terengrößeren Lichtung.Vor
knapp einemJahr hatte hier der

Borkenkäfer zugeschlagen.
Hierwurden 100Fichtengefällt
undfast 500 Eichen-Setzlinge
gepfflanzt.Etwa1,50Meter hoch
sind die jetzt und damit aus
dem Gröbstenraus. Wenn die
Mikro-Eichengera de erst aus
demBoden sind,kommen die
Rehe. DiesemProblem muss
FörsterFischer mit dem Ge-
wehr zu Leibe rücken. 50-
TieremusserimKlövensteen
jährlich schießen, damit die
Setzlingedie Chance haben
groß zuwerden. „Vielleicht
hilftuns ja irgendwann malder
Wolf...“, soFischer.
Jahrzehnte braucht es, bis aus
den Setzlingen mal ein Baum
wird. Der hatesdann aber in
sich. Eine ausgewachsene Eiche
bietet 500 ArtenvonInsekten
einen Lebensraum undversorgt
zehn Menschen mitSauerstoff.
Nils Fischer kündigt an,
100000 Bäume sollen imKlö-
vensteen neugepfflanztwerden.
Davonwerden aber erst die
kommenden Generationen et-
washaben.
Nils Fischer steigt in
seinen Geländewa-
gen, fährt davon.
Wirblicken
ihm nach, sind
etwasnei-
disch. Der
Mann wirkt,
als hätte er
trotz der
brennenden
Probleme ei-
nen Beruf, der
fürden Sohn ei-
nes Försterstat-
sächlich eine echte
Berufung ist.

RISSEN Unterwegs mit Nils Fischer (46) in


seinem Revier–dem ForstKlövensteen


THOMAS HIRSCHBIEGEL


[email protected]


6 HAMBURG


Knochentrocken, obwohl es
etwas geregnet hatte: derWald-
boden im Klövensteen

Dem Borkenkäfer sind in
DeutschlandTausen de Bäume
zum Opfer gefallen.

Auf diesem StückFichtenrinde
haben die Borkenkäfer ihre
Gänge gegraben–das Todesur-
teil für den befallenen Baum.

Wenn ich mal groß bin, werde
ich eine deutsche Eiche...
ein Setzling im Klövensteen
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