Süddeutsche Zeitung - 10.08.2019

(avery) #1

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as populär ist, wird vermarktet.
Das gilt auch für Emojis. Es gibt
inzwischen Emoji-Plüschtiere,
Emoji-Spielfilme, Emoji-Bücher; Unter-
nehmen und Politiker versuchen, mit den
digitalen Bildchen ihre Kampagnen zu lan-
cieren: Die Tierschutzorganisation WWF
gestaltete Emojis zu bedrohten Tierarten,
McDonald’s entwarf ein Werbeplakat aus-
schließlich mit den Bildzeichen und der
Discounter Aldi inszenierte für eine seiner
Werbekampagnen Tortellini, Kuchen oder
Omeletts als Emojis.
Leicht zu entziffern ist das nicht immer.
So verfasste der Automobilhersteller Chev-
rolet 2015 eine Pressemitteilung, die kom-
plett aus Emojis bestand. Sie war zwar
kaum zu verstehen, in der Onlinewelt wur-
de die Aktion aber dennoch gefeiert. Den
jüngsten Coup in der Welt der Emojis lande-
te wieder ein Automobilhersteller aus den
USA: Ford ist es gelungen, das Bild eines
blauen Pick-up-Trucks in das Emoji-Al-
phabet einzuschleusen. Der Autobauer hat
das Motiv, das dem Klassiker Ford F 150
ähnlich sieht, beim Unicode-Konsortium
beantragt. Unicode verwaltet die Emojis.
Dort steht der Pick-up bereits auf der

Shortlist, ab 2020 wird man wohl weltweit
Truck-Emojis verschicken können.
Dies feierte Ford mit einem 50 000 Dol-
lar teuren Werbeclip, berichtet das US-Ma-
gazinThe Atlantic. Darin wird das Truck-
Emoji in einer Fabrikhalle enthüllt. Ford
hat sich damit schon jetzt sein digitales
Denkmal gesetzt. Doch das Pikante an der
Sache ist: Den Vorschlag hatte Ford nicht

selbst beim Konsortium eingebracht, son-
dern offenbar eine Firma im Auftrag des
Unternehmens. Ist das noch eine harmlose
PR-Spielerei oder schon unverhohlen
Schleichwerbung für das eigene Produkt
und die eigene Marke?
Auch die Politik versucht, die Bilderwelt
für sich zu instrumentalisieren. Josef Holn-
burger hat sich gemeinsam mit der Daten-
spezialistin Lisa Hehnke für die SZ ange-
schaut, wie Parteien Emojis auf den sozia-
len Netzwerken verwenden. Demnach kön-
nen die Linke und die CDU offenbar wenig

mit den Bildchen anfangen. Bei den Face-
book-Kommentaren der AfD fänden sich
hingegen sehr viele Emojis, sagt der Politik-
wissenschaftler Holnburger. Wenn Politi-
ker Emojis nutzten, dann vor allem, um un-
ter den Sympathisanten eine stärkere Iden-
tifizierung mit der eigenen Partei zu schaf-
fen. So kaperte die AfD das blaue Herz-
Emoji, sie nutzt es für Postings in den sozia-
len Medien. Auch die Grünen verwenden
gern Bilder, sie posten grüne Herzen oder
die Europaflagge. Die FDP gibt sich dyna-
misch, arbeitet mit dem Raketen-Emoji,
dazu als Schlagwort „Chancen nutzen“.
Emojis können aber auch anbiedernd, ja
regelrecht peinlich wirken. Die Erfahrung
musste die ehemalige US-Präsident-
schaftskandidatin der Demokraten, Hilla-
ry Clinton, machen. Sie forderte ihre jun-
gen Follower während des Wahlkampfs in
einem Tweet auf, in drei oder weniger Emo-
jis zu erklären, ob sie unter der Verschul-
dung durch ihre Studentendarlehen litten.
Das löste Verärgerung aus. Ein Twitter-
User schrieb: „Uggg ... so viel Technik und
Möglichkeiten, mit Menschen direkt zu
kommunizieren ... und wie machen Sie
das? Emojis? :(“ elisabeth gamperl

2019: 230 neue Emojis werden in
den kommenden Wochen auf
Smartphones und Messenger ausgespielt,
darunter Motive für Behinderungen
wie ein Hörgerät, Prothesen
und Rollstuhlfahrer.

Nicht alle Emojis haben
weltweitdieselbe Bedeutung:
Während der Kothaufen
hierzulande
verwendet wird, wenn etwas
nicht so gut läuft, gilt er
in Japan als Glückssymbol.

Raum für Zweideutigkeit:
DerPfirsich wird in nur
sieben Prozent der Fälle
als Frucht verstanden, meint die
Plattform Emojipedia. Meistens
wird er als Visualisierung
des weiblichen Hinterns genutzt,
die Aubergine steht oft
für das männliche Geschlechtsteil.

Das Emoji sieht aus wie
eine Sternschnuppe, ist es aber nicht.
Der Kreis mit dem Stern soll
um den Kopf einer Person schwirren,
die sich benommen fühlt.
Das Motiv steht eigentlich
für Schwindel und Orientierungslosigkeit.

Bilder,
die Verwirrung stiften

1982:Der Informatiker
Scott E. Fahlmann erfindet den Smiley,
das erste elektronische Lächeln.
„Ich schlage die folgende
Zeichen-Sequenz als Witz-Symbol vor“,
schreibt der US-Amerikaner in
einem Onlineforum seiner
Universität und erklärt dann:
„Man muss es seitwärts lesen :-)“.

1999:Shigetaka Kurita, damals Designer bei
dem führenden Mobilfunkanbieter Japans,
NTT Docomo, entwirft die
Vorläufer der Emojis. Es sind 176 einfarbige
Bildchen, die etwa Herzen oder Mondphasen
abbildeten. Inspiriert wurde Kurita von
Manga-Comics.

2011:Die globale Invasion der
Emojis beginnt, als sie
auf den iPhones von Apple eingeführt
werden. 2013 zieht Android
von Google nach. Die Palette besteht
damals aus knapp 500 Motiven,
heute sind es rund 3000.

2015:Die Bildsprache der Emojis
wird zum Politikum:
Die Standard-Einstellung war die gelbe
Gesichts- und Haarfarbe, doch von
nun an können Gesichter auch
in fünf verschiedenen Hauttönen
verschickt werden. Neu sind außerdem
verschiedene Familienkonstellationen.
Eine Familie kann nicht mehr nur
aus Vater, Mutter, Kind bestehen,
sondern auch aus gleichgeschlechtlichem
Eltern mit ein oder zwei Kindern.

2016:Apple ersetzt den Revolver
durch eine Wasser-Spritzpistole –
als Statement gegen
Waffengewalt in den USA.

2016: Eine15-Jährige
sorgt für das erste Kopftuch-Emoji.
Der Wienerin Rayouf Alhumedhi
fällt beim Chatten in Whatsapp auf,
dass ihr kein existierendes Emoji
ähnlich sieht. „550 Millionen muslimische
Frauen auf der Erde tragen Hijab.
Trotz dieser enormen Zahl ist
für die Menschen nicht einmal eine Taste
auf der Tastatur reserviert", argumentiert
Alhumedhi in ihrem Antrag.

Die AfD zeigt Herz


WiePolitiker und Firmen mit Emojis um Aufmerksamkeit buhlen


Auf den ersten Blick
könnte man diese Hand als
klares „Rock on!“ deuten.
In amerikanischer
Zeichensprache steht diese
Geste aber für
„Ich liebe dich“.

Es ist vielen nicht klar,
wasdie Frau mit der erhobenen
Hand eigentlich macht.
Während das Emoji oft benutzt
wird, um „frech sein“ zu symbolisieren,
halten manche sie für
eine Kellnerin. Offiziell soll
sie eine Frau am
Informationsschalter darstellen.

Aktivisten hatten eigentlich
eine blau-pink-weiße Flagge
im Emoji-Alphabet gefordert,
die steht für Transgender.
Weil diese Flagge
bisher nicht genehmigt wurde,
wurde das Hummer-Emoji gekapert:
Ein Hummer kann nämlich
sowohl männliche wie weibliche
Merkmale aufweisen.

Der Frosch wurde
währenddes US-Wahlkampfs
von den Unterstützern
des damaligen US-
Präsidentschaftskandidaten
Donald Trump genutzt. Auch die
rechte Alt-Right-Bewegung
verwendet den Tierkopf.

Der Automobilkonzern Ford
hat trickreich einen Pick-up in
den Zeichensatz geschmuggelt

DEFGH Nr. 184, Samstag/Sonntag, 10./11. August 2019 BUCH ZWEI 13


Eine kurze Geschichte des
Emoji-Alphabets

Hoher Wiederkennungswert:
Muhammad Ali siegt über
Sonny Liston, der legendäre
Filmkuss aus „Vom Winde
verweht“, Heidi Klum bei
„Germanys next Topmodel“
und dazu Cro, der Rapper.
FOTOS: BETTMANN ARCHIVE, REUTERS, DPA,
FLORIAN PELJAK
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