Süddeutsche Zeitung - 10.08.2019

(avery) #1
Eine Woche Kreuzfahrt – aber statt Erho-
lungnichts als Schmerzen und Ärger: Vor
dem Landgericht scheiterte am Freitag ei-
ne Frau mit dem Versuch, Schmerzens-
geld und Schadenersatz für einen Unfall
an Bord eines Kreuzfahrtschiffs zu erstrei-
ten. Bei dem Unfall hatte die Klägerin die
Kuppen an zwei Fingern der rechten Hand
verloren. Ihr Pech vor Gericht: Sie hatte
den Falschen verklagt.
Mit ihrem Mann und einem befreunde-
ten Ehepaar ging die Frau am 1. Juni des
vergangenen Jahres an Bord der „MSC Sin-
fonia“. Bis zum 9. Juni sollte die Reise im
Mittelmeer dauern, Griechenland und die
Kroatien-Route standen auf dem Pro-
gramm, gut 2000 Euro hatte das Paar be-
zahlt. Am dritten Tag jedoch kam es zu
dem Unglück: Die beiden wollten das Aus-
laufen des Schiffs beobachten. Auf dem
Weg zum Achterdeck bemerkte die Frau
jedoch, dass sie ihre Kamera in der Kabine
vergessen hatte, und ging noch einmal zu-
rück. Als sie dann die Tür zum Achterdeck
öffnete und schon halb durchgegangen
war, schlug starker Wind die Tür zu, dabei
wurden ihre Finger eingequetscht.
Die Fingerkuppen an Zeige- und Mittel-
finger waren abgetrennt. Noch auf dem
Schiff wurde sie vom Bordarzt operiert; er
amputierte jeweils die Endglieder beider
Finger. Die Frau setzte die Reise unter
Schmerzmitteln fort, auch eine sofortige
Rückkehr nach Deutschland hätte die Fin-
ger nicht gerettet. Längere Zeit nach dem
Unfall spürte die Klägerin Schmerzen in
den verletzten Fingern, konnte die rechte
Hand nicht wie gewohnt benutzen und
zum Beispiel ihre Hausarbeiten nicht erle-
digen.
Dafür müsste doch jemand verantwort-
lich sein, dachte sich die Frau, und forder-
te über ihre Anwälte mehr als 8000 Euro
vom – vermeintlichen, wie sich später her-
ausstellte – Reiseveranstalter, der das
aber ablehnte. So kam es zur Klage und
zum Prozess. Dort berief sich die Klägerin
hauptsächlich auf Verletzung der Ver-
kehrssicherungspflicht: Es habe keine Si-
cherheits-Einweisung zu Beginn der Rei-
se gegeben, die Sicherheitssperre an der
Tür sei nicht aktiv gewesen. Erst nach
dem Unfall habe das Schiffspersonal be-
gonnen, die Türen zu kontrollieren. Fünf
Tage nach dem Unfall, einen Tag vor Ende
der Reise, seien die Passagiere in der Bord-
zeitung vor den Gefahren zuschlagender
Türen gewarnt worden.

Das alles bestritt der Beklagte: Die Aus-
stattung der Tür habe den Sicherheitsbe-
stimmungen entsprochen und habe ein-
wandfrei funktioniert – was sich schon
daraus ergebe, dass eine Vielzahl von Pas-
sagieren die Tür ohne Schäden benutzt ha-
be. Also sei der Unfall dem „allgemeinen
Lebensrisiko“ zuzuordnen – der Veranstal-
ter müsse nicht vor Gefahren schützen,
„die jedem vor Augen stehen und vor de-
nen man sich ohne Weiteres selbst schüt-
zen kann“, so die Klageerwiderung.

Das alles erwies sich jedoch vor Gericht
als überhaupt nicht notwendig – die Klage
scheiterte schon an der so genannten „Pas-
sivlegitimation“, das bedeutet: wer zu ver-
klagen sei. In diesem Fall war der eigentli-
che Reiseveranstalter ein Unternehmen
in der Schweiz. Dieses betreibt in Mün-
chen eine Art Niederlassung, eine eigene
GmbH – die aber in den Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen (AGB) ausdrücklich
nur als so genannte Zustellungsbevoll-
mächtigte genannt ist. Das heißt die
Münchner Firma kann zwar agieren und
auch für das Schweizer Unternehmen
zum Beispiel Post entgegennehmen. Sie
ist aber nicht der Reiseveranstalter.
Das Gericht hielt die AGB für wasser-
dicht: Ausgehend von den „Verständnis-
möglichkeiten des durchschnittlichen Ver-
tragspartners“ seien diese nur so zu ver-
stehen, dass Veranstalter der Reise das
Schweizer Unternehmen sei. Weil die ver-
letzte Frau aber die Münchner GmbH ver-
klagt hatte, wurde die Klage abgewiesen.
Ihr bleibt jetzt nur noch die Möglichkeit ei-
ner neuen Klage, dieses Mal gegen den
Richtigen. Ob das in München oder in der
Schweiz geschehen müsste, steht in den
AGB. stephan handel

von anna hoben

Z


ehn Jahre ist es her, dass der
Stadtrat auf Initiative der Grü-
nen beschlossen hat, im neuen
Stadtteil auf dem Gelände der
Prinz-Eugen-Kaserne in Bogen-
hausen eine ökologische Mustersiedlung
mit 570 Wohnungen in Holzbauweise zu er-
richten. Jetzt, im Sommer 2019, ist das ehr-
geizige Vorhaben, Deutschlands größte zu-
sammenhängende Holzbausiedlung zu er-
richten, fast am Ziel. Für die künftigen Be-
wohner geht das Abenteuer indes gerade
erst los: In den kommenden Wochen zie-
hen die ersten dort ein. Im kommenden
Jahr soll dann das ganze Quartier Prinz-Eu-
gen-Park mit seinen insgesamt 1800 Woh-
nungen fertig sein.


An der Holzsiedlung beteiligt sind ne-
ben den städtischen Wohnungsbaugesell-
schaften GWG und Gewofag auch Genos-
senschaften und Baugemeinschaften.
Doch wie definiert sich das überhaupt?
Oder salopp gefragt: Wie viel Holz muss ei-
ne Hütte haben, um als Holzbau durchzu-
gehen? Dafür gab es bei der Ausschrei-
bung klare Vorgaben, angegeben in der
Einheit „kg nawaros / m2 Wohnfläche“.
Was rätselhaft klingt, steht ganz einfach
für „nachwachsende Rohstoffe“. Bei niedri-
gen Häusern mit bis zu drei Geschossen
wurde festgelegt, dass mindestens 150 Ki-
logramm Holz pro Quadratmeter Wohnflä-
che verbaut werden sollten – tatsächlich
sind es nun in den GWG-Häusern bis zu



  1. Beim Geschosswohnungsbau – bis zu
    sieben Stockwerke haben die Gebäude –
    sollten es mindestens 50 Kilogramm sein



  • tatsächlich sind es bis zu 240. Ein Haus,
    das nur eine Verschalung aus Holz besitzt,
    ist demnach noch kein Holzbau.
    Höchstens 400 Kilometer Weg durfte
    das Material zudem bis nach München zu-
    rückgelegt haben, sonst wäre es mit der gu-
    ten Ökobilanz ja auch wieder nicht weit
    her gewesen. Das Holz, das die GWG ver-
    baut hat, stammt aus Oberbayern und Ös-
    terreich: Fichte und Kiefer. Modellvorha-
    ben mit Holzbauweise habe es immer gege-
    ben, aber nicht so konzentriert als Sied-


lung, sagt GWG-Geschäftsführerin Gerda
Peter. Die tragenden Elemente hat ihr Un-
ternehmen in Hybridbauweise gebaut,
das heißt, dass etwa die Wände aus Holz
sind, die Decken aber zum Teil aus Beton.
Ökologisch gesehen bewege man sich
„nah am Passivhausstandard“. Vom klei-
nen Apartment bis zur Vierzimmerwoh-
nung ist alles dabei, die Kaltmieten bewe-
gen sich je nach Fördermodell zwischen
9,60 und 13 Euro pro Quadratmeter.
Doch halten die Holzhäuser nicht weni-
ger lang als konventionelle Bauten? Holz
sei sehr langlebig, sagt Gerda Peter, man
denke nur an die jahrhundertealten Stab-
kirchen in Norwegen. Okay, so lange wer-
den die Holzhäuser im Prinz-Eugen-Park
vielleicht nicht überdauern. Für 100 Jahre
sei eine Wohnimmobilie aber schon ange-

legt, so Peter – das solle in der Öko-Muster-
siedlung nicht anders sein. Für künftige
Projekte verspricht sich die GWG von der
Mustersiedlung aufschlussreiche Erkennt-
nisse. Auch bei der Baugemeinschaft
Team Hoch Drei beziehen die ersten Mit-
glieder nun ihre Eigentumswohnungen.
36 insgesamt, in sieben Gebäuden. Die Pla-
nung lag bei der Architekturwerkstatt Val-
lentin, die seit vielen Jahren Erfahrung im
Passivhaus- und Holzbau hat.
Man müsse „zurück zu den guten Mate-
rialien“, sagt Stadtbaurätin Elisabeth
Merk. Was in den vergangenen Jahrzehn-
ten in Sachen Wärmedämmung gemacht
worden sei, „das wird die große Sonder-
müllgeschichte der nächsten 20 Jahre
sein“, prophezeit sie. Neben einer guten
Ökobilanz biete die Holzsiedlung außer-

dem eine neue, andere Ästhetik. Im Pla-
nungsreferat sieht man das Projekt also
als Leuchtturm, dem aber möglichst bald
weitere Leuchttürme zur Seite gestellt wer-
den sollen. „Das soll irgendwann Standard
sein“, so Merk. Sie wolle deshalb ein weite-
res Förderprogramm auflegen.
Die Holzsiedlung im Prinz-Eugen-Park
hat die Stadt mit 13,6 Millionen Euro geför-
dert. Auch im neuen Stadtteil Freiham sol-
le ein großer Anteil Wohnungen in Holz-
bauweise entstehen. Für das künftige
Wohngebiet auf dem Gelände der ehemali-
gen Bayernkaserne liefen noch Untersu-
chungen. Viel Neugier weckt die Muster-
siedlung jetzt schon. Anfragen, so berich-
tet Stadtdirektorin Ulrike Klar, kämen so-
gar aus Finnland – einem Land, dessen Flä-
che zu 65 Prozent mit Wald bedeckt ist.

Dafür, was als Holzbau zählt, gab es in der ökologischen Mustersiedlung klare Kriterien. In die Häuser der Baugemein-
schaft Team Hoch Drei (Architekturwerkstatt Vallentin) ziehen nun die ersten Bewohner ein. FOTO: FLORIAN PELJAK

Der wirkliche
Reiseveranstalter sitzt
in der Schweiz

Bezahlbare Mieten, gute Ökobilanz


Deutschlands größte zusammenhängende Holzbausiedlung ist fast fertig: Nun ziehen die ersten Bewohner
in die Häuser im Prinz-Eugen-Park ein. Und auch Experten von außerhalb zeigen Interesse

Den Falschen


verklagt


Frau verletzt sich bei Kreuzfahrt, scheitert aber vor Gericht


Höchstens 400 Kilometer Weg


durfte das Material bis nach


München zurückgelegt haben



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* Dieser Artikel kann aufgrund begrenzter Vorratsmenge bereits im Laufe des ersten Angebotstages ausverkauft sein. Alle Preise ohne Deko. Für Druckfehler keine Haftung. Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG, Rötelstr. 30, 74166 Neckarsulm • Namen und Anschrift der regional tätigen Unternehmen unter http://www.lidl.de/filialsuche oder 0 800 4353361. * * Seit Januar 2 019. ¹ Lidl hat nach Ansicht der von
YouGov befragten Verbraucher das beste Preis-Leistungs-Verhältnis in der Kategorie Lebensmitteleinzelhandel. Mehr Informationen unter: https:// yougov.de/news/2019/02/14/lidl-dm-und-deichmann-erneut-die-preis-leistungs-s. ² Im Auftrag von n-tv hat DISQ vom 23.01.-25.03.19 insgesamt 808 Verbraucher, die in den letzten sechs Monaten bei einem Lebensmittel-Discounter eingekauft hatten,
befragt. Im Mittelpunkt der Panel-Befragung standen die Meinungen der Verbraucher zu den Aspekten Preise, Produktsortiment, Qualität der Lebensmittel, Service und Filialgestaltung. Darüber hinaus fl ossen die Weiterempfehlungsbereitschaft und Kundenärgernisse in die Gesamtwertung ein. Mehr Informationen unter https://disq.de/2019/20190509-Lebensmittel-Discounter.html.

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