Süddeutsche Zeitung - 19.08.2019

(Ron) #1

M


it Mitleid muss er seinen
Soldaten nicht kommen. Ge-
neral Gerhard Klaffus weiß
das. Er war ja auch mal ei-
ner von ihnen. Einer von
der Kampftruppe. Sind harte Kerle. Und
Frauen. Sie schmelzen unter ihren schwe-
ren, kugelsicheren Westen und den Stahl-
helmen nicht dahin, obwohl die Tempera-
tur schon am Vormittag auf mehr als
40 Grad steigt. Schwitzt überhaupt einer?
Klaffus’ Soldaten pumpen ihre Muskeln
im improvisierten Gym neben dem Wach-
turm auf. Die Gewichte sind groß wie Auto-
räder. Wer im Turm Dienst schiebt, kann
anfeuern. Sollte das zur Motivation nicht
reichen, dann vielleicht die Vorstellung,
dass ein paar Meter weiter, direkt hinter
Mauern und Stacheldraht, der „Leichen-
container“ steht. Dort beginnt der Stütz-
punkt der afghanischen Armee. Im weißen
Container werden die Körper all derer bis
zur Beisetzung kühl gehalten, die die nächt-
lichen Gefechte nicht überlebt haben.
„Und, schon verliebt in Maimana?“ Ge-
neral Klaffus verzieht den Mund zu einem
Lächeln. Seine Soldaten schauen gequält.
Maimana, Afghanistan. Alles, was die
Soldaten zu sehen bekommen werden, ist
dieser staubige Flecken Erde, dieser Au-
ßenposten am Rande der Provinzhaupt-
stadt im Norden. „Safe Haven“nennen sie
ihn, ihren sicheren Zufluchtsort. Knapp
200 Soldaten der internationalen Truppen
sind dort stationiert. Die meisten von ih-
nen sind Amerikaner. 63 Deutsche sollen
dafür sorgen, dass dieser Ort ein sicherer
bleibt. Früher, als die Nato auf Kampfein-
satz in Afghanistan war, hatten die Norwe-
ger an dieser Stelle ihr Camp. Heute ist hier
die 1. Brigade des 209. Korps der afghani-
schen Armee untergebracht.


Die Deutschen und die Amerikaner be-
wohnen ein Eck im Lager. Sie sollen die Af-
ghanen ausbilden und trainieren, seitdem
diese 2015 die Aufgabe übertragen bekom-
men haben, ihr Land selbst zu beschützen.
„Resolute Support“ heißt die Mission.
Man darf sich das Miteinander nicht als
harmonische Nachbarschaft vorstellen.
Vertrauen gibt es nur wenig. Die Mauer,
die mit Kies gefüllten Drahtgitterkörbe
und der Stacheldraht des Safe Haven, sie
bilden auch eine Grenze zu den afghani-
schen Verbündeten. Wenn sich die Solda-
ten aufmachen, um ihre Kameraden ne-
benan zu trainieren und zu beraten, dann
gehen sie durch das Haupttor, das „Afghan
Gate“. Sie bewegen sich nie ohne eigene
Beschützer. Und sie nehmen nach Möglich-
keit immer dieselben mit. Denn die erken-
nen am ehesten, wenn etwas anders ist,
jemand nervös wirkt oder einer in der Run-
de sitzt, der noch nicht mit dabei war.
Eine Woche zuvor hat ein afghanischer
Uniformierter nördlich von Kandahar das
Feuer auf zwei US-Soldaten eröffnet und
die beiden, 20 und 24 Jahre alt, getötet. Sie
waren als Berater unterwegs. So wie die
Deutschen. Die Gefahr lauert draußen wie
drinnen. Aber den „Innentäter“ fürchtet
die Truppe noch viel mehr, weil diese An-
griffe besonders hinterhältig sind.
General Klaffus hatte also allen Grund,
an diesem Morgen von seinem Hauptquar-
tier, Camp Marmal, am Rande der Stadt
Masar-i-Scharif in den Hubschrauber zu
steigen und diesen Außenposten anzusteu-
ern. Er will seine Soldaten ermuntern
durchzuhalten. Und er will mit den Afgha-
nen reden. Er will vom Kommandeur der



  1. Brigade wissen, wie es weitergehen soll.


Die Lage verfinstert sich wieder, nicht
nur hier im Norden. Am vergangenen
Samstag starben bei einem Selbstmordat-
tentat auf einer Hochzeitsfeier in Kabul
mindestens 63 Menschen, mehr als 182
wurden verletzt. Weit weg von den Deut-
schen. Die Nachricht verbreitet sich trotz-
dem schnell. Die Taliban wollen damit
nichts zu tun gehabt haben. Am Sonntag re-
klamierte die Terrormiliz Islamischer
Staat den Anschlag für sich.
Brigadegeneral Gerhard Ernst-Peter
Klaffus, 55 Jahre alt, eins neunzig groß, ath-
letische Figur, hat seit einem Jahr das Kom-
mando über das deutsche Einsatzkontin-
gent in Afghanistan. Knapp 1300 Männer
und Frauen hören auf seinen Befehl. Er gilt
als höflich, aber distanziert. Für Klaffus
sind es die letzten Tage in Afghanistan. Am


  1. August übergibt er das Kommando an
    seinen Nachfolger.
    Der Anschlag auf die zwei Amerikaner
    hat Klaffus’ Mission zurückgeworfen. Eine
    Woche lang durften seine Soldaten zum ei-
    genen Schutz nicht zur Beratung in die
    Stützpunkte der Afghanen. Unter seiner
    Führung geht wieder ein Jahr des Einsat-
    zes zu Ende. Und noch immer weiß keiner,
    wann dieses Land so weit sein wird, dass
    die deutschen Soldaten abziehen können.
    Im 19. Jahr wird nun schon Deutsch-
    lands Sicherheit am Hindukusch vertei-
    digt. So hat es der frühere Verteidigungsmi-
    nister Peter Struck (SPD) in den Anfangs-
    jahren formuliert. Nach ihm kamen fünf
    Verteidigungsminister. Annegret Kramp-
    Karrenbauer ist so frisch im Amt, dass sie
    noch nicht in Afghanistan war. Die Kamera-
    den erwarten sie spätestens zum Weih-
    nachtsbesuch. Der gehört schon zur Routi-
    ne. Und wenn Klaffus als Kontingentfüh-
    rer abgelöst wird, bekommt er sein in Holz
    gerahmtes Foto an der Ehemaligen-Wand
    aufgehängt: in Reihe drei unten, vierte Stel-
    le von links. So viele vor ihm haben schon
    versucht, die Mission zu Ende zu bringen.
    Klaffus hat seine Soldaten im Schatten
    eines Tarnnetzes zum Lagebriefing ver-
    sammelt. Die Soldaten haben ihre Geweh-
    re in Griffweite abgelegt. Hauptmann Kai
    B., 30 Jahre alt, hat einen Vortrag ausgear-
    beitet. Eine Tafel gibt es nicht, einen
    Beamer auch nicht. Nur große Bögen Pa-
    pier, die er per Dartpfeil an einer Spielschei-
    be befestigt.
    Zur Sicherheitslage: 20 Kilometer nörd-
    lich seien Scharfschützen gesichtet wor-
    den. Die Taliban hätten Mörser und Klein-
    waffen. Im Mai fegte ein Geschoss über
    das Camp. Sollte das Lager unter Beschuss
    geraten, wird es eng in den Bunkern. Sie
    bieten nur Platz für 120 bis 140 Soldaten.
    Klaffus unterbricht. Da müsse schnell eine
    Lösung her. Dass es zu wenig Klos gibt und
    diese oft schmutzig seien, nimmt er zur
    Kenntnis: „Zwei Säue“ im Verband, sagt er,
    das reiche schon, um für schlechte Stim-
    mung zu sorgen. Hauptmann B. fragt:
    „Wie lange werden wir noch hier sein?“
    Wenn Klaffus das wüsste. Er bittet seine
    Soldaten, sich in Maimana acht Wochen
    „durchhaltefähig“ zu halten. Fürs Erste.
    Im Lager gibt es keine Küche. Die Solda-
    ten ernähren sich von EPas, Einmannpa-
    ckungen. In Folie eingeschweißtes Essen
    wie Thunfischsalat oder Trockenobst. Pri-


vatsphäre – das ist nur das Feldbett in ei-
ner Halle, die tagsüber abgedunkelt ist. Ir-
gendwer schläft immer, weil die Soldaten
in Schichten auf ihren Posten sind. Drin-
nen wird nur geflüstert.
Draußen ist die Hölle los. Die Taliban fü-
gen den afghanischen Soldaten und Polizis-
ten schwere Verluste zu. Bis zu 80 Men-
schen sterben jede Woche. Und auch bei
den Taliban fließt Blut. Strategisches Patt
heißt die Situation. Die Taliban haben ihr
Reich in Schattenprovinzen aufgeteilt,
geführt von Schattengouverneuren. Wenn
die Armee den Aufständischen einen
Schlag versetzt, greifen diese ein paar Tage
später an anderer Stelle wieder an. „Das
Zermürbende für die Afghanen ist der per-
manente Kleinkrieg“, sagt Klaffus.

Klaffus kennt das Land. 2013 – zu Zeiten
der Stabilisierungsmission Isaf – war er
für ein halbes Jahr in Afghanistan im
Einsatz. Zuvor hatte er sich in Berlin im
Ministerium mit der Mission beschäftigt.
Zuletzt war er für Bundespräsident Frank-
Walter Steinmeier Verbindungsoffizier
zum Verteidigungsministerium. Als Klaf-
fus vor einem Jahr in den Einsatz ging, war
ihm klar: Nichts wird leicht werden.
Klaffus hat einen Termin mit einem bul-
ligen Soldaten in grüner Flecktarnuni-
form. Oberstleutnant Insafullah Dawlatzai
hat den Safe Haven betreten. Er ist der
neue Kommandeur der 1. Brigade des


  1. Korps. Sein Vorgänger – so viel ist zu
    hören – soll sich mit seinen Truppen nicht
    mehr rausgetraut haben. Der Neue und
    Klaffus setzen sich in einen gekühlten Con-
    tainer. Was Klaffus zu hören bekommt, ist
    niederschmetternd. Die Moral in der afgha-
    nischen Truppe sei im Keller. Sie hätten
    von allem zu wenig: Es fehle an Waffen, an
    Autos, an Soldaten. „Mit einer Hand kann


man keine lauten Geräusche machen“, zi-
tiert der Oberstleutnant ein Sprichwort.
Klaffus wusste schon, dass das Ge-
spräch schwierig wird. Als sich aber zeigt,
dass sich der neue Kommandeur noch
nicht über die anstehenden Operationen in-
formiert hat, wird auch er bestimmter im
Ton. Ob der Neue denn die Rolle der 1. Bri-
gade kenne, will er vom Kommandeur wis-
sen. Dieser weicht aus. Später erinnert
Klaffus seinen Gesprächspartner noch dar-
an, dass man in der Truppe mit Informatio-
nen über Einsätze vertraulich umgeht. Es
gab Fälle unter früheren Kommandeuren,
da waren die Taliban gewarnt worden. Klaf-
fus sagt, er verlasse das Land mit einem un-
guten Gefühl, weil es ihm nicht gelungen
sei, die Probleme der 1. Brigade zu lösen.
Wenn Klaffus nach einem langen Tag ei-
ne Runde joggt – meist ist es dann schon
dunkel –, orientiert er sich am Mond und
an den Sternen. So oft, erzählt er, dachte er
sich: „Schon wieder Vollmond.“ Seinen Sol-
daten im Außenposten versichert er: Die
Zeit geht vorbei. Auch wenn es sich an Ta-
gen wie diesen nicht so anfühlt.
Die Deutschen nehmen Teil an diesem
Krieg. Von der zweiten Reihe aus. Sie sind
über jede Truppenbewegung informiert.
Im Hauptquartier in Masar-i-Scharif wer-
den jeden Tag rote Fähnchen auf eine Kar-
te des Einsatzgebietes gesteckt, jedes steht
für ein Gefecht mit den Aufständischen. Al-
lein in der vergangenen Nacht waren es elf.
Der Highway 1 verläuft in einem großen
Kreis durch Afghanistan. Kaum eine Stra-
ße ist wichtiger. Wer den Highway be-
herrscht, hat Macht in diesem Land. Die Ta-
liban begegnen den Soldaten hier nicht als
religiöse Fanatiker, sondern als Banditen:
Ihnen geht es darum, eine Struktur am Le-
ben zu erhalten, die Tausenden das tägli-
che Auskommen sichert – sei es durch
Schmuggel oder Raub. Die Kämpfer leben
in den Dörfern entlang des Highways. Na-
he genug, um Opiumlieferungen abzusi-
chern, die im Norden außer Landes gehen
sollen. Oder um dort Waffen in Empfang
zu nehmen, die sie zum Kampf brauchen.

Die Taliban sind schnell. Kurz bevor ei-
ne Lieferung rollt, ziehen sie ihre Kämpfer
zusammen. Mal zehn aus jenem Dorf, mal
zehn aus dem nächsten. So überrennen in
der Nacht mal 30, mal 90 Angreifer die
Checkpoints der Armee. Mittlerweile grei-
fen sie auch Städte an, im April etwa Kun-
dus. Die afghanische Armee konnte den
Angriff gerade noch abwehren.
Kundus. Dort hatten die Deutschen bis
2013 ein Feldlager. Der Name hat sich
eingeprägt. Hier lernte die Bundeswehr
schmerzhaft, was es heißt, in einem Kriegs-
gebiet zu operieren. Soldaten zu verlieren.
Zivilisten sterben zu sehen. Mit deutscher
Hilfe wird dort heute, nur ein paar Kilome-
ter vom alten Lager entfernt, das 217. Korps
der afghanischen Armee aufgebaut. Deut-
sche und Afghanen stehen in Kundus zu-
sammen in der Operationszentrale und
besprechen die nächtlichen Einsätze. Hier
hat die Bundeswehr genauso einen Außen-
posten wie in Maimana. Sie haben das „grü-
ne Telefon“ eingerichtet. Für den Notfall.
Ein Apparat steht bei den Deutschen, einer
bei den Afghanen, mit Draht verbunden.
Wenn es klingelt und die Afghanen um Hil-
fe bitten, kommen die Deutschen.
Die afghanischen Streitkräfte lernen ge-
rade, ihre eigene, kleine Luftwaffe einzu-
setzen: einfache Propellermaschinen, bes-
ser als nichts. Von den Amerikanern haben
sie eine Beobachtungsdrohne geschenkt
bekommen. Es ist nicht alles finster.
Klaffus kann Erfolge präsentieren. Und
er mag sie sich auch nicht schlechtreden
lassen. „In diesem Land ist das Überleben
für die Afghanen selbst ohne Krieg eine täg-
liche Herausforderung“, sagt er. „Unsere
Gesellschaft hat gar keine Vorstellung
mehr davon, einen Feind zu haben.“ Wenn
er mittags in Masar-i-Scharif zu tun hat,
sieht er Mädchen aus der Schule stürmen.
Das gab es früher nicht.
Mit kaum einem anderen Einsatz ha-
dern die Deutschen so sehr wie mit die-
sem. Auch die Soldaten. 90 000 deutsche
Soldaten waren bis heute im Afghanistan-
Einsatz. 58 starben. Das Zentrum für Mili-
tärgeschichte und Sozialwissenschaften
der Bundeswehr hat Seelenforschung be-
trieben. Was macht dieser Einsatz mit den
Soldaten? Wie denken sie heute darüber?

In einer Langzeitbeobachtung hat das
Zentrum Soldaten des 22. Kontingents der
Isaf-Kampfmission begleitet und Jahre
später wieder befragt. Die eine Hälfte gab
an, sie glaube, ihr Einsatz hätte den Men-
schen geholfen. Die andere Hälfte zweifelt.
27 Prozent der Soldatinnen und Soldaten
sind überzeugt, dass ihr Einsatz „letztend-
lich nutzlos“ gewesen sei.
Und trotzdem: Raus aus Afghanistan?
Die Mehrheit der Befragten will das nicht.
Über die deutsche Politik denken sie we-
nig Gutes. Nicht einmal jeder Fünfte
glaubt, dass sie wirklich hinter dem Ein-
satz steht. In der Studie heißt es: „Viele fra-
gen sich offenbar, wofür sie die Risiken des

Einsatzes tragen sollen, wenn der politi-
sche und gesellschaftliche Rückhalt für
den Einsatz nicht gegeben ist.“
Als der Bundestag Anfang des Jahres
das Mandat wieder um ein Jahr verlänger-
te, geschah das seltsam distanziert. Außen-
minister Heiko Maas berichtete von „An-
sätzen von Normalität“, die in Afghanistan
festzustellen seien. FDP-Verteidigungspo-
litikerin Marie-Agnes Strack-Zimmer-
mann rieb der Regierung hin, im Mandats-
text nur noch das Datum zu aktualisieren
und ein paar Textbausteine auszutau-
schen. So viel zur Routine – in Berlin.
Im Lager Maimana hat Gerhard Klaffus
gerade das neue Team an Bundeswehrärz-
ten vor sich stehen, die sich um Verwunde-
te kümmern. Amerikaner und Afghanen,
die draußen auf Mission gehen. „Es dürfte
einiges zu tun geben“, sagt Klaffus. „Ich
bin froh, sie hier unten zu haben.“
Auch wenn es sich im Lager Maimana
nicht so anfühlt: Hochrangige Vertreter
der Taliban sprechen seit Juli 2018 mit den
USA über eine politische Lösung des Kon-
flikts. Es war nicht möglich, die Taliban zu
besiegen. Nun soll es eine Lösung mit ih-
nen geben. Anfang August lief in Doha die
jüngste Verhandlungsrunde unter Füh-
rung des US-Chefunterhändlers Zalmay
Khalilzad. 14000 Soldaten haben die USA
noch in Afghanistan stationiert. Die Tali-
ban wollen den Abzug der internationalen

Truppen. Auch Donald Trump macht
Druck, er will seine Soldaten abziehen.
Nächstes Jahr sind Präsidentschaftswah-
len. Die USA rennen zum Frieden, sagen
sie in Afghanistan. Wenn die Amerikaner
gehen, dann gehen auch die Deutschen.
„Das deutsche Volk steht in dieser schwe-
ren Stunde an der Seite der Vereinigten
Staaten von Amerika“, hatte Kanzler Ger-
hard Schröder nach den Anschlägen vom


  1. September 2001 George W. Bush ge-
    schrieben und „uneingeschränkte Solidari-
    tät“ versichert. Lange her.
    Fortschrittsberichte aus Afghanistan
    werden schon seit Jahren nicht mehr ver-
    fasst. Große Ziele? Nimmt sich für dieses
    Land auch niemand mehr vor.
    Es ist später Nachmittag. Der Hub-
    schrauber, der Klaffus nach Masar-i-Scha-
    rif zurückbringen soll, wartet. Die Rotoren
    machen einen Höllenlärm. Klaffus kramt
    ein Buch mit vergilbten Seiten hervor.
    „Staatskunst und Kriegshandwerk“ von
    Gerhard Ritter, einem konservativen Histo-
    riker, Band 2. Klaffus unterstreicht viele
    Passagen. Es geht um die Jahre vor dem
    Ersten Weltkrieg. Eine Zeit, eine Welt weit
    weg von hier.
    Für Afghanistan hat niemand ein Hand-
    buch. Klaffus wird bald in Paris arbeiten.
    Als Militärattaché. Die Mission? Auch er
    konnte sie nicht beenden.
    Weiches Abendlicht legt sich über das
    Land. Klaffus holt sein Smartphone aus
    der Uniform, der General macht ein paar
    Aufnahmen von der sanften Hügelland-
    schaft. Aus der Luft sieht dieses Land so
    friedlich aus.


Die Lage verfinstert sich, nicht


nur imNorden. In Kabul hat ein


Attentäter 63 Menschen getötet


Die innere Unsicherheit


Seit 18 Jahren sind deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert. Hat es was gebracht?


Ein Einsatz mit General Klaffus, der weiß, wo die Grenzen sind


von mike szymanski


DEFGH Nr. 190, Montag, 19. August 2019 (^) DIE SEITE DREI 3
Bei einer Besprechung hört Gerhard Klaffus (Mitte) kaum Gutes von der afghani-
schen Armee. Zu wenig Waffen, zu wenig Autos, die Moral sei im Keller.
Der General begrüßt die neuen
Bundeswehrärzte im Lager.
„Es dürfte einiges zu tun geben.“
Bislang hat die Bundeswehr 90 000 Soldaten nach Afghanistan geschickt. Eine Mission, mit der auch die Soldaten selbst hadern. Nicht einmal jeder fünfte von ihnen glaubt, dass die deutsche Politik hinter dem Einsatz steht. FOTOS: MIKE SZYMANSKI
Inzwischen gehen hier auch
Mädchen zur Schule, das gab
es früher nicht. Ein Erfolg
100 km
SZ-Karte/Maps4News
Kabul
Masar-i-Scharif Camp
Marmal Kundus
Maimana
AFGHANISTANAFGHANISTAN
TURKMENIS TANTURKMENISTAN TADSCHI-
KIS TAN
TADSCHI-
KISTAN
USBEKIS TANUSBEKISTAN

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