von oliver meiler
Rom– Es laufen die letzten taktischen Ma-
növer, die allerletzten Kapriolen werden
aufgeführt, manche Herrschaften legen
auch noch ein paar falsche Fährten. Rom
nähert sich dem Höhepunkt einer „surrea-
len Krise“, wie sie der sonst nüchterneCor-
riere della Serabeschreibt – und alle rät-
seln. Sicher scheint nur ein einziger Pro-
grammpunkt zu sein: Dienstag, 20. Au-
gust, Senat der Republik, 15 Uhr, Mitteilun-
gen des Präsidenten des Ministerrats.
Premier Giuseppe Conte wird dann eine
Rede halten. Man hört, er schreibe schon
seit Tagen daran. Wahrscheinlich wird er
darin die 14 Monate seiner Regierung Re-
vue passieren lassen und erklären, wie es
kam, dass dieses „Kabinett des Wandels“
aus Lega und den Fünf Sternen, wie er es
selbst einmal nannte, nun abrupt zu einem
Ende kommt. Gewollt hat dieses Ende
nicht Conte, sondern Matteo Salvini, sein
Vize von der rechten Lega und Innenminis-
ter. Der hat einen Misstrauensantrag ge-
gen Conte eingebracht.
Doch Salvini würde wohl viel dafür ge-
ben, wenn er alles ungeschehen machen
könnte: den Bruch mit seinen Koalitions-
partnern der Cinque Stelle; die Forcierung
einer Krise mitten in den Sommerferien,
was die urlaubenden Parlamentarier fürch-
terlich aufregte; diese Hast, wo es doch für
ihn gerade ideal lief. Der Coup mit der Kri-
se, um baldige Neuwahlen zu erzwingen,
misslang wohl gründlich. Er weckte einen
Block im Parlament, der sich Salvini jetzt
entgegensetzt und ihn für dreieinhalb Jah-
re in die Opposition verbannen könnte.
Salvini riskiert also, alles zu verlieren,
auch das Gesicht. Die ZeitungIl Fatto Quoti-
diano, den Fünf Sternen nahe, zeigte ihn
am Wochenende auf ihrer ersten Seite in ei-
ner Fotomontage mit Hut in der Hand, da-
zu den Titel: „Der Bettler“.
In den vergangenen Tagen soll Salvini
versucht haben, den Vizepremier Luigi Di
Maio von den Cinque Stelle mit einem fast
unfassbaren Angebot dafür zu gewinnen,
trotz aller Vorwürfe und Brüche nun doch
weiterhin mit ihm zu regieren: Er offerier-
te ihm den Posten des Premiers. Das ist
auch deshalb besonders bizarr, weil er den
jungen, politisch ungeschickten Neapolita-
ner während der gemeinsamen Regie-
rungszeit zum immerzu nickenden Adla-
tus degradiert hatte. Di Maio lehnte nun
ab. Salvini sei wohl sehr verzweifelt, sagte
er. „Vor einigen Tage suchte er noch Hilfe
bei Silvio Berlusconi.“ Auch Conte soll von
Salvini eine neue Job-Offerte erhalten ha-
ben: EU-Kommissar. Doch auch der schlug
aus. Die Beziehung sei „unheilbar zerrüt-
tet“, ließ Conte ausrichten.
Es ist deshalb wahrscheinlich, dass er
nach seiner Rede im Senat gleich zum
Staatspräsidenten geht und seinen Rück-
tritt einreicht, ohne die Misstrauensab-
stimmung abzuwarten. Das hätte zur Fol-
ge, dass Staatschef Sergio Mattarella
Conte mit der Führung eines Übergangs-
kabinetts betraut, das die laufenden Ge-
schäfte erledigt. Unterdessen könnten die
Sozialdemokraten vom Partito Democrati-
co und die Cinque Stelle ihre Gespräche für
eine mögliche neue Koalition aufnehmen.
Sie hatten es vor einem Jahr schon einmal
miteinander versucht, damals ohne Erfolg.
Mattarella hat auf diskrete Art allen klar-
gemacht, dass er diesen beiden Parteien ge-
nügend Zeit einräumen würde, wenn sie
denn daran interessiert wären, eine dauer-
hafte Allianz einzugehen – eine bis zum En-
de der Legislaturperiode im Jahr 2023. Das
ist ihm auch deshalb wichtig, weil 2022
sein Nachfolger gewählt wird. Vorwürfe
könnte man dem Staatspräsidenten dafür
nicht machen, so sehr Salvini auch über ei-
ne angebliche Palastrevolution klagen wür-
de. Vor eineinhalb Jahren gestand der ge-
duldige Staatschef auch der Lega und den
„Grillini“ viel Zeit zu, als die an ihrem Re-
gierungsvertrag feilten.
Solange der Partito Democratico und
die Cinque Stelle miteinander verhandeln,
könnten Conte und sein Team die
dringendsten Angelegenheiten erledigen.
Spätestens am 26. August zum Beispiel
müssen die Italiener schon einen Kandida-
ten für die neue EU-Kommission vorschla-
gen; sie hätten gerne ein gewichtiges Wirt-
schaftsressort. Bis Ende Oktober sollte
dann ein grober Haushaltsplan für 2020
stehen. Einfach wird das nicht: Brüssel er-
wartet Einsparungen von 30 Milliarden Eu-
ro. Verfehlt Rom die Zielvorgabe, droht den
Italienern eine schmerzhafte Erhöhung
der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent.
Tritt Conte nach seiner Rede als Premi-
er zurück, hätte das auch zur Folge, dass
die Abstimmung über eine Verkleinerung
des Parlaments um 345 Sitze, von 945 auf
600, verschoben würde. Das Votum über
die Verfassungsreform, die den Cinque
Stelle besonders am Herzen liegt, ist auf
den 22. August angesetzt. Salvini hatte die
Cinque Stelle auch mit diesem Termin zur
Rückbesinnung bewegen wollen, so sehr
fürchtet er deren Flirt mit den Sozialdemo-
kraten. Er sagte, die Linke wolle die Re-
form nicht, sie klebe an den Posten fest,
nur mit ihm sei sie möglich. Doch auch die-
se Kapriole war durchsichtig, und sie kam
wohl auch zu spät. Seine Minister zog Salvi-
ni bisher nicht zurück, obschon er es mehr-
mals angekündigt hatte.
Im italienischen Politbetrieb sind Pro-
gnosen gefährlich, gerade in solchen Pha-
sen taktischer Tollerei. Vielleicht gibt es in
den allerletzten Stunden vor Contes Auf-
tritt im Senat noch ein Überraschungsma-
növer der Lega, eines, das die ganze Partie
wieder öffnet. Doch wahrscheinlich ist das
nicht. In Italien kann man sich jedenfalls
nicht erinnern, wann sich ein Politiker, ein
rasender Aufsteiger dann noch, zuletzt so
verrannt hat wie Matteo Salvini in diesem
wirren Sommer. Wirtschaft
Arnstadt– Die Thüringer AfD hat ihr Pro-
gramm zur Landtagswahl Ende Oktober
verabschiedet und sich einmal mehr als Op-
fer angeblich einseitiger Berichterstattung
dargestellt. In der Stadtbrauerei in Arn-
stadt begrüßte der Sprecher des Landes-
vorstands, Björn Höcke, die 238 stimmbe-
rechtigten Mitglieder am Sonntag zu ei-
nem „Programmparteitag“, befasste sich
dann aber zunächst vor allem mit Berich-
ten über den Ende Juli im Frankfurter
Hauptbahnhof getöteten Jungen sowie
solchen zu seiner eigenen Person. Die Be-
zeichnung des erstgenannten Vorfalls als
„Unglück“ sei, so Höcke, „ein weiterer
Schlag ins Gesicht der Mutter“ des Jungen.
Den Vorwurf des Thüringer Innenminis-
ters Georg Maier (SPD) wiederum, Höcke
nutze den ihm zugeteilten Personenschutz
durch das Landeskriminalamt für Insze-
nierungen seiner selbst, wies der AfD-Poli-
tiker zurück und sagte: „Diese Aussage ist
falsch.“ Höcke schloss die Betrachtungen
und Selbstbetrachtungen mit der per-
sönlichen Einschätzung, Journalisten in
Deutschland fühlten sich einzig noch für
die „Exekutierung eines politischen
Kampfauftrags“ zuständig, und zwar „im
Namen der politischen Kartellparteien“.
Björn Höcke, der der als völkisch und na-
tionalistisch eingestuften „Flügel“-Grup-
pierung in der AfD angehört, kündigte an,
seine Partei werde eine Kurzversion des
110-seitigen Wahlprogramms in jeden
Haushalt in Thüringen bringen. „Wir wer-
den diesen Kampf um die Briefkästen füh-
ren und wir werden diesen Kampf um die
Briefkästen gewinnen“, sagte er. Der jüngs-
ten Umfrage des Mitteldeutschen Rund-
funks zufolge kommt die AfD derzeit auf
24 Prozent der Stimmen in Thüringen und
die mit SPD und Grünen regierende Links-
partei auf 25 Prozent. Die oppositionsfüh-
rende CDU erreichte in derselben Umfrage
21 Prozent der Stimmen.
Teil des Programms der AfD zur Wahl
ist eine „Abschiebungsinitiative 2020“.
Darin heißt es, Thüringen habe „genug bil-
dungsferne Migranten“. In Arnstadt sagte
Höcke erneut, er wolle Asylbewerber nicht
integrieren. Stattdessen gelte es, deren
„Rückkehrfähigkeit und Rückkehrwillig-
keit“ zu erhalten. Die AfD habe dafür „Kon-
zepte und wir werden sie umsetzen, sobald
wir in Verantwortung stehen“. So solle das
Röntgen von Handwurzelknochen zur Al-
tersfeststellung von sogenannten UmA ein-
geführt werden, also von unbegleiteten
minderjährigen Ausländern. Zudem müs-
se Thüringen ein Abschiebegefängnis be-
kommen, und es solle mehr Abschiebe-
flüge vom Erfurter Flughafen geben, denn
„ein wenig Auslastung dürfte diesem Flug-
hafen ganz guttun“, sagte Höcke. In Thürin-
gen gebe es keine Willkommenskultur für
illegale Einwanderer, „sondern nur eine
Verabschiedungskultur“.
Geradezu frenetischen Beifall erhielt Hö-
cke für seine erneut vorgetragene Forde-
rung, den öffentlich-rechtlichen Rund-
funk zu stutzen. Die Finanzierung dieses
Rundfunks „mittels einer Zwangsabgabe“
sei abzuschaffen, heißt es im Wahlpro-
gramm. Höcke führte aus, es sei sein Ein-
druck, dass „die Gleichschaltung der Medi-
en und die Gleichschaltung der Kunst“ in
den vergangenen Jahren parallel vonstat-
tengegangen seien. Die Gesellschaft habe
sich auch darüber hinaus zum Schlechten
verändert, aber die „etablierte Presse“ ver-
suche, „die Lage im Land weiter schönzu-
färben“. Zusammengenommen, sagte Hö-
cke, liege in den drei kommenden Land-
tagswahlen im Osten „eine einmalige und
vielleicht sogar letztmalige Chance, den Os-
ten und die gesamte Republik wieder rich-
tig aufs Gleis zu stellen“. In Thüringen ist
wie auch in Brandenburg und Sachsen, wo
schon am 1. September gewählt wird, mit
einer komplizierten Regierungsbildung
nach der Wahl zu rechnen.
Unterdessen macht der Präsident des
Zentralrats der Juden in Deutschland, Jo-
sef Schuster, in der AfD eine gefährliche Ra-
dikalisierung aus und warnt mit Blick auf
die anstehenden Landtagswahlen vor Koa-
litionen unter Beteiligung der Partei. „Tei-
le der AfD entwickeln sich nach meinem
Eindruck immer mehr ins Völkische hin-
ein“, sagte Schuster derWelt am Sonntag.
Die AfD sei viel enger mit dem Rechtsextre-
mismus verwoben, als sie es nach außen
darstelle. Sie schüre Ängste und fördere
ein Klima der Ausgrenzung von Minderhei-
ten. Bei einigen Teilen der Partei, etwa
dem rechtsnationalen „Flügel“, der vom
Verfassungsschutz als Verdachtsfall einge-
stuft worden ist, frage er sich, ob diese den
Boden des Grundgesetzes schon verlassen
hätten. cornelius pollmer Seite 4
Am 18. Tag des erzwungenen Ausharrens auf
See hatdas RettungsschiffOpen Armsvon
Spaniens Regierung das Angebot erhalten,
den Mittelmeerhafen Algeciras anzulaufen.
Auf dem Schiff der spanischen Organisation
Proactiva Open Arms befanden sich am
Sonntag 107 gerettete Migranten. Die Hilfs-
organisation Open Arms lehnte das Angebot
aber ab, an Bord herrsche eine „absolut un-
haltbare Lage“, welche die siebentägige Rei-
se nicht erlaube. In der Nacht zuvor waren 27
Minderjährige von Bord auf die sizilianische
Insel Lampedusa gebracht worden. Italiens
Premier Giuseppe Conte hatte Innenminis-
ter Matteo Salvini aufgefordert, dies zu ver-
anlassen.
Salvini folgte widerwillig, beharrte aber
darauf das Schiff dürfe nicht in Italien anle-
gen. Polizisten und Ärzte aus Agrigent gin-
gen am Sonntag auf dieOpen Arms, um die
Lage zu beurteilen. Sollten sie eine Notsitua-
tion feststellen, wird die Staatsanwaltschaft
voraussichtlich die Evakuierung derOpen
Armsanordnen. Vier Männer sprangen am
Sonntag von dem Schiff ins Wasser, um an
Land zu schwimmen.
Salvini verweigert dem Schiff die Landeer-
laubnis, obwohl andere EU-Länder sich be-
reit erklärt hatten, die Migranten aufzuneh-
men. Zudem hatte vergangene Woche das
Verwaltungsgericht von Latium das Verbot
aufgehoben, in italienische Hoheitsgewäs-
ser einzufahren. Es sind gleichzeitig Ermitt-
lungen im Gange wegen möglicher Freiheits-
beraubung zum Schaden der Menschen auf
derOpen Arms.
Immer noch keine Lösung zeichnete sich
am Sonntag für 356 Menschen an Bord der
Ocean Vikingab, des Schiffs von „Ärzte ohne
Grenzen“ und „SOS Mediterranée“, dem Mal-
ta und Italien das Anlegen verweigern. Sie
kreuzt deshalb zwischen Malta und der italie-
nischen Insel Linosa herum, mehr als 100 der
Geretteten sollen minderjährig sein.
Während Schiffe privater Organisationen
aus den Häfen verbannt sind, erreichen ohne
große Aufmerksamkeit täglich Dutzende Mi-
granten Italien, die von der Küstenwache ge-
borgen werden oder es aus eigener Kraft an
die Küste schaffen. So gelangten in der
Nacht zum Sonntag 57 Migranten aus Tunesi-
en auf die Insel Lampione. BAC Seite 4
„Verabschiedungskultur“
Die ThüringerAfD beschließt ihr Wahlprogramm und versucht sich in verbaler Härte
München – Bei einem Selbstmordan-
schlag auf eine Hochzeitsgesellschaft sind
in Afghanistans Hauptstadt Kabul mindes-
tens 63 Menschen getötet worden. Wäh-
rend die Taliban jede Verantwortung für
das Blutbad zurückwiesen, bekannte sich
die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu
dem Bombenattentat auf die schiitische Fa-
milienfeier mit mehr als eintausend Teil-
nehmern. Der IS sprach von einem Angriff
auf „Ungläubige“. Neben den mindestens
63 Todesopfern soll es auch noch mehr als
182 Verletzte gegeben haben.
Das Attentat fällt in eine Zeit, in der sich
die Gespräche der Taliban mit der US-Re-
gierung in der katarischen Hauptstadt Do-
ha einem Ergebnis nähern. Präsident Do-
nald Trump will den seit 18 Jahren anhal-
tenden Einsatz der US-Armee beenden
und zumindest große Teile seiner Truppen
zurückholen. Die Taliban-Islamisten, die
die US-Truppen bekämpfen, sollen im Ge-
genzug an der Macht in Kabul beteiligt wer-
den. Sie sollen aber garantieren, dass von
dem Land am Hindukusch kein Terror
mehr ausgeht, wie dies am 11. September
2001 der Fall war.
Daher erscheint es naheliegend, dass
nicht die Taliban, sondern der Islamische
Staat Urheber des Attentats auf die schiiti-
sche Hochzeitsgesellschaft ist. Die Hoch-
zeit hatte in der riesigen angemieteten
Hochzeitshalle „Dubai City“ in einem Schi-
iten-Viertel im Westen der Hauptstadt
stattgefunden; der Selbstmordattentäter
hatte seinen Sprengstoffgürtel offenbar
kurz vor 23 Uhr direkt vor einer Bühne mit
Musikern gezündet. Unter den Toten sind
einem Regierungssprecher zufolge viele
Frauen, Kinder und Jugendliche. Ein Über-
lebender sagte der Nachrichtenagentur
AP, bis zu 1200 Menschen hätten sich bei
der Hochzeit versammelt. Da die Bombe di-
rekt vor der Bühne gezündet worden sei,
seien vor allem auch viele dort versammel-
te Kinder umgekommen.
Der radikal-sunnitische IS, der in Afgha-
nistan seit einigen Jahren stärker wird,
setzt ganz gezielt auf den Konflikt zwi-
schen den muslimischen Konfessionen
der Sunniten und Schiiten. Er attackiert da-
her immer wieder Schiiten der afghani-
schen Volksgruppe Hazara. Unklar blieb,
ob nach dem Attentat beim Eintreffen von
Polizei und Helfern auch noch eine Auto-
bombe gezündet worden ist, wie dies der IS
behauptet. Das afghanische Innenministe-
rium bestätigte nur das Selbstmordatten-
tat in der Hochzeitshalle.
Der Kabuler Anschlag war nicht der ers-
te Angriff des IS auf eine Hochzeitsgesell-
schaft, es war aber die tödlichste Attacke in
Afghanistan seit Jahresbeginn. In der Bot-
schaft des Islamischen Staats, die auf einer
der Terrormiliz nahestehenden Internet-
seite erschien, hieß es, ein pakistanischer
IS-Kämpfer habe „als Märtyrer“ sterben
wollen und die Schiiten-Hochzeit daher an-
gegriffen.
Die ebenfalls sunnitischen Taliban, die
in der Vergangenheit selbst immer wieder
schwere Anschläge in der Hauptstadt und
auch gezielt gegen Schiiten verübt hatten,
verurteilten die Tat hingegen als „verboten
und nicht zu rechtfertigen“. Der Grund da-
für dürfte sein, dass die Taliban-Islamis-
ten nach monatelangen Gesprächen mit
der US-Regierung einer Einigung zur Been-
digung des Konflikts inzwischen recht na-
he gekommen sind. Hauptthemen in Doha
sind der den amerikanischen Wählern von
Präsident Trump versprochene Abzug der
US-Truppen nach 18 Jahren Krieg; die USA
sollen sich dabei auf einen Zeitplan für den
phasenweisen Abzug ihrer Soldaten ver-
pflichten.
Im Gegenzug sollen die Taliban garantie-
ren, dass Afghanistan nicht erneut zum
Ausgangsort für globale Terroranschläge
wird. Zudem sollen sie eine dauerhafte
Waffenruhe ausrufen und Gespräche mit
der amtierenden, frei gewählten afghani-
schen Regierung in Kabul aufnehmen. Die
Doha-Verhandlungen beziehen die derzei-
tige afghanische Regierung allerdings bes-
tenfalls am Rande ein, die Taliban erken-
nen diese bisher nicht einmal an. Präsident
Aschraf Ghani bezog nach dem Anschlag
auf die Hochzeitsgesellschaft daher ein-
deutig Stellung und twitterte: „Die Taliban
können sich nicht von Schuld frei spre-
chen, da sie eine Plattform für Terroristen
bieten“.
tomas avenarius Seite Drei, Seite 4
6 HF3 (^) POLITIK Montag,19. August 2019, Nr. 190 DEFGH
Anschlag auf Hochzeit
Ein Selbstmordattentäter tötet in Kabul mehr als 60 Menschen
Total überhitzt
MatteoSalvini wollte die ganze Macht, nun könnte es sein, dass er die Macht ganz verliert: Im italienischen Parlament formiert
sich ein Block, der den aggressiven Innenminister und Lega-Chef für dreieinhalb Jahre in die Opposition verbannen könnte
Angehörige bei der Beerdigung der Opfer
des Attentats auf eine Hochzeitsgesell-
schaft in Kabul. FOTO: REUTERS
Gerüstet für den Kampf um die Briefkäs-
ten: Anhängerin von Björn Höcke mit AfD-
Schirm und Stoffbeutel. HENDRIK SCHMIDT / DPA
Zu weit bis Algeciras
Gibraltar/Dubai– Der vor Gibraltar
liegende iranische ÖltankerAdrian
Darya-1sollte nach iranischen Angaben
in der Nacht zu diesem Montag die Ge-
wässer des britischen Territoriums
verlassen. Irans Botschafter in Großbri-
tannien, Hamid Baeidinedschad, gab
dies am Sonntag auf Twitter bekannt.
Zuvor hatte Gibraltar die Bitte der USA
abgewiesen, den zuvorGrace1 genann-
ten Tanker und seine Ladung zu be-
schlagnahmen. Dies sei nach EU-Recht
nicht möglich, teilte die Regierung mit.
Ein US-Bundesgericht hatte den Schritt
angeordnet. Die USA sehen Verbindun-
gen zu den iranischen Revolutionsgar-
den, die Washington als Terrororganisa-
tion einstuft. Der Tanker war am 4. Juli
vor Gibraltar von der britischen Marine
gestoppt worden. reuters
Brasília –Im Falle eines Wahlsiegs der
Linken in Argentinien im Oktober will
Brasilien aus dem Mercosur aussteigen.
Sollte sich eine mögliche neue Linksre-
gierung im Nachbarland gegen die ge-
plante Öffnung der Märkte stemmen,
werde er das südamerikanische Staaten-
bündnis verlassen, sagte der rechte
brasilianische Präsident Jair Bolsonaro
am Freitag. Bei den landesweiten Vor-
wahlen in Argentinien hatte der linke
Präsidentschaftskandidat Alberto Fern-
ández dem marktliberalen Amtsinha-
ber Mauricio Macri eine empfindliche
Niederlage zugefügt. Die Vorwahlen
gelten als wichtiger Stimmungstest für
die Präsidentenwahl im Oktober. Nach
der Wahl waren die Aktienmärkte und
der Peso eingebrochen. EU und Merco-
sur verhandeln derzeit über das größte
Freihandelsabkommen der Welt. dpa
Tel Aviv –Die Spannungen zwischen
Israelis und Palästinensern nehmen zu.
In der Nacht zum Sonntag feuerten
militante Palästinenser drei Raketen
auf Israel, in der Nacht davor war es ein
Geschoss gewesen. Drei der Raketen
konnten vom AbwehrsystemIron Dome
(Eisenkuppel) abgefangen werden,
Teile eines Geschosses landeten im
Garten eines Hauses in der Stadt Sde-
rot. Die israelische Armee bombardierte
daraufhin Ziele im Gazastreifen. Kurz
danach näherten sich nach Angaben der
israelischen Armee drei bewaffnete
Palästinenser dem Grenzzaun. Sie wur-
den durch Beschuss aus einem Heliko-
pter und einem Panzer getötet. Das Bild
zeigt trauernde Verwandte(FOTO: AFP).
Eine von Ägypten vermittelte Waffenru-
he zwischen Israel und der im Gazastrei-
fen herrschenden Hamas ist in den
vergangenen drei Wochen öfter verletzt
worden. Am Freitag vor einer Woche
waren fünf Palästinenser an der Grenze
getötet worden, die einen Angriff in
Israel geplant haben sollen. afs
Wozu diese Hast, wo es doch für ihn gerade ideal lief? Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini beim Abschluss seiner „Italienischen Sommertour“ am Strand
im sizilianischen Taormina. FOTO: CARMELO IMBESI/ANSA/AP/DPA
Die Fünf Sterne
könnten ein Bündnis mit den
Sozialdemokraten eingehen
Viele Kinder sterben, weil der
Attentäterdie Bombe vor der
Bühne mit Musikern zündet
Iranischer Tanker legt ab
Bolsonaro droht Argentinien
Wackelige Waffenruhe
AUSLAND