Handelsblatt - 19.08.2019

(Elle) #1
vom bundespolitischen Aufschwung
und könnten im Freistaat ihr bestes
Landtagswahlergebnis einfahren. Die
SPD muss mit einem einstelligen Er-
gebnis rechnen.
Prognose: Wenn Ministerpräsident
Kretschmer im Amt bleiben will, darf
er nicht wählerisch sein. Eine Zweier-
Konstellation ist so gut wie ausge-
schlossen. Ein Bündnis mit der AfD
hat Kretschmer ausgeschlossen. Blei-
ben drei Optionen: Eine Minderheits-
regierung und eine Koalition aus
CDU, Grünen und Linken sind un-
wahrscheinlich. Deshalb wird es
wohl – zwangsläufig – auf Schwarz-
Grün-Rot hinauslaufen.

Brandenburg
Aktuelle Regierung: SPD und Linke
regieren in Brandenburg bereits seit
2009, die Sozialdemokraten durchge-
hend seit der Wiedervereinigung.
So ist die Lage: Besonders schwierig.
Die Landesregierung von SPD-Minis-
terpräsident Dietmar Woidke wird ih-
re Zusammenarbeit in der bisherigen
Form nach zehn Jahren beenden
müssen. In den Umfragen ist die AfD
sogar stärkste Partei. CDU (17 Pro-
zent) und SPD (18) müssen sogar
fürchten, unter die 20-Prozent-Marke
zu fallen, dicht gefolgt von Grünen
(17) und Linken (15). Die SPD könnte
der große Wahlverlierer werden. Ihr
Ergebnis von vor fünf Jahren (32 Pro-
zent) könnte sich fast halbieren.
Prognose: CDU und SPD haben trotz
ihrer miesen Umfragewerte jeweils ei-
ne realistische Chance zu regieren. So-
wohl Rot-Rot-Grün als auch Schwarz-
Rot-Grün ist denkbar. Entscheidend
sind die Grünen. Spitzenkandidatin
Ursula Nonnemacher kann sich den
Koalitionspartner nicht nur aussuchen.
Wenn sie gut verhandelt, könnte sie
sogar erste grüne Ministerpräsidentin
in den neuen Bundesländern werden.

Thüringen


Aktuelle Regierung: Seit 2014 führt
der Linken-Politiker Bodo Ramelow
in Erfurt eine rot-rot-grüne Landesre-
gierung. Er ist der erste Ministerprä-
sident seiner Partei.
So ist die Lage: Anders als in Sach-
sen und Brandenburg kann Ramelow
zumindest auf die Fortsetzung seiner
Koalition hoffen. Etwas besser wären
die Chancen, wenn die FDP erneut
den Einzug ins Parlament verfehlte.
In diesem Fall könnten 45 Prozent
für eine Regierungsmehrheit reichen.
Mit Linken, AfD und CDU kämpfen
drei Parteien darum, stärkste Kraft
zu werden. Die CDU muss wie in
Sachsen mit heftigen Verlusten rech-
nen. Vor fünf Jahren holte die Partei
noch 33,5 Prozent, in der aktuellsten
Umfrage liegt sie bei nur 21 Prozent.
Prognose: Sollte es für Rot-Rot-Grün
nicht reichen, wird es sehr kompli-
ziert. Ein Bündnis aus CDU und AfD
ist rechnerisch zwar möglich, aber
unwahrscheinlich – zumal der AfD
der Ministerpräsidentenposten zu-
stünde, wenn sie stärker abschnei-
den sollte als die CDU.
Eine Koalition mit den Linken ist
ebenfalls kaum vorstellbar. CDU-Che-
fin Annegret Kramp-Karrenbauer
stellte am Freitag klar: „Wir konzen-
trieren uns darauf, dass wir Regie-
rungsverantwortung übernehmen,
und zwar ohne links und ohne
rechts.“ Dreier-Koalitionen wie Jamai-
ka oder Ampel haben keine Aussicht
auf eine Mehrheit.

Landtagswahlen


Im Osten wird’s kompliziert


Wahlen in Ostdeutschland


HANDELSBLATT Quellen: Civey, Infratest, Insa

Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl in Sachsen wäre ...
Umfrageergebnis in Prozent

Mögliche Koalitionen


CDU AfD Linke Grüne


CDU/Grüne/
Linke
56 % Mehrheit

CDU/AfD CDU/Grüne/
SPD

SPD FDP Sonstige


28 %


25 %


16 %


12 %


8 %
5 %
6 %

53 % Mehrheit 48 % Mehrheit
der Mandate

CDU/SPD
Aktuelle Regierung
36 % Keine
Mehrheit

Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl in Brandenburg wäre ...
Umfrageergebnis in Prozent

Mögliche Koalitionen


AfD


Mögliche Koalitionen


SPD CDU Grüne


CDU/Grüne/SPD


52 % Mehrheit


SPD/Grüne/Linke SPD/Linke
Aktuelle Regierung

Linke FDP Sonstige


21 %


18 %
17 % 17 %
15 %

5,5 %


6,5 %


50 % Mehrheit 33 % Keine
Mehrheit

Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl in Thüringen wäre ...
Umfrageergebnis in Prozent

Linke AfD CDU Grüne


CDU/Linke


46 % Mehrheit nur,
wenn FDP
unter 5 % bleibt

CDU/AfD Linke/Grüne/SPD
Aktuelle Regierung

SPD FDP Sonstige


25 %
24 %

21 %


11 %


8 %


5 %
6 %

45 % Mehrheit nur,
wenn FDP
unter 5 % bleibt

44 % Wahrschein-
lich keine
Mehrheit

Wir


konzentrieren


uns darauf,


dass wir


Regierungs -


verantwortung


übernehmen,


und zwar ohne


links und ohne


rechts.


Annegret
Kramp-Karrenbauer
CDU-Vorsitzende

imago images / photothek


In Sachsen, Brandenburg und


Thüringen wird gewählt. Weil


die AfD so stark ist, dürfte die


Regierungsbildung so


schwierig werden wie nie.


Christian Rothenberg Düsseldorf


S


eit Wochen touren wahlkämp-
fende Politiker durch den Os-
ten der Republik und buhlen
um jede Stimme. In Brandenburg
und Sachsen wird am 1. September
gewählt, in Thüringen am 27. Okto-
ber. Die Umfragen sagen ein knappes
Rennen voraus. Alle bisherigen Lan-
desregierungen müssen vor einer Ab-
wahl zittern. Welche Koalitionen sind
möglich? Ein Überblick:

Sachsen
Aktuelle Regierung: Seit 2014 wird
Sachsen von einer schwarz-roten Ko-
alition regiert. Während der laufen-
den Legislaturperiode folgte im De-
zember 2017 der CDU-Politiker Mi-
chael Kretschmer dem bisherigen
Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich
(CDU) im Amt nach.
So ist die Lage: Die schwarz-rote Lan-
desregierung hat keine Aussichten, ihr
Bündnis fortzusetzen. Umfragen se-
hen beide Parteien weit von einer
Mehrheit entfernt zusammen bei et-
wa 40 Prozent. Vor allem die CDU, die
in Sachsen jahrelang mit absoluter
Mehrheit regiert hat, muss mit erheb-
lichen Verlusten rechnen. Bei den
Meinungsforschern rutschte die Partei
im Sommer zwischenzeitlich sogar
auf 23 Prozent ab. In den vergangenen
Wochen konnte sie zwar leicht zule-
gen, das Wahlergebnis von 2014 (39,
Prozent) bleibt außer Reichweite.
Und sonst? Die AfD belegt, nur
knapp hinter der CDU und weit vor
allen übrigen Parteien, zurzeit den
zweiten Platz. Die Grünen profitieren

Photothek/Getty Images


imago images / photothek


Michael
Kretschmer:
Schwierige
Partnersuche
in Sachsen.

Bodo
Ramelow:
Erster Minister-
präsident
der Linken.

Dietmar
Woidke:
Der Sozial -
demokrat
wurde 2013
Nachfolger
von Matthias
Platzeck.

Wirtschaft & Politik
MONTAG, 19. AUGUST 2019, NR. 158

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