„Stillstand ist
keine Option“
Der BASF-Chef erläutert, wie der Chemieriese aus der
Ertragsflaute herausfinden will, warum er seine
Organisation umbaut und was die Politik für Klimaschutz
und Wettbewerbsfähigkeit in Europa tun sollte.
Martin Brudermüller
BASF
Umbau im
starken
Gegenwind
S
elten war der Chemieriese
BASF so heftig in Bewegung
und stark unter Druck wie in
den vergangenen Monaten. Anfang
November startete der neue Fir-
menchef Martin Brudermüller den
größten organisatorischen Umbau
des Konzerns seit Jahrzehnten. Fast
parallel dazu vollzog der Konzern
zwei seiner bisher größten Transak-
tionen: den Kauf von Teilen des
Bayer-Saatgut- und -Pflanzenschutz-
geschäfts und die Ausgliederung
der eigenen Öl- und Gasaktivitäten
in das Joint Venture Wintershall-
Dea. Überschattet wird die Neuaus-
richtung von einem heftigen Mar-
genverfall und konjunkturellen
Schwächen in wichtigen Teilen des
Chemiegeschäfts.
Sowohl für 2018 als auch 2019
hatte das BASF-Management ur-
sprünglich eine leichte Steigerung
der operativen Erträge in Aussicht
gestellt. Stattdessen sank der Be-
triebsgewinn vor Sondereinflüssen
im vergangenen Jahr um 17 Pro-
zent und im ersten Halbjahr 2019
um weitere 35 Prozent. Mit einer
ungewöhnlich drastischen Korrek-
tur musste sich der Konzern daher
Anfang Juli von der bisherigen Gui-
dance verabschieden. Hatte man
zuvor noch leichtes operatives Ge-
winnwachstum in Aussicht gestellt,
rechnet der Konzern nun mit Er-
tragseinbußen von bis zu 30 Pro-
zent. Der bereinigte Betriebsge-
winn könnte damit auf etwa 4,
Milliarden Euro schrumpfen – ein
Niveau, auf dem die BASF sich zu-
letzt 2004 bewegte.
Damals trugen allerdings noch
üppige Erträge aus dem Öl- und
Gasgeschäft zum Ebit des Kon-
zerns bei. Diese werden seit der
Ausgliederung in Wintershall-Dea
nicht mehr in der operativen Ge-
winnrechnung erfasst, sondern
nur noch „at equity“ mit der Ver-
änderung ihres Eigenkapitalanteils
im Nettogewinn. Die mit der Um-
gliederung fällige Neubewertung
des Geschäfts bescherte der BASF
im zweiten Quartal mehr als sechs
Milliarden Euro Buchgewinn, wo-
durch sich der Reingewinn des
Konzerns trotz des schwachen
Ebits auf fast 7,9 Milliarden Euro
mehr als verdoppelte.
Mit seinen operativen Einbußen
ist der Ludwigshafener Konzern
zwar kein Einzelfall. Wettbewerber
wie die saudische Sabic und die
Leverkusener Covestro verbuch-
ten noch stärkere Ertragsrückgän-
ge im Halbjahr. Bei den US-Kon-
kurrenten Dow und Lyondellbasell
sanken die operativen Erträge um
rund 30 Prozent. Dessen ungeach-
tet ist die Entwicklung schmerz-
haft für die BASF-Aktionäre. Seit
Anfang 2018 hat die Aktie rund 40
Prozent an Wert verloren und da-
mit ähnlich stark wie der von Gly-
phosat-Risiken belastete Bayer-
Konzern. In den vergangenen Ta-
gen notierte das BASF-Papier auf
einem Sechs-Jahres-Tief. Siegfried
Hofmann Jann Höfer für Handelsblatt
Titelthema
BASF – das große Gespräch
MONTAG, 19. AUGUST 2019, NR. 158
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