Berliner Zeitung - 19.08.2019

(Rick Simeone) #1

Berlin


12 Berliner Zeitung·Nummer 191·Montag, 19. August 2019 ·························································································································································································································································································


SABINE GUDATH

AufalleFelle


Mehrals 3000LiebhabervonRollenspieleninbuntenTierkostümen–
sogenannte„Furry“-Fans–haben das europaweit größteTreffen der
Szenebesucht,dasvonMittwochbisSonntagineinemNeuköllnerHo-
telstattfand.EtwadieHälftederBesucherder„Eurofurence“seikostü-
miertgewesen, sagte derSprecher desVeranstaltervereins,Oliver
Groch.DieSzenehatihrenUrsprungbeiamerikanischenFantasy-Fans
der80er-JahreundschwappteAnfangder1990ernachEuropa.Umzu

erfahren,werdie„Furrys“ sind, mischten sich auch kanadischeWis-
senschaftlerunterdieplüschigenGäste.Deren Forschungergab,sod er
Verein, dass dieBesucher solcherTreffen im Schnitt 25Jahrealt sind.
Etwa drei Viertel seien männlich, der Anteil anTranspersonen und
nichtbinärenGeschlechternliegemitzwölfProz entdeutlichüberdem
der allgemeinenBevölkerung.DiebeliebtestenSpezies,als die sich
„Furry“-Fansverkleiden,seienWolf,Fuchs,Hund,KatzeundDrache.

HerumstehendeAutosgünstignutzen


EinCarsharing-AnbieterbringtprivateAnbieterundNutzerzusammen:Dereineverdient,deranderespart


VonPeter Neumann

E

sist ziemlich laut in der
Rudi-Dutschke-Straße in
Kreuzberg,woMarcusRie-
cke im früherenRedakti-
onsgebäude derTageszeitung (taz)
seinBür ohat.Autos,BusseundLast-
wagen fahrenvorüber.Doch Riecke
gehtesnichtumdierollendenLärm-
quellen, er interessiertsich für die
Fahrzeuge,diestillamRandparken.
„Normalerweise werden die
47Millionen Autos,die es in
Deutschlandgibt,täglichimDurch-
schnitt nurrund eineStunde lang
gefahren.DenReststehensieunge-
nutztherum“,sagter.DasUS-Unter-
nehmenTuro,dessen Deutschland-
Chef Marcus Riecke ist, will das än-
dern:„UnsereVisionist,diesevielen
Fahrzeugein Deutschlandeinerhö-
heren Auslastung zuzuführen.“Um
daszuerreichen,werden die Eigen-
tümer mit handfesten Anreizen ge-
lockt:SiekönnenmitderVermietung
ihrer Autos an anderePrivatleute
Geld verdienen.Turo bietet dieWa-
gen auf einerOnline-Plattforman.
DieAppbringtAnbieterundNutzer
zusammen, der Autoschlüssel ist
persönlich zu übergeben.DieMin-
destmietdauerbeträgteinenTag.

Porsche911Sfür114 Euro
„Wir haben ausgerechnet, dass der
Durchschnittsverdienst für einen
Vermieter in Berlin pr oVermietung
bei100 Euroliegt.EineFaustregelbei
uns lautet, dass es ausreicht, ein
Auto neunbiszehnTage pr oMonat
zu vermieten, um es einenMonat
lang so gut wie kostenlos zu betrei-
ben“,erklärtderTuro-Chef.
„Die Vermieter setzen dieMiet-
preise fest,Turo berät sie dabei und
erhält 25Proz ent der Einnahmen“,

soRiecke.DiePreisesollteneinDrit-
tel unter denAutovermietertarifen
liegen.So wirdinB erlineinRenault
Twingofür30EuroproTagangebo-
ten.„Weltweit gibt es beiTuro rund
900Markenund Modellezumieten.
AuffälligistaberderrelativhoheAn-
teilvonhochwertigenFahrzeugen.“
EinMercedes-Benz CLAist für
eineTagesmietevon49E urozuh a-
ben, einTeslaModel 3für175 Euro.
„NormalerweisesolltendieAutosbei
Turomaximal15Jahrealtsein,aber
für Oldtimer machen wir
Ausnahmen“, so Riecke.Wer immer
schon mal einenPorsche 911Svon
1976 fahren wollte,kann ihn in
Berlin für 114Euro proTag
mieten.
Apropos Tesla &Co.:„Der
Anteil vonElektro- undHy-
brid-Fahrzeugen liegt inBerlin
beiTuro4,2Proz ent“,berichtetRi-
ecke.Das ist mehr als doppelt so
hoch wie allgemein. „Elektroautos

sindofttolleFahrzeuge,kostenaber
verhältnismäßig vielGeld. Vermie-
tungenbietendieMöglichkeit,einen
Teil des Kaufpreises wieder herein-
zubekommen“, erklärter. „Auf Ver-
mieterseitegibtesnocheinenande-
renFaktor.EinigehabeneineAffini-
tät zur Elektromobilität, fast schon
ein Sendungsbewusstsein.Siewol-
len,dassauchanderedieVorzügeei-
nesE-Autoskennenlernen.“
Aufdem Marktfür privatesCar-

sharing istTuro nicht der erste und
nichtallein.DieMitbewerberheißen
Drivy,Getaway,Snappcar.Turohat
allerdings starkeInvestoren im Rü-
cken: August Capital, Google Ven-
tures ,KleinerPerkins,Daimler,Ame-
ricanExpressundIAC.Rund450 Mil-
lionenDollarwurdeneingesammelt.
WeltweitbietetdasUnternehmen
inzwischen400000Fahrzeugean. In
Deutschland,woesseitAnfang
aktiv ist, sind es3800, davon 600 in
Berlin. DieGesamtzahl allerMieter
(„Guests“) beläuft sich aufzehn Mil-
lionen,wievieleeshierzulandesind,
wirdnichtverraten.DochzudenMo-
tiven kann Riecke einiges mitteilen:
Natürlich geht es umGeld und um
Autos,zuweilenspringtaberauchein
EffektfürdieUmweltheraus.

3800Fahrzeugein Deutschland
„Manch einer nutzt unser Angebot
alsMieter,weilersicheinAutozule-
gen und seinenWunschtyp längere
Zeit testen will. Anderen geben wir
dieMöglichkeit,aufeineigenesAuto
zu verzichten“, sagt Riecke.„Aufje-
denFallwerdenRessourcenintensi-
vergenutzt.“Dasunterscheidediese
Form der gemeinschaftlichenAuto-
nutzungvonanderen Formen des
Carsharings,die sich inBerlin auf
5900 Fahrzeuge summieren: „Wir
bringenkeinezusätzlichenAutosauf
die Straße.Bei uns sind sie
schonda,esgibtsiebereits.“
Auch ein anderer Vergleich
passe nicht: „Manchmalwer-
den wir mit Airbnb vergli-
chen.BeiAirbnbgehtesaber
umWohnungen,dieinBerlin
und anderenBallungsräumen
ein knappesGutsind“, sagt Ri-
ecke.„Doch niemand würde sagen,
dassaufdenStraßenin Deutschland
zuwenigAutosherumstehen.“

Markus Riecke, Chef vonTuro Carsharing,bringt Autos ins Rollen. VOLKMAR OTTO

Günstig zu einem ausgefallenen Auto
wie einemPorsche–bei Turo möglich.
CLASSICCARS.COM

Woist


Pittiplatsch


geblieben?


EinePuppenspielerinkennt
denVerbleibderOriginale

VonNorbertKoch-Klaucke

P


ittiplatsch,Schnatterinchenund
Hund Moppi sollen bald wieder
in neuen Sandmann-Folgen im
Fernsehen die Kinder begeistern.
Wieberichtet, ließ deshalb der
Rundfunk Berlin-Brandenburgdrei
neue Puppen fertigen,weil die ur-
sprünglichenverschwundensind.
Bleibt die berechtigteFrage: Wo
sind die OriginalpuppenvonPitti
und den anderen einstigenDDR-
Kinderfernsehlieblingengeblieben?
DieSpurensuche führtnach
Schöneiche.Dortlebt Christine
Neißner (75), die als Schauspielerin
beim DDR-Kinderfernsehen unter
anderemdiePuppedesMischka-Bä-
rensprachundspielte.DieOriginal-
figur besitzt die Künstlerin noch
heute.Auch die vonMischkas Vor-
gänger,demBärenBummi,stehtbei
ihrimWohnzimmerschrank.
Wiesiedahinkamen,isteinelange
Geschichte.„Heinz Schröder,der in
den 60ernbis Anfang der 70er-Jahre
den Pittiplatsch und den Bummi
spielte und sprach, wurde schwer
krank“,sagtsie.„IhmwurdedasSpie-
lenvonzweiPuppenzuviel.Alsogab
er den Bummi ab.“ So kam Neißner
1972 in das TV-Puppen-Ensemble.
„DaaberderBärBumminichtmitei-
ner neuen Stimme auf den Bild-
schirmsollte,wurdeerfürdieKinder
in die Sowjetuniongeschickt.Von
dortkam dann als neue Figur der
Mischka-Bärin die DDR, den ich
spielen durfte“, sagt Neißner.Zehn
Jahregingdasso,bissichdieSchau-
spielerin 1982 entschloss,selber ein
Puppentheaterzu gründenund mit
eigenenFiguren auf Tournee zu ge-
hen.Dasmachtsienochheute.

MitinsGrabgenommen
Neißnersagt,dassmitdemEndedes
DDR-Fernsehens 1991 auch die
Sandmann-Puppenstube aufgelöst
wurde.„Alle Puppenspieler beka-
men damals ihreOriginalpuppen“,
sagt Neißner.„UndPuppenspieler
Heinz Schröder erhielt nicht nur
Pitti, sondernauch Mischka und
Bummi. DieBären-Figuren über-
reichte er mir später.Den Mischka,
weil ich ihn spielte.Und seinen
Bummi alsDankeschön.Ichhätte
mit meinemMischka dieKinder so
begeistert,dasssiedenBumminicht
mehr vermissten, sagte er und gab
mir daher auch diesen Bären.“Sie
bestätigt auch, dass Schröder,der
2009 starb,tatsächlich den origina-
lenPittiplatschmitinsGrabbekam.
„EswarseinWunsch“,sagtsie.
UndSchnatterinchen?Diewurde
vonFriedgardKurzegespieltundge-
sprochen.„Auchsiebekamwohlihre
Figur,alsderPuppenfundusaufge-
löst wurde“, sagtNeißner.Mögli-
cherweisehättennunderenErben
dieFigur.DieSchauspielerinistim
MaiimAltervon90Jahrengestor-
ben.WasausdenanderenPuppen
wie Mauz, Hoppel oderMoppi ge-
wordenist,weißNeißnernicht.
Sieglaubt, dass derTV-Neustart
vonPittiund Co.schwierigseinwird.
„Schließlichgibtesjanichtmehrdie
Menschen,diemitihrerStimmeund
ihrem Spiel die Figuren so erfolg-
reichzumLebenerweckthaben.“

Christine Neißner hat die originalen
Figuren von Mischka und Bummi.GÖSSINGER

51Millionen


Eurodurch


dieCity-Tax


Übernachtungssteuer
bringtGeldindieKieze

VonMelanie Reinsch

S


ieistbeliebtbeidenGästen–die
„StadtderFreiheit“,wiedasoffi-
zielleReiseportalVisitBerlinderBer-
linTourismus&KongressGmbHdie
Hauptstadt auf seiner Homepage
nennt. Knapp 33Millionen Über-
nachtungenverzeichneteBerlin im
vergangenenJahr,etwa 13,5 Millio-
nen Gäste besuchtendie Stadt –
4,1ProzentmehralsimJahrzuvor.
UnddasbringtBerlinauchetwas:
51MillionenEurohatdasLandBer-
lin 2018 durch die Einführung der
City-Tax eingenommen,die Steuer
also,diedieStadtseit2014aufHotel-
übernachtungenerhebt. Dasteilte
die SenatsverwaltungfürWirtschaft
auf Nachfrage mit. DieSteuer wird
auf den Hotelpreis aufgeschlagen,
fünf Prozent auf den Übernach-
tungspreis.ZumVergleich:2014,also
in dem Jahr der Einführung, kas-
sierte Berlin etwa 29 Million Euro
vonseinenGästen.
DochwaspassiertmitdemGeld?
Beizwölf Bezirken ist schließlich
klar:Die einen ringen um mehr Be-
sucher,umAufmerksamkeit,Bedeu-
tung und Einnahmen,während die
Bezirke mit den bedeutendenSe-
henswürdigkeitensich vordem An-
sturmkaumrettenkönnen.
AuchwenndieSteuernichtdirekt
und zweckgebundenin die Touris-
muspolitikfließt, sonderninden
BerlinerHaushalt,stehenjedemBe-
zirkseit 2017 jährlich bis zu
40000EurofürtouristischeProjekte
zurVerfügung.SiebenBezirke–Lich-
tenberg,Marzahn-Hellersdorf,Neu-
kölln, Pankow, Reinickendorf, Steg-
litz-Zehlendorfund Treptow-Köpe-
nick –haben dazu extraein eigenes
Konzeptentwickelt.


AuchBevölkerungwirdbedacht

Geld wurde 2019 zum Beispiel für
das Weihnachtslichtin Schmargen-
dorf(10000 Euro)ausgegebenoder
für die Stärkung des Marketings am
Schloss Britz oder die Islandpferde-
Weltmeisterschaft in Lichtenberg.
AndereBezirke wie der bei Gästen
beliebte AusgehbezirkFriedrichs-
hain-Kreuzbergsetzt seinGeld seit
2017 für sein fair.kiez-Konzept ein,
das den stadtverträglichenTouris-
musfördernsoll.DerBezirkstehtvor
der Herausforderung, Anziehungs-
punktefürTouristenzuerhaltenund
die Kieze zugleich für Anwohner
weiterhinlebenswertzug estalten.
DasistaucheinSchwerpunktdes
übergeordnetenTourismuskonzepts
des Senats,der die Bezirke unter-
stützt.EntwederbeiderEntzerrung
–alsoderSteuerung–derTouristen-
ströme,oderebenbeimMarketing
fürGegenden,diesichmehrGäste
wünschen.Dieamstärksten fre-
quentiertenInnenstadt-Bezirkesind
Mitte,Charlottenburg-Wilmersdorf
undFriedrichshain-Kreuzberg.
Im Berliner Tourismuskonzept
2018+heißtes:EinenachhaltigeEnt-
wicklung desTourismus bedeute,
sichnichtnurandenInteressender
Gäste zu orientieren, sondernglei-
chermaßenandenenderlokalenBe-
völkerung, den Akteuren derStadt,
denFirmenunddenBeschäftigten–
densogenanntenBereisten.


Wie viele Rollkoffer verträgt Berlin?
Ab wann nervenTouristen? IMAGO IMAGES

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