Berliner Zeitung - 19.08.2019

(Rick Simeone) #1

Spreewild


26 Berliner Zeitung·Nummer 191·Montag, 19. August 2019 ·························································································································································································································································································

Kolumne


Meine Familie und


die Mülltrennung


VonKristinaVasilevskaja, 18 Jahre

I


ch möchte etwas ändernand er
Art, wi ewir in un sererFamilie
umweltbewusstleben.Bisheristdas
nämlichwenignachhaltig.Ichselbst
bin seitFrühling in einer Natur-
schutzorganisation aktiv.ImM ärz
warich bei meiner ersten „Fridays
forFuture“-Demonstration.Ichhöre
Podcasts,wie wir weniger konsu-
mier en un dcleaner essen können.
Meine Familie
konfrontiereich
regelmäßig mit
meinem neu ge-
wonnenen Wis-
sen. Mein erstes
Ziel: die Müll-
trennung opti-
mieren. Klingt
unkompliziert?
Bringe ich den
Biomüll raus,
schaue ich seuf-
zend auf die in
der Tonne liegenden Tüten. „Dann
wirfdenBiomülldochausderTüte
undschmeißsieextraweg“,bitteich
meine Mutter.„Du wirst das nicht
machen, richtig?“ IhrSchweigen
warmirAntwortgenug.Es warhoff-
nungslos,denn sie wusste ganz ge-
nau,wasPlastikim Biomüllfürein en
Effekthat. AberdieanderenimHaus
machte nesj aauchso ,dannmach-
te es keinenUnterschied,wenn wir
uns anschlossen.Denno ch bat ich
meineMutter,denPlastiksacknicht
zu verk noten. Draußen dann hob
ichden DeckelmitgerümpfterNase
hochundschüttelteallesraus,ging
zurückzudenContainer nundwarf
die Tüte hinein.Wiestolz ich war.
Ichhabe etwasGutes getan, eine
kleineHandlun gmit vi elWirkung –
hoffte ich.Denn auch die anderen
Nachbarn entsorgen denBioabfall
inzugeknotetenPlastiktüten.
Es könntesoe infach sein.Aber
selb st me iner jüngeren Schwester
ist korrekte Mülltrennung zu auf-
wendig. Icherzähleihr ,wasich von
meinemChemielehrerzurrichtigen
EntsorgungvonJoghurtbecher nge-
lernt habe,und zeige ihr ,wie man
den Aluminiumdeckel abziehtund
als kleines Bällchen in die gelbe
Tonne wirft.Zwar landet auch der
Becherdo rt,jedochistesd annein-
facher für dieTrennungsanlagen,
das Aluminium aus demPlastik zu
holen. „Weiß ich“, antwortet sie.
„Und warum habe ichnoch ni ege-
sehen, dassdudas gemacht hast?“
Siezuckt nur mit den Schultern.
„Wäreganzschön,wenndudasma-
chenwürdest“,entgegneichihrmit
meinem Ältere-Schwester-Unter-
ton. EinbisschenUmständlichkeit
istscheinba rauchfür einig ejunge
Menschen eineunüberwindbare
Hürde .Ich lasse mich davon nicht
entmutigen undwerdeweiter ner-
ven,im NamenderUmwelt.

Von Minou Becker, 19 Jahre,
und Rosina Link, 15 Jahre

E


sgibtimmermehrApps,dieei-
nemdabeihelfen, nachhaltiger
und umweltfreundlicher zu leben.
Wirstelleneuchviervonihnenvor.

DiekostenloseAppTooGoodToGo
zeigt an, in welchen Restaurants
oderBäckereienunverkauftesEssen
für kleines Geld gekauft werden
kann. Im Blog gibt es weitereTipps
gegenEssensverschwendung.

HappyCowzeigtseinen Nutzer nan,
wo es inder Umgebungvegetari-
sches undveganes Essen gibt.Be-
wertungen und Angaben zu den
Preiseninklusive.

DiekostenloseAppZugut für die
Tonne!desBundesministeriumsfür
Ernährun gund Landwirtschafthält
zahlreicheRezeptefür Restegerichte
aus übrig gebliebenen Lebensmit-
telnparat. DazugibtesInformatio-
nen undTipps zu Lagerung und
HaltbarkeitjedesLebensmittels.

GrünZeit,ebenf alls kostenlos und
entworfenvonderVerbraucherzen-
tral eSchleswig-Holstein,informiert,
welcheObst-undGemüsearte ndas
Klimastarkbelastenunddaherbes-
sernichtgekauft werdensollten.

Mehr Apps auf spreewild.de

Apps, die


die Welt


verbessern


Mit ihnen wird
nachhaltiges Leben leichter

H

annah Blitz gehörtzum
BerlinerOrganisations-
team von„Fridays for
Future“. Die16-Jä hrige
istnichtnurgutinderSchule–trotz
Freitagsdemos –, sondernauch in
ihrer FunktionalsPressesprecherin
derBewe gungzielstrebig.

Warum engagierst du dich bei „Fri-
days forFuture“?
Ichkann es nicht fassen,wenn
ich Bilder vontoten oder lebendi-
gen Tieren sehe,die in Plastik ver-
heddertsind. Es kann nichtsein,
dasswirunserenLebensraumzer-
stören. Ichkann mir nicht vorstel-
len,indieserWeltKinderzubekom-
men, wenn ich sehe,was hier alles
schiefläuft.

IstGreta Thunbergfür dichein Idol?
AndemWortIdolstör eichmich
etwas. Dasist vorallem beimErnst
der Lage nicht das treffendeWort.
Ichwürdesagen,Gretaisteinesehr
berühmteMitstreiterin. Ichbewun-
deresie dafür ,dass sie das alles ins
Rollen gebracht hat.Aber ich sage
immer,dass Greta nicht mehr„Fri-
daysfo rFuture“istalsalleanderen,
dieaufunserenDemossind.

Seit einemJahr istGreta nun imKli-
mastreik.Was habt ihr,was hat „Fri-
days forFuture“ bisher erreicht?

Leidernichtviel.Klarredensehr
vieleMensche ndarüber .AberTaten
haben wir bis jetzt kaum gesehen.
WirfordernjaeigentlichnurdieEin-
haltung desPariser Klimaabkom-
mens–alsodas ssichLänderandas
halten, was sie sich selbstauferlegt
haben. Es ist eigentlich so absurd,
dasswiransoetwaserinnernmüs-
sen. Jeden TagkommenNachrich-
tenvonKatastrophenrein.Deshalb
habe ich denEindruck, wir haben
nicht viel erreicht beziehungsweise
diePolitikerhabennichtschnellge-
nug gehandelt.Trotzdem bleibe ich
hoffnungsvoll!

Washeißt das fürdieBewegung?
Wirmüssen die Sache noch
energischer angehen–sol ange, bis
gescheiteReaktionenausderPolitik
kommen.Wirmüssen amBall blei-
benundnochlauterwerden,al swir
es jetzt schon sind.Noch bunter,
noch kreativer, nochpenetranter.
IchmöchtevonPoliti kernkeineLu-
schen-Aussagenmehrhören, son-
derndass sie gezwungen sind, auf
etwas zureagieren, was seit40Jah-
renwissenschaftlicherKonsensist.

Sind Politiker diejenigen,vondenen
du am meistenGegenwinderfährst?

Manmuss mit der Formu-
lierun g„diePolitike r“ vorsichtig
umgehen.Was ic hmeine ,sind
Spitzenpolitiker,die nicht nur im
Rampenlichtstehen, sondernauch
Entscheidungspositionen beklei-
den.EssindaberauchgroßeUnter-
nehmen, die auf einmal öffentliche
Kampagnengegenunsstarten,oder
rechte Internet-T rolle.Neulichhabe
ichgelesen,dassjemandaufTwitter
geschrieben hat,dass Gretas Uropa
den Klimawandel erfunden hätte.
Ichhabe auch selbstschon Nach-
richten bekommen, ich und meine
„linksgrün-versifften“ Freunde soll-
tenunsalledieKugelgeben.

WelcheÄußerungen über„Fridays
for Future“ ärgern dich am meisten?
„Die sind doch viel zu jung.“
Manmuss nicht 90 sein, um zu be-
greifen, was hier schiefläuft.Oder
auch: „Lasst das lieber die Profis
machen.“Genau diestehen auf
unserer Seite.Und was mich auch
nervt: Wenn Leut esichnur auf das
„Schuleschwänzen“ konzentrieren
undvomtatsächlichenProblemab-
lenken.

DasGespräch führteLauraPatz,
25 Jahre.

DasgesamteInterviewlest ihr auf
spreewild.de

„Wir haben nicht viel erreicht“


Unermüdlich engagiert sich die Schülerin Hannah Blitz bei „Fridays for Future“–zukünfti gnochlauter


VonTamina Grasme, 24 Jahre

N


ichtnu rSchülerundStudieren-
de,auch die Universitäten ha-
benals Denkfabriken eine wichtige
RolleimKampfgegendieKlimakri-
se inne .45Univer sitäten aus aller
WelthabensichzurweltweitenAlli-
anz U7+ zusammengeschlossen,
darunter dieBerliner FU.Zum Ab-
schlusseineszweitägigenTreffensin
Pariswurde ein Manifest unter-
zeichnet,indemsichdie Universitä-
ten zu mehrNachhaltigkeit, Klima-
schutz und sozialemEngagement

verpflichten.„Wirverstehen uns im
Bereich des Klimaschutzes als
Vorreiteruniversitä t“,sagtAndreas
Wanke,Leiter der Stabsstelle für
NachhaltigkeitanderFU.„Esistuns
gelungen,denEnergieverbrauchder
Universitätseit2001ummehrals25
Proz ent zu reduzie ren–unddas
trotzseit2010starkgestiegenerStu-
dierendenzahlen undDrittmittel-
ausgaben.“MitderSenkungdesEn-
ergieverbrauchsseienCO2-Einspa-
rungen von37P roze nt verbunden.
„Zusätzlich beziehen wir seit neun
Jahren CO2-frei eEnergie .Auf den

Dächernder Universität produzie-
renneunDachsolaranlagenjährlich
rund600.000kWhsauberenStrom.“
Trotz dieserErfolge hat sich die FU
2018 in einer gemeinsam mitdem
LandBerlinunterzeichnetenKlima-
schutzvereinbarungverpflichtet,die
campusbezogenen C02-Emissionen
gegenüber2016bis2027umweitere
10Prozentzus enken.
Auch die Angestellten werden in
dieKlimaschutzpläneeingebunden.
So will die FU nachhaltigereAnrei-
sen un dDienstreisen fördern. „In
den kommenden dreiJahren sollen

neue multioptionaleMobilitätsan-
gebotewieBike-,Car-undRidesha-
ringfürdieUniversitätsangehörigen
entstehen.“Auchdie Fahrradfreund-
lichkei taufde mCampussollverbes-
sertwerde nundsodieNutzungvon
Fahrrädernattraktiver machen.„Da
das ThemaDienstreisen ausCO2-
Perspektiveeine herausragendeBe-
deutung hat, wollen wir eine nach-
haltigeDienstreisenpolicy entwi-
ckeln,welchedieNotwendigkeitin-
ternationaler Kooperationen mit
denAnforderungendesKlimaschut-
zesvereinensoll.“

Wiedie FU das Klima schützen will


Die Berliner Hochschule hat sich einer weltweiten Universitätenallianz angeschlossen


Wusstest du, dass...


Am 20. Septemberruft „Fridaysfor Future“zum globalen Generalstreik auf. PETER KAGERER

Kristina will die Müll-
trennung in ihrem
Haus optimieren.

PRIVAT

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Mitfreundlicher Unterstützungvon:

Editorial


V


or einem Jahr,genauer gesa gt
am 20. August 2018, demons-
trierte die heute 16-jährige Schwe-
din Greta Th unbe rg erstmalsfür
dasKlima.„Skolstrejkförklimatet“,
„Schulstrei kfürs Klima“, stand auf
ihremPlakat. Seitherist viel pas-
siert. AusdemProtesteinerEinzel-
nen erwuchs eineweltweite Bewe-
gung. Grund genug für dieJugend-
redaktion,diegesamteSeitediesem
Thema zu widmen.Noch mehr Ar-
tikel undInterview szur Klimakri-
se gibt es dieseWoche online auf
spreewild.de.Euer Spreewild-Team

Von Rosina Link, 15 Jahre

M


ehr als 40Städte undKom-
muneninDeutschlandhaben
bereitsdenKlimanotstandausgeru-
fen, am Mittwoch zuletztPotsdam.
Nach Berlin sammelt nun auch in
Brandenburgeine Volksinitiative
Unterschriften, damitder Landtag
eben diesen Notstand ausruft und
dieGesetzgebungkünftiganderEr-
reichungderKlimazieleausr ichtet.
„Brandenburgistaufgr undseiner
Geografie vomKlimawandelbeson-
ders betroffen und gehörtzugleich
zu de nLändernder Bundesrepu-
blikDeutschlandmitdemstärksten
CO2-Ausstoß“, sagt die 24-jährige
ManonFiller, Studenti nundMitini-
tiatorin derVolksinitiative. „Selbst
wenn der beachtliche Energieex-
port herausgerechnetwird, liegt
Brandenburgnoch weit über dem
bundesdeutschenDurchschnitt.“
DasPariserKlimazielfür2030–mit
demFokusaufderMinimierungder
Treibhausgasemissionen –könne
faktisch nicht erreichtwerden und
dazu, „wie die Klimaneutralität bis
2050er reicht werdenkönnte,gibtes
bislang keinerlei belastbarePläne“,
krit isiertFiller.

Mehr über dieVolksinitiativeund
was es eigentlich bedeutet, den
Klimanotstandauszurufen, erfahrt
ihramFreitag auf spreewild.de.

Brandenburg


fordert


Klimanotstand


Für dessen Ausrufung setzt
sich eineVolksinitiative ein

FOTO: ADOBE STOCK/KATEINA

,ILLUSTRATION

:LORENZ WILMEN

...ein iPhone 7
ganze 56 Kilo CO2
verursacht, wobei
schon78 Prozent
bei derProduktion
anfallen?

...Streaming-Dienste
puncto CO2-A in
schädlicher sindusstoß
Flugverk als der
ehr? Netflix,
YouTube und Social Me-
dia verursachen eine
MengeTreibhaus
gase.

...eine Levis-501-Jeans
33 KilogrammCO2
produziert. Wöchentli-
chesWaschen macht
dabei mit37 Prozent
den größtenAnteilaus.

...Haustiere richtige
Klimakillersind?Ein
Hund verursachtrech-
nerischim Jahr soviel
CO2wie eineAutofahrt
über3700 Kilometer.

...der täglicheKonsum
einerTasseKaffee pro
Jahr etwa90Kilo CO2
verursacht?Das ent-
spricht ungefähr einer
AutofahrtvonBerlin
nachHeidelberg!

...dupassierte
nur in Tomaten
einer Kartonver-
packungkaufen
test?Deren soll-
Produktion
verursachtnur ein
tel so Drit-
vielCO2 wied
einerMetalldose. ie
...inBerlintäglich
460.000 Coff

ee-to-go-

Becheranfallen?

Das

macht 46 Becher pro
Einwohner und

Jahr.Und

deren Produktionverur-
sacht knapp1Kilo CO2.

...sich der Verzichtauf
tierischeMilchklima-
technischbesonders
auszahlt?500 ml Soja-
Drink verursachennur
halb soviel CO2 wie
500 ml Kuhmilch.

...500 Gramm
aus dem Tomaten
mit 1,5Kilo CO2Gewächshaus
lich klimaschädlicdeut-
sind als Freiland-her
tomaten
0,39Kilo CO2?mit ...eineMango 0,86Kilo
CO2verursacht?Das
entspricht einer Auto-
fahrtvonsechs Kilome-
tern.Diegleiche Menge
Wassermelone verur-
sacht0,17Kilo CO2.
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