Berliner Zeitung - 19.08.2019

(Rick Simeone) #1
Berliner Zeitung·Nummer 191·Montag, 19. August 2019–Seite 28*
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Panorama


NACHRICHTEN


Iserlohn: Babyverliertbei
Messerangriff seine Mutter

NacheinemMesserangriffmitzwei
Totenam BahnhofIserlohn(Nord-
rhein-Westfalen)isteindringendTat-
verdächtigeramSonntaginUntersu-
chungshaftwegenTotschlagsge-
nommenworden.Der43-Jährigesoll
amSonnabendineinemBeziehungs-
streitseinegetrenntvonihmlebende
32 JahrealteEhefrauundihren23-
jährigenneuenLebensgefährtenmit
einemKüchenmessererstochenha-
ben.LautPolizeiistdiegenaueMotiv-
lageweiterunklar.Dermutmaßliche
TäterunddasweiblicheOpferstam-
menausdemKosovo,dasmännliche
OpferausAfghanistan.DieFrauwar
mitihremzweiMonatealtenBaby
unterwegs,dasunverletztblieb.Am
BahnhofherrschtezurTatzeithoher
Publikumsverkehr.ZahlreicheFahr-
gästeundPassantenwurdenunfrei-
willigAugenzeugenundmussten
seelsorgerischbetreutwerden.(dpa)

Mehr als1000 Tote in Indien
seit Beginn des Monsuns

Schwer eRegenfällehabeninIndien
seitBeginnderMonsunzeitimJuni
bereitsmehrals1000Menschendas
Lebengekostet.BisMitteAugust
seienindenneunamstärkstenbe-
troffenenBundesstaatenvorallemim
NordostenundWestendes Subkonti-
nents 1058 Totegezähltworden,teilte
dasHeimatministeriumamSonntag
mit.Diemeistenertrankeninden
WassermassenoderkamenbeiHäu-
sereinstürzensowieErdrutschenum.
FürTeiledesnördlichenIndiensga-
bendieBehördenamSonntag
Hochwasserwarnungenaus.(dpa)

NeuerWaldbrand wütet auf
Gran Canaria

Der BrandwaramSonnabend nahe dem
OrtValleseco ausgebrochen. AFP/D. MARTIN

ErneutistindenBerg enderspani-
schenUrlaubsinselGranCanariaein
schwererWaldbrandausgebrochen.
Mehrals 2000Menschenseienim
ZentrumderInselin Sicherheitge-
brachtworden,teiltederSicher-
heitsratderRegierungderKanari-
schenInseln,JulioPerez,mit. Sechs
OrtschaftensindnachAngabendes
Notfalldienstesbetroffen,darunter
auchwiederdieGemeindenTejeda
undArtenara,dieschonvoreiner
WochewegeneinesstarkenFeuers
inden Berg enevakuiertwurden. Da-
beiwareninderRegionsüdwestlich
derHauptstadtLasPalmasbereits
rund1500Hektarverbrannt.(dpa)

Kölner Zoo spendiertLöwen
eine Fußbodenheizung

DerKölnerZoohatseinenLöwen
eineLuxussanierungdesGeheges
spendiert–inklusiveFußbodenhei-
zung.200000EurokostetederUm-
bau,wiederZoomitteilte.Dieasiati-
schenLöwenGina(5)undNavin(3)
könnensichnunaufzweibeheizba-
renLiegeflächenausruhen.DasPär-
chenhatdieWahl:Entwedereshält
seineSiestaaufdemHügelvorder
Naseder Besucheraboderzurück-
gezogeninderneueingerichteten
Höhle.AlsnächstessolldasQuartier
derTigersaniertwerden.(dpa)

LEUTE


Heather Locklear(57)machtleider
schonlängstnichtmehrmitguten
Rollenwieeinstin„DenverClan“
oder„MelrosePlace“vonsichreden,
sondernimmeröftermitSkandalen.
ImJuni 2018 wurdenPolizistenzum
AnwesenderUS-Schauspieleringe-
rufen,weilesdor tzumStreitmitih-
remFreundgekommenwar.Siesei
betrunkengewesenundhabePoli-
zistenundeinenSanitäterangegrif-
fen,hießesdamals.Einenähnlichen
VorfallhatteesbereitseinigeMonate
zuvorgegeben.Locklearwurdewe-
genKörperverletzungfestgenom-
men,kamabergegenKautionwie-
derauffreienFuß.Nunzeigtesich
einGerichtgewillt,diefälligeHaft-
strafevon120Tagenauszusetzen,
wenndieSchauspielerinfreiwilligin
eineEntzugsanstaltgeht.


StefanieHeinzmann(30)bautschon
malvorfürZeitenjenseitsdesRum-
mels–undbleibtdabeiangenehm
unprätentiös.DieSängerin,diees
biszumJahr2015mitimmerhin
neunSinglesindiedeutschenCharts
geschaffthatte,kannsichaucheine
ArbeitalsSchreinerinoderHeb-
ammevorstellen.„FallsdieLeute
michirgendwannnichtmehrhören
wollen,istessinnvoll,sichdamitzu
beschäftigen“,sodieSchweizerin.


AnjaBlacha(29)istkeinZielzuhoch.
EbennochwarsiediejüngsteDeut-
scheaufdemMount
Everest,jetzthatsieals
ersteDeutscheden
zweithöchs-
tenBerg
derErde
bezwun-
gen–der
K2giltals
Griesgram
unterdenGipfeln.
Undjetzt?Kurze
Verschnaufpause,
bevoresEnde
desJahresauf
Skierndurch
dieAntarktis
geht.Respekt!
(avo./mitdpa)


Die gebürtige
Bielefelderin auf
8611 Metern. DPA


TIERE


Hoppla:DasdürftefürdieSpazier-
gängerinamHamburgerElbstrand
danndocheineüberraschendeBe-
gegnunggewesensein.Einejunge
RobbelagdaanderSüderelbeim
StadtteilWilhelmsburgimS and–
undrobbtederFrauundihrem
Hundgarnichtscheuhinterher.Die
herbeigerufeneWasserschutzpolizei
tauftedenkleinenSeehundRobbie,
machteeinFotoundschickteesan
dieSeehundstationFriedrichskoog,
dieper Ferndiagnoseeineamtliche
Unterbringungfürdasentkräftete
Tierempfahl.Nunwiederumwardie
Feuerwehrgefragt,dieRobbievor-
übergehendinsTierheimbrachte.
Dortwirdderverirrte Strandgänger
aufgepäppelt,biserfitgenugistfür
denWeitertransportnachFried-
richskoog.DiereinsteRobben-
Odyssee!(avo.)


Strandgut der niedlichen Sorte:
Robbie im Sand. PRIVAT/DPA

„MeineKinderliebendieGeschichten“


DerZeichnerGuyDelisleistfürseinehumorvollenReisecomicsbekannt–undsetztsichalsRabenvaterinSzene


M

itseinenhumorvollen
und zugleich profund
recherchiertenReise-
comics ausShenzhen
(China),Pjöngjang(Nordkorea),aus
Myanmar oderIsrael gehör tder ka-
nadischeZeichnerGuyDelislezu
den Mitbegründernder Comic-Re-
portage .MitseinemAlbum„Geisel“,
dasdiewahreGeschichteeinerGei-
selhaft inTschetschenien erzählt,
wechselte er zuletzt erfolgreich ins
ernsteFach.Nunisttrotzdemder
vierteTeilseinesironischen„Ratge-
bersfürschlechteVäter“erschienen.
Wirtrafendenüberausvielseitigen
KünstlerinBerlin–Delisleließes
sichbeiderGelegenheitnichtneh-
men,fürunsgleichnocheinpassen-
des Bild zu zeichnen. Selbstver-
ständlichwurdeesunserAufmacher.

MisterDelisle,hattenSienichtange-
kündigt,mitden„Ratgebern“aufzu-
hören?
Unverhofftkommtoft:EinMaga-
zinhattemichumeineGeschichte
gebeten,alsichvonderLesereisemit
„Geisel“ausDeutschlandheimkam.
Mirfiel gleich dieEpisode ein, wie
ich in Leipzig einsam imHotelzim-
mer saß und meinenKindernzu
Hausein MontpellieramTelefonvon
meiner tollenTour vorschwärmen
wollte –sie mich aber abwürgten,
um mit Freunden oder amCompu-
ter zu spielen.Nicht mal die Süßig-
keiten, die ich als Souvenir ver-
sprach, halfen.AusFrust habe ich
die dann selbstverspeist. DieGe-
schichtezeichnetesichvonselbst.
Soging’s wiederlos.

Im neuen Buch erzählenSie, wie
SieIhreTochter imBuchladen
vergessen, Ihren Sohn mit Com-
puterspielenvondenHausaufga-
ben ablenken und dieKinder zu
KomplizenIhrerLügenmachen.Ist
IhrNachwuchssauer,wennersodie
Wahrheiterfährt–oderfroh,weilSie
soIhr eAutoritätuntergraben?
Meine Kinder lieben die Ge-
schichten.So sehr,dass Siemanch-
malversuchen,sichneueauszuden-
ken. Es wärenatürlich super,wenn
sieeinpaarguteIdeenhätten–leider
sinddiemeistenvölligunbrauchbar.
Wasich ihnen auch sofortsage,um
meinenRufals schlechterVater zu
wahren.

Ihr Deutschland-Besuch war eine
Rückkehr:In den Achtzigern lebten
Siesogarschoneinmalhier.Wiewar
dasWiedersehen?
Es hat mir sehr gefallen, auch
wennichfastnichtsmehrwiederer-
kannt habe.Ich denke gerndaran
zurück,wieichhiermeinerstesJahr
außerhalbKanadas verbrachte: ein
halbes Jahr in München, ein halbes
in Berlin, alsZeichner am ersten
„Werner“-Film.Daswar 1989, eine
wirklich aufregende Zeit, um in
West-Berlinzuleben–gerade ,alsdie
Mauerfiel.

Dieperfekte Vorlage für einen Ihrer
autobiografischenComics.
Darauf wär eich damals nie ge-
kommen. Ichweiß: Wiedämlich!
Aber seinerzeit zeichnete noch kein
MenschGraphicNovelsübersolche
Erlebnisse.Erst, als ich später nach
Frankreich ging, entdeckte ich das
MagazindesIndie-VerlagsL’Associa-
tion, der mit LewisTrondheim und

Für die Leser der Berliner Zeitung gezeichnet: Delisle läuft durch Berlin.GUY DELISLE/REPRODUKT (4)

MarjaneSatrapiberühmtwurde.Da
wollte ich unbedingt erscheinen –
undzeichneteeinpaarautobiografi-
scheStrips.SpäterkamichausChina
mitUnmengenReisenotizenzurück
–genugfürsersteBuch.Ichmerkte,
wie viel Spaß es bringt, einfach sich
selbstandiesenOrtenzuzeigen,von
denen Journalisten kaum berichten
können.

Siehaben20JahrelangdieseEinbli-
cke in kurzenEpisoden mit viel lei-
sem Humor gezeichnet.BisSie „Gei-
sel“ vorlegten: Ein400-Seiten-Opus
überdieLeidensgeschichteeinesDrit-
ten–ohneGags,in realistischemStil.
WolltenSieendlichmalmehralsko-
mischsein?
Ichwar fasziniertvon dieser fast
unbekannten Geschichte,die mir
Christophe Andre–ein Kollege mei-
ner Frau bei„Ärzte ohne Grenzen“ –
über seine Geiselhaft in Tschetsche-
nien erzählte.Anfangs haderte ich
damit, jemand anderen sprechen zu
lassen,auchweilichSubjektivesund
Gags weglassen musste.Eswurde
besser,als Christophe jede Seite als
authentischabgenickt hatte.Denn
ich wollte ja kein amüsantesBuch
zeichnen, sondernseine Geschichte
erzählen. Dazu passte auch mein
Cartoon-Stil nicht. So wurde es ein
echterMarathon!Alsichfertigwar,litt
ichfastanWochenbettdepression–
dakamdieLesetourgeraderecht.
EndlichrausausderZeichenstube!

InIhremNordkorea-AlbumgehenSie
auchderFragenach,obeswirklich
möglichist,dassdieNordkoreaner
die Propaganda ihrer Regierung
glauben.HatsichdieseFragerelati-
viert,seitDonaldTrumpmit„Alter-
nativenFakten“undFox-News-Pro-
pagandaregiert?
TatsächlichmussteichandiePa-
rallelgesellschaftinNordkoreaden-
ken,alsTrumpundderBrexitkamen:
In Nordkorea werden die Menschen
ja vonInformationen aus demRest
derWeltabgeschottet–undarrangie-
rensich damit,weil es ohnehin ge-
fährlich ist, das zu hinterfragen.Im
WestendrohtdirnatürlichkeineGe-
fahr –aber derEffekt ist ähnlich,
wennmansichnurNachrichtenaus-
setzt,diedieeigeneWeltsichtbestäti-
gen: Mankann vonallen möglichen
Seitenleichtmanipuliertwerden.

Voreinpaar JahrensindauchIhreCo-
mics in der Weltpolitik gelandet:
Nachdem nordkoreanische Hacker
Daten vonSony Pictures erbeuteten
und diePremiereeiner Anti-Nordko-
rea-Komödie nach Drohungen aus-
fiel, stoppte das Hollywood-Studio
„NewRegency“kurzvorDrehstartdie
Verfilmung IhresNord korea-Buches.
Dabei wärenSievon SteveCarell ge-
spielt worden, und „Fluch derKari-
bik“-Regisseur Gore Verbinski hätte
Regiegeführt.
Eswarirr e.SogarObamaalsPräsi-
dent hatHollywood für dasEinkni-
cken kritisiert. Leider war nichts
mehrzumachen,dasStudiokannfrei
entscheiden und hat dasProjekt be-
erdigt. Unddas alles zweiWochen,
bevorichdenendgültigenVertragun-
terschrieben hätte und dasGeld ge-
flossen wäre. Ichschätze, das war
wohlNordkoreas Rachefürmeinfre-
cheskleinesBuch.DieseBastarde!

DasGesprächführteSteven Geyer.

Guy Delisle als überforderterVater.

ZUR PERSON

Guy Delisle,1966 in Quebecgeboren, gilt als „weltgewandtester Comicautor der Gegenwart“,
wie esARD-Literaturkritiker Denis Scheck ausdrückt. Delisle studierte Kunst inToronto und ar-
beitete ab 1986 fürverschiedene Zeichentrickstudios–seit 1989 in Europa.

Ironisch undpädagogisch inkorrektwidmet er sichim„Ratgeber für schlechteVäter“ denRa-
benvaterfreuden. Der vierteBand ist jetzt aufDeutscherschienen(Reprodukt, 200S.,12Euro).

Der Zeichner berichtete aus Pjöngjang. Am Limit: Alles geben für die Kinder. In JerusalemwarDelisle länger unterwegs.
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