Berliner Zeitung - 19.08.2019

(Rick Simeone) #1
Berliner Zeitung·Nummer 191·Montag, 19. August 2019–Seite 9*
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Berlin


Vorhangauf–StiftungwillKarlshorster„Russenoper“wiederöffnenSeite 12


Türauf –TausendeBesuchersahensichinBundesministerienumSeite 14


NACHRICHTEN


Bildungsverwaltungwarnt
vor Mangel an Kita-Plätzen

DieSuchenacheinemKita-Platz
könntedemnächstwiederschwerer
werden:„MitBlickaufdiekommen-
denMonatemussmandavonausge-
hen,dasseszuEngpässenkommt“,
sagteIrisBrennberger,Sprecherin
derBildungsverwaltung.DieVerwal-
tungarbeiteweitermitHochdruck
daran,dasKita-Angebotweiteraus-
zubauen.Erfahrungsgemäßseies
vorallemfür Eltern,dieinderzwei-
tenHälftedesKita-JahreseinenPlatz
brauchen,schwierig,etwaszufin-
den.ZumneuenKita-Jahr ,dasim
Augustbegann,sinddemnachrund
34000 Plätzefreigeworden.DieKi-
tashabenindenvergangenenWo-
chenrund17300neueKinderregis-
triert. DieMeldungseinochnicht
abgeschlossen,soBrennberger.
EndeJuliwurdeninBerlin
PlätzeinK itasundderKindertages-
pflegeangeboten–rund7000Plätze
mehralsimVorjahresmonat.Zielsei
es,mitdensteigendenKinderzahlen
Schrittzuhalten.(dpa)

Neuer Job für früheren
Staatssekretär

DerfrühereStaatssekretärBorisVel-
ter(51)hatachtMonatenachsei-
nemRausschmissdurchGesund-
heitssenatorinDilekKalayci(SPD)
dieLeitungderGeschäftsstelle„Ge-
sundheitsstadtBerlin2030“über-
nommen.Dortsollereineengere
ZusammenarbeitdesUniversitäts-
klinikumsCharitémitdemkommu-
nalenKrankenhauskonzernVivan-
tesvoranbringen,teiltedieSenats-
kanzleimit.DerSPD-PolitikerVelter
giltals FachmanninderGesund-
heitspolitikundwarnachfünfjähri-
gerTätigkeitalsStaatssekretärEnde
2018ohneAngabenvonGründen
überraschendindeneinstweiligen
Ruhestandversetztworden.Dem
Vernehmennachgabesinhaltlichen
DissensmitderSenatorin.(dpa)

BerlinerTanzpaar erreicht
dasTango-Finale der WM

SophiaPaul ist in Berlin, Julio Cesar
Calderon inPeru geboren. BLZ/PAULUS PONIZAK

DieBerlinerSophiaPaulund Julio
CesarCalderonstehenimFinaleder
WeltmeisterschaftimTangoArgen-
tinoin BuenosAires.Diebeiden
Tänzer ,diein Berlinals Tanzlehrer
arbeiten,qualifiziertensicham
SonnabendimHalbfinaleinderar-
gentinischenHauptstadtunter
PaarenfüreinenderFinalplätze.
„Wirfreuenunsriesig“,sagteSophia
Pauleiner Pressemitteilungzufolge.
„EsistfürunseinegroßeEhre,unter
denbestenTango-TänzernderWelt
antretenzudürfen“,sagteJulioCe-
sarCalderon. Rund450 Paarewaren
zurVorrundeangetreten.DasFinale
inder Kategorie TangodePistafindet
amDienstagimLunaParkinBuenos
Airesstatt.(BLZ)

HellsehernervtPolizeiimFallRebecca


DerLeiterderMordkommissionreagiertmiteinemwütendenSchreibenaufständigeHinweise


VonPhilippe Debionne

E

inhalbesJahrschonistRe-
becca verschwunden.We-
derdie ElterndesNeuköll-
nerMädchensnochdiePo-
lizei wissen, was amTagihres Ver-
schwindens geschah.Auch ob die
15-Jährige noch lebt, ist unklar.Die
Polizei geht davon aus,dass die
Schülerin tot ist.TausendenHin-
weisesinddieErmittlernachgegan-
gen. Aber nicht nur ernstzuneh-
mende Tippgeberwenden sich an
die Polizei, sondernauch selbst er-
nannteHellseher.MenschenwieMi-
chael Schneider,der felsenfest da-
vonüberzeugt ist, mit übersinnli-
chenKräftenbeiderSuchenachRe-
beccahelfenzukönnen.

„AuchichbineinSeher“
Er hat die Mordkommission offen-
bar so sehr mit seinenHinweisen
traktiert, dassMichael Hoffmann,
der Leiter der für denFall Rebecca
zuständigenMordkommission, nun
dieGeduldverlorundsichmitschar-
fenWortenzur Wehrsetzt.„Sehrge-
ehrter HerrSchneider,ichhabefest-
gestellt,dassauchicheinSeherbin“,
beginntdieE-Mail,diederChef-Er-
mittler vorwenigen Tagen an den
vermeintlichenHellseher geschrie-
benhatunddiederBerlinerZeitung
vorliegt. „Ich habevorhergesehen,

dass Sietrotz meinerBitte keine
Ruhe geben!“ Offenbar hatteHoff-
mann Schneider mehrfach zuver-
stehen gegeben, dass er sich bitte
nicht in dieErmittlungen einmi-
schenmöge.Wasden Hellseheraber
nicht davon abhielt, immer neue E-
MailsmitangeblichenHinweisenan
diePolizeizuschicken.
So lange,bis Michael Hoffmann,
der als hartnäckiger und
erfahrener Ermittler gilt,
nun dieGeduld verlor.So
schreibter:„Jetztnochein-
mal –die Berliner Polizei
gehtkeinenHinweisenvon
Sehern, Geisterkontakt-
lern, Kartenlegern,Pendel-
schwingern, Kaffeesatzle-
sern, Wahrträumern,Wün-
schelrutengängern, re-
mote Viewern,
Astralwahrnehmern, Computerfre-
quenzauslesernusw.nach.“
HellseherMichaelSchneider,der
nacheigenenAngabenunentgeltlich
arbeitet, kann „eine grundsätzliche
Skepsis solchenHinweisen gegen-
übernachvollziehen“,sagterimGe-
spräch mit der Berliner Zeitung.
Dennochistesfürdendurchausge-
bildetenMann völlig unverständ-
lich,weshalbdiePolizeiihnnichtin
dieErmittlungsarbeiteinbindet.
So schrieb Schneider bereitsvor
einiger Zeit in einem emotionalen

Brief an PolizeipräsidentinBarbara
Slowik,dass„HinweisevonderQua-
lität wie meiner anSieinL ändern
wie den USA und Russland wie
selbstverständlichundohnemitden
Augenzu rollenindieErmittlungsar-
beitder Polizeieinbezogen“würden.
Nicht nur diePolizei, auch meh-
rere Zeitungsredaktionen sowieOp-
ferorganisationen und sogar dieFa-
milie selbst hatte Schnei-
derkontaktiert.Sohatteer
nach eigenerAussage kurz
nach demVerschwindens
Rebeccas kurzKontakt zu
deren Mutter.LautSchnei-
der habe sie ihm gesagt,
dass„ichihrmeineSehung
perMailzukommenlassen
möge“. Wasder Hellseher
auchtat–dochandervon
ihm genanntenStelle,ein
kleinerWald in Großziethen,fanden
die Ermittler nichts.Zwar kontak-
tierteSchneiderRebeccasFamiliea n-
schließend nicht mehr,die Berliner
Polizeierhieltjedochweiterhin regel-
mäßigKoordinatenmöglicherFund-
orte RebeccassowieKontaktdatenzu
angeblichenZeugen.
AusPolizeikreisen hieß es in der
Vergangenheit auf Anfrage zurück-
haltend, grundsätzlich würde„jeder
Hinweisgeprüftunddanneingeord-
net“. Erst dannwerdeentschieden,
wiemanmitdemjeweiligenHinweis

weiterumgehe.Dochdamitsollnun
endlich Schluss sein. Dashofft
Mordkommissions-Leiter Hoff-
mann.DasschreibterdemHellseher
in sarkastischen Worten:„Weitere
Kontaktversuche,das sollten Sieei-
gentlich vorhersehe nkönnen, sind
somitfürSienichtzielführen d.“

Wahrsagerkannesnichtlassen
IneinerA ntwortaufdie MaildesKri-
minalhauptkommissars Michael
Hoffmann schreibtMichael Schnei-
der zwar,dasser„kein Stalker“ sei
und HoffmannsAblehnung selbst-
verständlich akzeptiere. Nach meh-
rere nSätzen, in denen sich Schnei-
der vonanderen Hellsehernab-
grenzt, wünscht er schließlich noch
„viel Erfolg bei der Lösung desFal-
les“.UmhintereinemPSdanndoch
noch hinzuzufügen: „Bei allenStel-
lensüdlichderA12werdenSienicht
fündig werden,daR ebecca eindeu-
tig nördlich der A12 liegt.“Das, so
Schneider,habeer„nichtnuralsEin-
gebung“. Davo nsei er auch„als
Hobby-Profiler,derversucht,sichin
die Psyche vonTäter neinzufühlen,
überzeugt“.

Die vermisste
Rebecca

POLIZEI

Philippe Debionnefindet
den gereiztenTondes Chef-
Ermittlers bemerkenswert.

Nach Hause


fahren


D


erjungeMannnebenderHalte-
stellelässt sichnichtbeirren.
Nichtvondenan-undabfahrenden
Bussen,nichtvonderabgestandenen
Schwüle,diewieeinemuffigeDecke
über demKudamm liegt, nichtvon
den Menschen. DasMegafon in sei-
ner Hand verdeckt fast sein ganzes
Gesicht und ist das einzigAuffällige
an ihm. Ansonsten:Kurzeblonde
Haare, Jeans,T-Shirt. Einjunger
Manneben –Mitte,Endezwanzig.
Einjunger Mann mit Botschaft.
Vonweitem habe ich sie nichtver-
standen,jetzt,ausderNähe,höreich
„Jesus“ und „Gott“, derMann pre-
digt.SeineRedehatnichtsEiferndes,
er klingt eher,als spräche er zu sich
selbst, wäredan icht der Verstärker,
der die Wortehinausschickt in den
frühen Abend. Anders als andere
Missionaremit ihren Blättchen und
bohrenden Blicken finde ich ihn
nichtunsympathisch.Wiefühltman
sich, frage ich mich, als hörbare
Stimme,die keiner hört?DieMen-
schen tragen Tüten,Taschen und
Kopfhörer ,sprechen inGeräte,mit-
einanderoderinGedankenmitsich
selbst. Nirgends eine Leere, die et-
was Übergeordnetes füllen müsste.
Diehat erst dann ihrenAuftritt,
wenn dieWarenausgepackt und
schon wieder alt sind.Manch ein
müdesGesichtkündetschondavon.
Durchdie geschlossenenBustü-
renhörtmanihnimmernoch.Kurz.
AbgelöstwirdseinegedämpfteRede
vomSchnauben des anfahrenden
Fahrzeugs und zwei singendenKin-
dern. DieMutter sitzt ihnen gegen-
über,sichtbar abgekämpft.Sieer-
mahntdiezwei,etwasleiserzusein.
Kurz darauf sind beide eingeschla-
fen,KopfanSchulter.Einealte Dame
mitsilberblauenLöckchenundRoll-
atorsiehtaus,alswürdesieesihnen
gernenachtun.Immerwiederklappt
ihrKopfzur Seite.Hoffentlichhatsie
es nicht mehrweit, denke ich und
mussaussteigen.
Hier am Zoomischen sich unter
dieEinkäuferundBummlerviele,in
deren Taschen keine neu erworbe-
nen Kurzseligkeiten sind.Siesitzen,
schlurfenundschleppensich,einige
torkeln,undindenTütentragensie
alles,was sie besitzen.Weil ich we-
nigstens einigen etwas geben will,
aberkeineMünzenhabe,betreteich
eine Bäckerei.DieVerkäuferin will
gerade beginnen, den umfangrei-
chenEinkaufdesKundenvormirin
die Kasse einzugeben, da sagt der:
„LassenSiedie Dame ruhig vor. Sie
will bestimmt nach Hause.“ Ich
winkeab:„Dakommeichher!“Doch
derverg nügteMannim Maleranzug
möchte offenbar etwasGutes tun.
„Dann lassen sie eben die andere
Damevor.“IchhattedieKundinhin-
ter mir gar nicht bemerkt. „Ich
meine,irgendjemand will doch im-
mernachHause.“
Wiederdraußen,inderHandein
Croissant und in derTasche Klein-
geld, denke ich an die schlafenden
Kinder und die müdeMutter,die
FraumitdemRollator,dieMenschen
mitdenTütenunddenjungenMann
mitseinerBotschaft.Ichsehediean-
deren Menschen mit den anderen
Tüten,dieheutenirgendsmehrhin-
fahren,undnicke.Ja,irgendwerwill
immer nachHause.Und irgendwo
istimmereiner,derkeineshat.


Stadtbild


BarbaraWeitzel
beobachtetdie
Abendmenschen.

MORRIS PUDWELL

SiebenineinereinzigenNacht


Gleich vierAutos wurden in derNacht zu Sonntag am Lichtenberger
RodeliusplatzOpfervonFlammen.AnwohnerhattenlautPolizeigegen
1.25UhrdasKlirreneinerScheibegehört,wenigspäterfingeinBMW
anzubrennen.DasFeuergriffaufeinenSmartüber,derdanebenge-
parkt war.Beide Fahrzeuge brannten nachPolizeiangaben komplett
aus,zweiweitereind erNähewurdenbeschädigt.InReinickendorfgin-
gen in derselbenNacht zweiAutos in Flammen auf, inHohenschön-
hausen brannte eines.Außerdem soll einElektroroller amKottbusser

TorinK reuzberggebrannthaben.DiePolizeiermitteltinallenFällen
wegenBrandstiftung.ZudemwerdeeinZusammenhangderTatenge-
prüft,sagteeineSprecherin. InderNachtzu Sonnabendwaresschon
zueinerähnlichenFeuerseriegekommen,fünfAutoswarenbetroffen.
So brannte inMarzahn ein Wagen komplett aus,zweiweitere, in der
Nähe geparkte wurden demnach ebenfalls beschädigt.Mitten in der
Nacht brannte inNeukölln einAuto aus .Ein davor geparkterWagen
wurdebeschädigt.(dpa)

Wolf &Co:
Brandenburg zahlt
Millionen
für Schäden
Seite 15
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