Süddeutsche Zeitung - 20.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Die Natur wütete kurz, aber heftig: Blitze,
Sturmböen undHagelschlag richteten am
Sonntagabend binnen Minuten in großen
Teilen Nordbayerns schwere Schäden an.
Das finanzielle Ausmaß dürfte in die Millio-
nen gehen, schwere Verletzungen wurden
jedoch zunächst nicht bekannt. Besonders
betroffen war der Zugverkehr: Auf einigen
Strecken, etwa zwischen Nürnberg und
Augsburg, ging lange Zeit nichts mehr. Bei
Roth, südlich von Nürnberg, mussten
400Fahrgäste in einem Nachteinsatz aus
einem ICE geborgen werden, nachdem sie
zuvor mehrere Stunden in dem Zug festge-
sessen hatten. Im Bahnhof Mertingen
mussten alle Züge nach einer Stellwerks-
störung zwischen Augsburg und Donau-
wörth stoppen. Schwer getroffen wurde
auch Unterfranken: „Im Landkreis Aschaf-
fenburg haben wir 96 Einsätze wegen des
Sturms gezählt, das Dach der Polizeiin-
spektion Alzenau wurde abgedeckt“, sagte
ein Polizeisprecher am Montag. Zahlreiche
Bäume in der Region wurden entwurzelt,
wie in einem Biergarten in Alzenau, sowie
Keller und Straßen überflutet. Auch in der
Oberpfalz schlugen die Naturgewalten zu.
Rund um Amberg wurden Straßen überflu-
tet und Bäume entwurzelt. Ein Mensch
wurde bei einem Verkehrsunfall wegen
des Unwetters leicht verletzt. dpa

Unwetter wütet


in Nordbayern


von hannah friedrich

München– Bürgerinnenund Bürger, Men-
schen in Bayern, Beschäftigte: Die korrek-
te Anrede treibt auch Bayerns Behörden
um. Denn die müssen ihre Texte in einer
möglichst geschlechtsneutralen Sprache
formulieren, vom Pressestatement bis
zum Veranstaltungskalender. Was nun ge-
schlechtergerechte Sprache ist, dazu gibt
es zahlreiche Auslegungen. Kommunen
und Universitäten haben sich eine Vielzahl
unterschiedlicher Leitlinien gegeben.
Die Organisationsrichtlinien von 2002
geben in Bayern zumindest staatlichen Be-
hörden klare Vorgaben: Möglich sind Paar-
formen wie „Schüler und Schülerinnen“,
geschlechtsneutrale Ausdrücke wie „die
Angestellten“ und Geschlechtsabstraktion
wie „das Gericht“ oder „die Lehrerschaft“.
Auch bei „die Studierenden“ oder „die
Seminarleitung“ gibt es kein Geschlecht.
Diese Lösungen empfehlen die LMU Mün-
chen, die Unis Erlangen-Nürnberg, Würz-
burg und Regensburg. Ähnlich ist es bei vie-
len Kommunen: In München, Nürnberg,
Augsburg, Ingolstadt und den Landkrei-
sen München und Passau heißt es „Be-
reichsleitung“ oder „die Beschäftigten“
statt „die Mitarbeiter“.
Alternativ empfehlen die Unis Paarnen-
nungen wie „Dozenten und Dozentinnen“,
bei denen Männer und Frauen genannt
werden. Auch bei den Kommunen ist häu-
fig „Bürgerinnen und Bürger“ zu lesen.

Die Unis Regensburg und Erlangen-
Nürnberg gehen weiter: Zwar empfehlen
es deren Leitfäden nicht ausdrücklich, er-
wähnen aber das „Gendersternchen“ als
mögliche Option. Worte wie „Teilneh-
mer*innen“ oder „Student*innen“ sollen
auch Menschen ansprechen, die weder
Mann noch Frau sind. Rechtschreibkon-
form ist das Sternchen allerdings nicht.
„Sprache durchdringt alles, alles ist
Sprache“, sagt die Linguistin Serife Sanli
von der LMU München. Deshalb sei es
wichtig, dass Sprache die gesellschaftliche
Realität abbildet – und neben Männern
und Frauen auch Personen des „dritten Ge-
schlechts“ zeige. Das Problem sei dabei

aber weniger die Schreibung als vielmehr
die gesprochene Sprache: Vorgelesen wer-
de geschlechtergerechte Sprache zum
„Stolperstein“. Denn wie spricht man
„Schüler*innen“ aus? „Da werden wir unsi-
cher oder geraten ins Stottern“, sagt Sanli,
„dann gucken wir alle wieder nur auf die
Sprache und nicht auf den Inhalt.“
Viele Redner vermieden deswegen das
„Gendern“. Stattdessen wiesen sie darauf
hin, dass sie mit dem generischen Maskuli-
num alle meinten – und sprächen dann
von „Autoren“ und „Politikern“.

Das Gegenstück beobachtet Sanli bei
vielen Lehramtsstudenten. Besser gesagt:
Lehramtsstudentinnen. Die nutzten das ge-
nerische Femininum und meinten damit
alle. In Berufen, in denen deutlich mehr
Frauen als Männer arbeiten, spiegle das
die Realität besser wider, sagt Sanli.

„Wir befinden uns momentan im Um-
bruch“, sagt die Linguistin. Es brauche Lö-
sungen für geschlechtergerechte Sprache,
die keine Unsicherheit oder Missverständ-
nisse aufkommen lassen. Dass es die inner-
halb der nächsten Jahre geben wird, auch
für die gesprochene Sprache, steht für San-
li fest. In der Schreibung seien sie bereits
absehbar: „Wenn das Sternchen nicht
kommt, muss etwas anderes her.“
Überflüssig findet das der frühere lang-
jährige Präsident des Deutschen Lehrerver-
bands, Josef Kraus. Lediglich bei Anreden
sei ein „sehr geehrte Damen und Herren“
oder „liebe Schülerinnen und Schüler“ an-
gebracht. Ansonsten reiche das generische
Maskulinum völlig aus, da es alle mit ein-
schließe. Gendersprache stört, sagt Kraus:
„Es behindert den Lesefluss und macht die
Texte länger.“
Worte wie „Student*innen“ oder „Stu-
dierende“, mit denen auch Personen des
dritten Geschlechts angesprochen werden
sollen, hält er für unnötig. „Die Notwendig-
keit sehe ich nicht, weil es sich um Promille-
teile der Bevölkerung handelt, die davon
betroffen sind“, sagt Kraus. Partiziplösun-
gen wie zum Beispiel „Studierende“ oder
„Radfahrende“ seien zudem schlichtweg
falsch. Ein Studierender sei jemand, der in
genau diesem Moment studiert. Genauso
höre der Radfahrende auf, einer zu sein, so-
bald er vom Rad steigt.
„Sprache ist etwas Gewachsenes“, sagt
Kraus. Dass immer mehr Behörden ge-

schlechtergerechte Sprache verwenden,
sieht er kritisch. „Das ist eine Manipulati-
on der Sprache von oben, die Sprache ge-
hört aber dem Volk.“
Kraus hat zusammen mit prominenten
Unterstützern wie der Schriftstellerin Mo-
nika Maron und Sprachkritiker Wolf
Schneider eine Petition gestartet, die ge-
nau das stoppen soll. „Schluss mit dem
Gender-Unfug“ heißt sie, und ist der eige-
nen Internetseite zufolge mehr als 73 500
Mal unterschrieben worden. Eine große Zu-
kunft haben Gendersternchen und Parti-
zipkonstruktionen Kraus’ Einschätzung
nach nicht: „Ich bin da relativ zuversicht-
lich, dass sich bestimmte Dinge totlaufen.“
Tatsächlich werde das Genderstern-
chen gar nicht so selten verwendet, sagt Sa-
bine Krome vom Rat für deutsche Recht-
schreibung. Und das, obwohl es nicht den
amtlichen Regeln der Rechtschreibung ent-
spreche. Der Rat beschloss 2018, dass das
dritte Geschlecht zwar sprachlich abgebil-
det werden solle, er selbst dafür jedoch kei-
ne Regeln aufstelle. Der Rat werde die Spra-
che weiter beobachten, um festzustellen,
ob sich eine neue Schreibweise möglicher-
weise durchsetzt, hieß es.
Bei der Gendergerechtigkeit allein soll
es in Nürnberg nicht bleiben. Die Stadt wol-
le auch in anderen Bereichen sprachliche
Diskriminierung vermeiden, sagt eine
Sprecherin. Zum Beispiel bei Behinderun-
gen: Niemand solle „an einen Rollstuhl ge-
fesselt“ sein.

München– ImTierschutzskandal um die


Milchviehhaltung in Bad Grönenbach


(Landkreis Unterallgäu) hat die Staatsregie-


rung eingeräumt, dass die Behörden von


Verstößen gegen die Tierwohl-Vorgaben


auf einem Großbetrieb gewusst haben.


Das geht aus einer Antwort des Umweltmi-


nisteriums auf eine Anfrage der Landtags-


SPD hervor. Der SPD-Abgeordnete Florian


von Brunn übt massive Kritik. „Es ist voll-


kommen unbegreiflich, warum hier nicht


früher hart durchgegriffen wurde“, sagt er.


„Über Jahre hinweg wurden bei Kontrollen


immer wieder brutale Tierquälereien fest-


gestellt. Aber schlimm genug, um sie so-


fort abzustellen, fand die zuständige Behör-


de sie offenbar nicht.“


Laut Umweltministerium wurden die

bayerischen Stallungen des Großbetriebs


seit 2014 fast 60 Mal überprüft – und zwar


nicht nur in Sachen Tierschutz, sondern


auch in Sachen Tierseuchen- und Arznei-


mittelrecht. In 38 Fällen wurden Verstöße


gegen Vorgaben festgestellt. Das eine Mal


reichten die Liegeplätze für die vielen Tie-


re im Stall nicht aus, ein anderes Mal wa-


ren es die Fressplätze. Wieder ein anderes


Mal wurden kranke Tiere nicht angemes-


sen untersucht und behandelt. Die Veteri-


näre stellten aber auch fest, dass kranken


Kühen kein Futter oder Wasser gegeben


wurde. Letzteres nennt Brunn besonders


empörend. Seine Fraktionskollegin Ruth


Müller fordert Aufklärung über die Verstö-


ße gegen das Arzneimittelrecht auf dem Be-


trieb. Angesichts der dürftigen Angaben


des Umweltministeriums hierzu drängt


sich für Müller der Verdacht auf, dass


„möglicherweise Antibiotika-Missbrauch


stattgefunden haben könnte“. Die Staatsre-


gierung müsse die Angaben hierzu schnell


nachliefern.


Eine Sprecherin des Landratsamts Un-

terallgäu erklärte, dass das Veterinäramt
keinen einzigen Verstoß des Betriebs ge-


gen rechtliche Vorgaben hingenommen ha-


be. Die Amtstierärzte hätten den Betriebs-


inhaber bei einem jeden aufgefordert, ihn


abzustellen, und dafür detaillierte Aufla-


gen erlassen. Der Unterallgäuer Landrat


Hans-Joachim Weirather (FW) beschwert


sich seit Jahren immer wieder bei der


Staatsregierung, dass das Veterinäramt an


seiner Kreisbehörde chronisch unterbe-


setzt und überlastet ist. Seine Forderung


nach mehr Amtstierarzt-Planstellen sind


bisher völlig ungehört geblieben. cws


München/Fürth– Internationale Handels-
konflikte und der drohende Brexit hinter-
lassen ihre Spuren in der bayerischen Ex-
portwirtschaft. Im ersten Halbjahr 2019 ha-
ben Unternehmen im Freistaat Waren im
Wert von 95,8 Milliarden Euro exportiert,
wie das Landesamt für Statistik am Mon-
tag mitteilte. Das waren 1,7 Prozent weni-
ger als im Vorjahreszeitraum. Besonders
stark zurück gingen mit minus sechs Pro-
zent Ausfuhren ins Vereinigte Königreich.
Dieses zählt in der EU mit einem Exportvo-
lumen von fast 6,6 Milliarden Euro zu den
wichtigsten Ausfuhrländern für Bayern.
Auch Asien trug mit minus 5,8 Prozent er-
heblich zu den – aus Sicht bayerischer Un-
ternehmen – schlechten Zahlen bei. Die Im-
porte stiegen in den ersten sechs Monaten
um 2,3 Prozent auf 95,0 Milliarden Euro.
Vor allem aus der Slowakei und Australien-
Ozeanien legten die Einfuhren nach Bay-
ern mit jeweils 20 Prozent gegenüber dem
ersten Halbjahr 2018 deutlich zu.
Auf die jüngste Erhebung der Statistiker
reagierte der Bayerische Industrie- und
Handelskammertag (BIHK) mit Besorgnis.
„Die Auslandsnachfrage lässt spürbar
nach, die konjunkturellen Bremsspuren in
der bayerischen Wirtschaft nehmen zu“, er-
klärte BIHK-Präsident Eberhard Sasse. Als
bemerkenswert schätzt der BIHK die leicht
gestiegenen Ausfuhren in die USA (plus
1,5Prozent) ein. „Die USA sind damit nach
wie vor Bayerns wichtigster Exportmarkt
mit einem Ausfuhrvolumen von 10,7 Milli-
arden Euro“, heißt es in einer Mitteilung.
Auch die Vereinigung der Bayerischen
Wirtschaft (VBW) zeigt sich besorgt über
die Rückgänge. „Ziel muss deshalb eine ra-
sche Rückkehr zu stabilen und verlässli-
chen weltweiten Rahmenbedingungen
sein, um einen freien Handelsaustausch zu
gewährleisten“, erklärte VBW-Hauptge-
schäftsführer Bertram Brossardt. dpa

Cham– Die Bronze ist ja ein Material für
die Ewigkeit. Eine Legierung aus Kupfer
und Zinn, praktisch unzerstörbar. Feuch-
tigkeit, Frost, das alles kann der Bronze
nichts anhaben. „Bronze kriegen Sie nur
mit einer scharfen Säure klein“, sagt der
Künstler Sebastian Roser, 65. Womit er
auch schon seinen Verdacht zu erkennen
gibt: Es muss jemand viel Mühe investiert
haben, um sein Kunstwerk auf dem
Chamer Kirchplatz kaputt zu machen. „Ei-
ne missglückte Putzaktion“, glaubt Sebas-
tian Roser.
Was sich in der vergangenen Woche in
Cham zugetragen hat, ruft natürlich Erin-
nerungen wach. Zum Beispiel an die „Fett-
ecke“ des Künstlers Joseph Beuys, die ein
Hausmeister der Düsseldorfer Kunstaka-
demie nicht als Kunst erkannte und in
den Abfalleimer schmiss, 1986 war das.
Oder an die Reinigungskraft in einem
Dortmunder Museum, die im Jahr 2011 ei-
ne schmutzige Gummiwanne des Künst-
lers Martin Kippenberger sauber schrubb-
te und kaputt machte – ebenfalls in bes-
ter Absicht. Nun also gesellt sich Sebasti-
an Roser zu den Künstlern, mit denen es
Hausmeister oder Putzkräfte wohl etwas
zu gut gemeint haben.
Das Objekt, um das es geht, ist ein Brun-
nen, den Roser im Jahr 1991 für seine Hei-
matstadt gefertigt hat. Der Steinbrunnen
symbolisiert die Altstadtsilhouette. Über
bronzene Ablaufrinnen fließt das Brun-
nenwasser aus der in Stein gehauenen Alt-
stadt hinunter in ein Granitsteinbecken,
das den Fluss Regen darstellt, der Cham
umfließt. Man muss dazu wissen: Bronze
hält nicht nur ewig, sie setzt im Laufe der

Zeit eine natürliche Patina an, wird also
immer schöner. Die Rinnen des Chamer
Brunnens etwa haben nach 28 Jahren ei-
ne dunkelgraue Patina angesetzt. Oder
besser gesagt: hatten.
Denn seit ein paar Tagen sind die Rin-
nen nicht mehr grau, sondern kupferfar-
ben, wie glanzpoliert. Als Roser neulich
über den Kirchplatz spazierte, bemerkte
er die neue Optik seines Brunnens – und
schrieb sofort einen Beschwerdebrief an

die Stadt Cham. In dem Brief schreibt der
Künstler: „Da ist mal wieder richtig was
schief gegangen. Diesmal irreversibel.“
Es ist ja nicht das erste Mal, dass der
Brunnen Schaden genommen hat. Schon
im April 2013 titelte dasBayerwald Echo:
„Kirchplatz-Brunnen lebt gefährlich“. Da-
mals berichtete die Lokalzeitung dar-
über, dass die Polizei einen fahrerflüchti-
gen Mann ausfindig machen konnte, der
mit seinem Auto den Brunnen gerammt

und ramponiert hatte. Weil dieser Unfall
kein Einzelfall war, hat die Stadt inzwi-
schen sechs Poller rund um das Kunst-
werk platziert. „Es ist einfach so, dass die
Rücksichtslosigkeit der Leute zugenom-
men hat“, sagt Künstler Roser. Dank der
Poller, dachte er, ist sein Brunnen endlich
sicher. Und jetzt das.
Aber war es wirklich eine missglückte
Putzaktion, wie Sebastian Roser vermu-
tet? Das könne sie sich „überhaupt nicht
vorstellen“, sagt Sigrid Stebe-Hoffmann,
die geschäftsleitende Beamtin der Stadt
Cham. Sie geht davon aus, „dass unser
Bauhof den Brunnen, wie mehrfach im
Jahr, mit dem Hochdruckreiniger sauber
gemacht hat“. Dass die Bauhofmitarbei-
ter die Bronzerinnen mit Säure bearbei-
ten haben könnten, sei „unvorstellbar“,
sagt Stebe-Hoffmann. Also doch kein
Putzunfall? Ein mutwilliger Säurean-
schlag? „Warum die Patina weg ist, weiß
ich nicht“, sagt Stebe-Hoffmann. Sobald
die Urlaubszeit vorbei ist, werde man die
städtischen Mitarbeiter fragen. „Wenn
beim Bauhof nichts rauskommt, erstat-
ten wir Anzeige gegen unbekannt.“
Und was wird aus dem Kunstwerk? „Es
wäre denkbar, dass man die Bronze nach-
poliert“, sagt der Künstler, „dass die Ober-
fläche wieder dicht ist und von selbst pati-
niert oder man macht es künstlich.“ Er
glaube aber nicht, dass sich die Stadt „be-
sonders heftig dafür interessiert“. Über-
haupt beklagt er die fehlende Wertschät-
zung der Chamer für sein Kunstwerk. Der
Chamer Zeitungsagte Roser: „Wenn die
den Brunnen nicht mögen, sollen sie ihn
halt abbauen.“ andreas glas

Josef Kraus kann Gendersprache nichts
Positives abgewinnen. FOTO: STEPHAN RUMPF

Behörden wussten von


Tierschutz-Verstößen


Bayerns Unternehmen


exportieren weniger
Hochglanz statt Patina

Missglückte Putzaktionoder Säureanschlag? In Cham erstrahlen die Rinnen eines Brunnens kupferfarben, der Künstler ist sauer


Teilnehmer*innen und Lehrerschaft


Ob mit Sternchen oder durch Geschlechtsabstraktion, Bayerns Behörden und Kommunen bemühen sich um eine gerechte Sprache.


Eine einheitliche Regelung gibt es allerdings nicht. Kritiker nennen die Gendersprache Unfug und fordern deren Abschaffung


von andreas glas

W


er an Bayerns Volksfeste denkt,
der denkt vermutlich eher ans
Gewinnen als ans Verlieren. We-

gen der Losbuden zum Beispiel, in denen


ein überdimensioniertes Plüschtier ne-


ben dem anderen sitzt. Lauter Hauptge-


winne. Oder wegen der Plastikrosen in


den Schießbuden, die in diesen kleinen,


weißen Röhrchen stecken. Wer ein Röhr-


chen trifft, ist Gewinner und darf die Ro-


se behalten oder verschenken. Dass man


auf Volksfesten aber auch allerhand ver-


lieren kann, das wissen vor allem die Mit-


arbeiter der Fundbüros und die Polizis-


ten, die auf Festplätzen ihre Runden dre-


hen. Etwa in Straubing, wo soeben das


Gäubodenvolksfest zu Ende gegangen


ist. Am Wochenende schickte die Strau-


binger Polizeiinspektion eine Pressemel-


dung mit folgender Überschrift: „Ehe-


frau verloren.“


Die verloren gegangene Ehefrau reiht

sich ein in eine lange Liste kurioser Ver-


lustmeldungen in der Geschichte des


Gäubodenfestes. Im Jahr 2012 landete


ein Samuraischwert im Fundbüro, 2013


ein Auto-Blinker und ein Hörgerät. Es


folgten unter anderem ein Schlauchboot,


zwei Autofelgen (2014) und Krücken


(2015). LautStraubinger Tagblattwurde


sogar mal ein Gebiss im Fundbüro abge-


geben. Und heuer? Neben der Ehefrau


meldete die Polizei am Wochenende noch


ein kurioses Fundstück: eine Lederhose.


Das gute Stück schwamm ein paar Stra-


ßenzüge entfernt vom Festplatz, in ei-


nem Pool. Weil auch ein Geldbeutel drin


schwamm, konnte die Polizei den Besit-


zer ermitteln.


Der Geldbeutel gehört übrigens zu den

häufigsten Fundstücken auf Volksfesten,


neben Jacken und Schlüsseln. Was auch


öfter mal verloren geht: Eheringe. Womit


man zumindest thematisch wieder bei


der verlorenen Ehefrau angekommen wä-


re. Um diesen Vermisstenfall noch aufzu-


lösen: Es war ein Mann aus Rheinland-


Pfalz, der spätabends auf der Volksfest-


wache aufschlug, um den Verlust zu mel-


den. Warum er seine Frau nicht einfach


auf dem Handy angerufen hat? Laut Poli-


zei kannte er ihre Nummer nicht. Zur Eh-


renrettung des Ehemannes sprach die Po-


lizei in ihrer Pressemitteilung allerdings


von „einer sehr guten Personenbeschrei-


bung“ durch den 50-Jährigen. Am Ende


hat das Ehepaar dann auch wieder zusam-


mengefunden.


Der Brunnen, den der Künstler Sebastian Roser fertigte, symbolisiert die Altstadt-
silhouette Chams – nun mit einer frisch polierten Rinne pro Seite. FOTO: STADT CHAM

„Wenn das Sternchen nicht


kommt, muss etwas anderes her“,


sagt Linguistin Serife Sanli


FOTO: FRANK RUMPENHORST/DPA

MITTEN IN STRAUBING


Was vom Volksfest


übrig bleibt


DEFGH Nr. 191, Dienstag, 20. August 2019 R9


BAYERN

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