Süddeutsche Zeitung - 20.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1

Woche von 20. bis 26. August2019^19


FILM| DVD,BD– Es istimmer eine Heraus-


forder ung, einen Bestseller zu verfilmen.


Liegt eine persönliche Lebensgeschichte


zugrunde, umso mehr. Hape Kerkeling,


einer dergrößten Entertainer Deutsch-


lands, hat zwei wichti ge Epi soden seines
Lebens aufgeschrieben: einerseitsdi e sei-
nes Zusammenbruchs und derSinnsuche
auf demJakobswegin „Ich bin dann mal
weg“. Und zum anderen „Der Junge muss

an die frische Luft“, in der er vom Freitod
seiner Mutter erzählt, der das Ende sei-
ner Kindheitmarkiert. Die Verfilmung
der tragisch-komischen Biografie könnte
2020 den Oscar nach Deutschland holen.

Im engen Verbund der Familie wächst
Hans-PeterKerkeling (Julius Weckauf)
Anfangder1970er-JahreimRuhrpottauf.
Er ist pummelig, aber wen kümmert’s,
man liebt ihn so, wie er ist. Außerdemhat
er ei n großes Talent:Er schafft es, andere
zumLachen zu bringen. Als seine geliebte
Mama (Luise Heyer), die unter einer chro-
nischen Kieferhöhlenentzündung leidet,
immer häufiger launisch ist und schließ-
lich operiert werdenmuss, nimmt auch
das Leben Hans-Peter s eine trag ische
Wendung. Durch die Operation hat seine
Mutter ihren Geruchs- und Geschmacks-
sinn und damit ein großes Stück Lebens-
qualität verlo ren, was ihre Stimmungs-
schwankungen vergrö ßert und in einer
Depressi on mündet. Hans-Peter läss t sich
nicht beirren und versucht,der Tristesse
sei ner Mutter mit Humor zubegegnen.
Esgehörtzuden Stärken vonRegisseurin-
Caroline Link, Szenenvon großer Emoti-
onalität ganz leise zu erzählen. Nicht mit
großem dramatischen Tamtam, sondern
mit einer Empathie, die unvergleic hlich
ist. Und genauso berichte t sie auch aus
demansonsten sehr fröhlichen Famili-
enleben deskleinen Hans-Peter , de ssen
Großeltern den Krieg mehr oder weniger
unbeschadet überstanden haben und nun
jede Gelegenheit zum Feiernnutzen.
Nichtnur dank des authentischen Dar-
stellerensembles umNaturtalentJulius
Weckauf ist die Bestsellerverfilmung ein
durch und durch gelungenerFilm gewor-
den. Man kann lachen und die eine oder
andere Träne verdrücken. Denn es geht
umdas,wasdasLebenletztl ichausmacht:
Freude und Trauer, Trost und Leid, Liebe
und Angst. All das du rchlebt Hans-Peter
beispielhaft in einer liebenswerten Fa mi-
lie, die allen Widrigkeit en zum Trotz wei-
ter tapfer das Leben bestreitet. jas

Mit Humor gegen die Depression


Der Junge muss andie frischeLuft | BewegendeBestsellerverfilmung über die Kindheit vonHapeKerkeling


Besser hätte man HapeKerkeling
(links) nicht darstellenkönnen:
LaienschauspielerJulius
Weckauf entpupptsich als
Naturtalent.
FOTO: WARNER

Alarmstufe Rot


FILM| DVD,BD– Der BaumimGartenvon
Inga (Edda Björgvinsdóttir) und Bald-
vin (Sigurður Sigurj ónsson, Bild) wirft
einen Schatten. Das ist nichts Unge-
wöhnliches, eigentlich nicht der Rede
wert. Doch ihr Nachbar Konrad (Tor-
steinn Bachmann) und de ssen Freun-
dinEybjorg(SelmaBjörnsdóttir)stören
sich daran, weil der Schatten ihre ge-
liebten Sonnenbäder verhindert.
Aus denFunken erster Wortgefechte
entwickeltsich in „Under The Tree“
bald ein ausnahmslos von de n Frauen

befeuerter, verheerender Streit – auf-
geschlitzte Reifen, Kackehaufen, ver-
schwundene Haustiere und Überwa-
chungskameras inklusive.
Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðs-
son seziert in seinem brillanten Film,
was Missmut, Wut und Ich-Bezogen-
heitaus Menschen machen können.
Damit gelingt dem Filmemacher ein
ziemlich genauesAbbild dermoder-
nen Wohlstandsgesellschaft, die trotz
ständigen Kommunikationszwangs
erstaunlich sprachlos ist. afi

Menschliche Abgründe


Under the Tree| Vorstadtdrama umeinen eskaliertenNachbarschaftsstreit


Hellboy –Call of Darkness | Der Halbdämondarf wieder Monster jagen


FILM| DVD,BD– Mit derComicverfil-
mung „Hellboy – Call of Darkness“
stellt Regisseur Neil Marshall wie-
deralles auf Anfang. Sein Film
schickt den in der Neuauflage
von David Harbour gespielten
Titelhelden in den Kampfgegen
die böse Hexe Nimue (Milla Jo-
vovich). Die war einst im Mit-
telalter besiegt und zers tückelt
worden. Doch die fiese Zauberin
wird wieder zum Leben erweckt
und plant die Zerstörung der
Welt. Gemeinsammit seinem
Zieh vater (Ian McShane), einer
Seherin (Sasha Lane) und einem
Agenten (Daniel Dae Kim) will Hell-
boy das verhindern.
Die Handlung des Films speist sich aus
verschiedenen Bändender zugrunde-

liegenden Comics von Mike Mignola. Die-
se Motive wurdenjedoch recht lieblos an-
einandergeklatscht.AuchdieinnereReise
des Halbdämonen, dessen Ursprungsge-
schichteneu aufgerollt wird, bleibt in An-
sätzen stec ken: Hellboy leid et darunter,
von denMenschen als Freak und Monster
abgestempelt zu werden– charakterliche
Tiefe erhält seine Figur aber nicht. Über-
zeugende Arbeit liefern immerhin die
Maskenbildn er ab, die schaurig-bizarre
Gestalten ersc haffen haben.
Beachtlich ist zudem, mit welcher Vehe-
menz der horroraffine Regisseur („The
Descent – Abgrund desGrauens“) seinen
Film in blutige Metzel-Gefilde treibt. Die
drastischen Gewaltdarstellungen heben
die Neuverfilmung von denersten beiden
„Hellboy“-Filmen (2004 und 2008, Regie:
Guillermo del Toro) de utlichab. jas

FOTO: UNIVERSUM
SERIE | NETFLIX– Mit „Tote Mädchen lügen
nicht“ geht eine dermeistdiskutierten
und -geschauten Netflix-Serien in die
dritte Runde. Das zentrale, umstritte-
ne Motiv derErzählung ist aber verlor en
gegangen: Der Selbstmord von Schüle-
rin Hannah Baker (Kat herine Langford)
spielt in den neuen Folgen kaum noch ei-
ne Rolle. Dadurch wagen die Macher nach
der redundanten zweiten Staffel immer-
hin einen erzählerischen Neuanfang: Es
geht um den Mord am Schüler Bryce (Jus-
tin Prentice), der im bisherigen Serienge-
schehen Schuld auf sich geladen hat.
Parallel zum Hype um Staffel drei gab
Netflix bekannt,dass eine finale vier-
te Season kommen wird. Durchs Um-
schwenken vom Selbstmord- aufsMord-
thema hat das Format mittlerweile ein
gutes Stück anRelevanzeingebüßt. LEi

Tote Mädchen lügen


nicht– Staffel 3


FOTO: LIGHTHOUSE
Free download pdf