„Grönland ist nicht dänisch. Grönland ist
grönländisch. Ich will stark hoffen, dass das
(die Kaufidee, Anm. d. Red.) nichts ist, was
ernst gemeint ist.“
Mette Frederiksen, Dänemarks Ministerpräsidentin, hat bekräftigt,
dass Grönland trotz US-Präsident Donald Trumps Interesse nicht zum
Verkauf steht.
Worte des Tages
Brexit
Blinder
Glaube
B
oris Johnson kommt diese
Woche endlich zum Antritts-
besuch nach Berlin und Pa-
ris. Nachdem er zunächst Distanz
halten wollte, lässt sich das Unver-
meidliche vor dem G7-Gipfel nun
nicht mehr aufschieben. Der briti-
sche Premierminister will Angela
Merkel und Emmanuel Macron war-
nen, dass er den ungeordneten Bre-
xit am 31. Oktober durchziehen
wird – und dass das Parlament ihn
nicht stoppen kann. Die aggressive
Rhetorik soll die Europäer zu Nach-
verhandlungen des EU-Ausstiegs-
vertrags bewegen.
Zum Unmut des Premiers hat die
„Sunday Times“ gerade eine inter-
ne Regierungsanalyse zu den Fol-
gen eines ungeordneten Brexits ver-
öffentlicht. Diese untergräbt John-
sons Behauptung, das Land sei
bereit für den Ernstfall. Die eigenen
Beamten prognostizieren drei Mo-
nate Chaos in den Häfen sowie Eng-
pässe bei Benzin und Lebensmit-
teln. Das Timing kommt Johnson
höchst ungelegen, erinnert der Be-
richt doch seine Gastgeber auf dem
Kontinent daran, wie schlecht seine
Karten sind.
Doch sollten die Europäer nicht
davon ausgehen, dass Johnson
blufft. Die Prognosen von Ökono-
men sind den Brexit-Jüngern längst
egal. Man müsse nur an den Brexit
glauben und alles werde sich re-
geln, ist Johnsons Mantra.
In ihm haben die Hardliner einen
Anführer gefunden, der leichtsinnig
genug wäre, das Land ins Chaos zu
stürzen. Während seine Vorgänge-
rin Theresa May zu vorsichtig für
radikale Experimente war, ist John-
son ein Bewunderer von Donald
Trumps Politik mit der Brechstan-
ge. Die Europäer sollten ihn daher
nicht unterschätzen.
Die Frage bleibt, was Johnson er-
reichen will: Wäre er vernünftig,
würde er in Berlin und Paris ernst-
haft nach einem Kompromiss su-
chen, statt kategorisch die Strei-
chung des Backstops aus dem Aus-
stiegsvertrag zu fordern. Doch
offenbar bereitet er sich bereits auf
Neuwahlen vor. Und im Wahlkampf
muss er gegen die Brexit-Partei be-
stehen – da hilft nur Abgrenzung ge-
genüber den Europäern.
Die Europäer sollten Boris
Johnsons Entschlossenheit nicht
unterschätzen, rät
Carsten Volkery.
Der Autor ist Korrespondent in
London.
Sie erreichen ihn unter:
D
erzeit herrscht in der CDU eine unge-
wöhnliche Arbeitsteilung. Friedrich
Merz schweigt die meiste Zeit, Jens
Spahn arbeitet wie ein Wilder, und An-
negret Kramp-Karrenbauer kommen-
tiert einige Themen sehr schräg. Nur Kanzlerin An-
gela Merkel regiert wie gewohnt in stoischer Ruhe
vor sich hin, als hätte sie mit der stürmischen See, in
der sich ihre Partei befindet, nichts zu tun.
Die Christdemokraten befinden sich nach einem
kurzen Hoch inzwischen wieder auf Talfahrt. Bei den
anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Branden-
burg und Thüringen drohen ihnen herbe Verluste.
Parteichefin Kramp-Karrenbauer gelingt es trotz aller
Anstrengung nicht, die unterschiedlichen Stränge in
der Partei zusammenzuführen. Was immer offen-
sichtlicher wird, die Spaltung der CDU bei Kramp-
Karrenbauers Wahl auf dem Parteitag in Hamburg im
vergangenen Dezember – sie gewann mit 18 Stimmen
Vorsprung – ist noch nicht überwunden. Auf der ei-
nen Seite gibt es die Merkel-CDU, die nicht nur nach
Ansicht des wertkonservativen Ex-Verfassungsschutz-
chefs Hans-Georg Maaßen zu weit nach links gerückt
ist. Auf der anderen Seite stehen die klassisch bür-
gerlich Konservativen der CDU, die Friedrich Merz
vertritt. Ihr Phantomschmerz wächst täglich.
Dabei versucht Kramp-Karrenbauer, die Volkspar-
tei zusammenzuhalten. Sie blinkt nach rechts mit
dem Werkstattgespräch zur Migrationspolitik Mer-
kels und nach links mit ihren missverständlichen Be-
merkungen über einen Parteiausschluss von Maa-
ßen. Die Klammer, die das Ganze zusammenhält,
fehlt aber noch. Das politische Geschäft in Berlin
zieht derweil unbarmherzig weiter und nimmt keine
Rücksicht auf all diese Bemühungen. Das muss die
frühere erfolgreiche Ministerpräsidentin jetzt bitter
erfahren. Sie hat ihren sicheren Job im Saarland auf-
gegeben und bei der Kampfkandidatur um den CDU-
Vorsitz Mut und Risikobereitschaft bewiesen. Das al-
les zählt aber nicht mehr. In Berlin gibt es nur eine
Währung: Das ist der Wahlerfolg.
Der erste Lackmustest war die Europawahl. Für
die CDU im Gegensatz zur Schwesterpartei CSU ein
Desaster. Bei der Wahl in Bremen gab es einen Ach-
tungserfolg, jedoch keinen CDU-Regierungschef. Die
Partei definiert sich aber seit jeher darüber, wer an
der Macht ist. Helmut Kohl und Angela Merkel befan-
den sich gegenüber Kramp-Karrenbauer eindeutig
im Vorteil. Sie steuerten die Partei als Vorsitzende
aus dem Kanzleramt. Das kann Kramp-Karrenbauer
logischerweise nicht, weil sie nicht Kanzlerin ist.
Dieser Konstruktionsfehler gerät nun immer mehr
zum Nachteil für sie.
Politik ist oftmals ungerecht. Für die teilweise
massive „Merkel muss weg“-Stimmung in Ost-
deutschland kann die Saarländerin nichts. Erst kürz-
lich hatte ein Lokalpolitiker in Mecklenburg-Vorpom-
mern bei einer Veranstaltung Merkel gefragt, ob sie
mit ihrer Migrationspolitik das Land gespalten habe
- und ihr vorgeworfen, Deutschland „im Namen der
Toleranz in eine Diktatur“ geführt zu haben. Die
Kanzlerin hielt pointiert und überzeugend dagegen.
Vielleicht auch, weil sie weiß, dass das drohende
Wahldesaster nicht an ihr hängen bleibt. Trotzdem
hat Kramp-Karrenbauer den CDU-Wahlkämpfern in
den neuen Bundesländern mit ihren Maaßen-Äuße-
rungen einen Bärendienst erwiesen. Die Rechnung
kommt kurz nach Schließung der Wahllokale in
Sachsen und Brandenburg am 1. September, wenn
die Landeschefs nach Berlin zeigen und dort die
Schuldige für die Wahlschlappe ausmachen.
Doch so, wie Kramp-Karrenbauer sicherlich zum
Sündenbock gemacht werden wird, so unwahr-
scheinlich ist es, dass jemand ernsthaft ihren Rück-
tritt als Parteichefin ins Spiel bringt. Das macht die
konservativ tickende CDU nicht so schnell. Auf ei-
nem anderen Blatt steht jedoch ihre Kanzlerkandida-
tur. Ihre parteiinternen Konkurrenten Merz, Spahn
und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident
Armin Laschet rechnen sich noch Chancen aus.
Nicht zu vergessen CSU-Chef und Bayerns Minister-
präsident Markus Söder, der in den Umfragen bei
den persönlichen Beliebtheitswerten weit vor
Kramp-Karrenbauer liegt.
Die CDU wirkt in diesen Tagen seltsam unsortiert.
Man geht im typischen Tempo der Großen Koalition
den Regierungsgeschäften nach. Beim Koalitionsaus-
schuss am Sonntagabend wurde beschlossen, dass
man die vereinbarte Halbzeitbilanz im Herbst ge-
meinsam ziehen wolle. Das Ergebnis wird sicherlich
niemanden überraschen. Den großen Wurf erwartet
ohnehin keiner mehr. Bei Konfliktthemen wie der
Wohnungspolitik, der Grundrente oder dem Solida-
ritätszuschlag bemüht man sich um Einigkeit. Was so
viel heißt wie: Die Bürger sollen vor den Wahlen
nicht verschreckt werden.
Gleichzeitig spielen die wichtigen CDU-Akteure al-
le möglichen Konstellationen bis hin zu einer Min-
derheitsregierung für den Fall durch, dass die SPD
im Herbst aus der Koalition aussteigen sollte. Dabei
bräuchte die Partei Konrad Adenauers vor allem
zwei Konstanten: Ordnung und Geschlossenheit.
Leitartikel
Die unsortierte CDU
Die Partei
bräuchte
Ordnung und
Geschlossenheit.
Doch die Gräben
zwischen den
Flügeln sind tief,
meint Thomas
Sigmund.
Parteichefin
Kramp-
Karrenbauer
gelingt es
trotz aller
Anstrengung
nicht, die
unterschied -
lichen Stränge in
der Partei zu -
sammen -
zuführen.
Der Autor ist Ressortchef Politik.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
DIENSTAG, 20. AUGUST 2019, NR. 159
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