rung hergestellt. Unser Ziel ist es,
Wasserstoff künftig mithilfe von
Strom aus erneuerbaren Energien
herzustellen“, sagt Jörg Adolf, Chef-
volkswirt von Shell Deutschland,
dem Handelsblatt.
Die Elektrolyseanlage mit einer
Leistung von zehn Megawatt, die
schon 2020 in Betrieb gehen soll, sei
jedoch nur der Anfang. Für den
Raum Köln erwartet der Ölkonzern
den Aufbau einer ganzen Wasserstoff-
Modellregion, rund um Tankstellen,
Auto- und Buseinsatz, um so das Po-
tenzial von klimaneutralem Wasser-
stoff in der Energiewende zu zeigen.
Weil solche Raffinerien, Stahlhüt-
ten und Chemieparks den grünen
Wasserstoff vor Ort erzeugen und
auch direkt selbst verbrauchen könn-
ten, sei der Einsatz dort auch sinn-
voll, argumentieren die Autoren der
BCG-Studie. „Wasserstoff über lange
Distanzen zu importieren ist verlust-
reich und kostenintensiv. Dafür eig-
nen sich synthetische Kraftstoffe sehr
viel eher. E-Fuels sind Stand heute
die einzige realistische Technologie,
um Sektoren wie die Schifffahrt oder
auch den Flugverkehr emissionsfrei
zu bekommen“, erklärt Klose.
Konzept in Arbeit
Ob grüner Wasserstoff jedoch für al-
les die beste Lösung ist, da ist sich
auch Christoph Jugel noch nicht si-
cher. „Vor allem in den Bereichen
Speicherung und Transport steht
Wasserstoff vor Herausforderungen“,
sagt der Leiter für den Bereich Ener-
giesysteme bei der Deutschen Ener-
gie-Agentur (dena). Wichtig sei des-
wegen, den regulatorischen Rahmen
nun so zu gestalten, „dass Wasser-
stoffanwendungen dort entstehen,
wo es sich zur Emissionsminderung
und aus ökonomischen Gründen am
meisten lohnt“.
Den Grundstein dafür hat die Bun-
desregierung schon gelegt. Das Wirt-
schaftsministerium unter Minister
Peter Altmaier (CDU) arbeitet bereits
an einem Konzept für den Einsatz
von grünem Wasserstoff in Deutsch-
land. „Gasförmige Energieträger sind
fester und langfristiger Bestandteil
der Energiewende“, heißt es in ei-
nem internen Ministeriumspapier.
Strombasierte Gase wie Wasserstoff
würden Erdgas „kontinuierlich sub-
stituieren, insbesondere nach 2030“.
Erste offizielle Eckpunkte will Altmai-
er im Oktober vorlegen.
Die industriepolitischen Effekte ei-
nes Markthochlaufs jedenfalls wären
enorm. Allein für Deutschland er-
rechnet eine Studie von Frontier Eco-
nomics und dem Institut der deut-
schen Wirtschaft (IW) Köln Wert-
schöpfungseffekte in Höhe von 27
Milliarden Euro sowie die Chance zur
Schaffung von 350 000 Arbeitsplät-
zen. „Die Konzerne, die beim Thema
Power-to-X führend sind, sitzen in
Deutschland und Europa. Das ist
wirtschaftlich eine große Chance“,
findet auch Sunfire-Co-Chef Aldag.
Dafür müsse die Politik aber nun
Bereiche unterstützen, „in denen sie
wirklich etwas bewirken kann, an-
statt die Subventionen opportunis-
tisch über den ganzen Markt zu ver-
teilen“, schreiben die Autoren der
Studie. Die Internationale Energie-
agentur (IEA) geht davon aus, dass es
allein in Europa im vergangenen Jahr
150 öffentlich geförderte Pilotprojek-
te gab, weltweit fließen jedes Jahr
700 Millionen Dollar in die Wasser-
stoffforschung.
Damit die Zukunftstechnologie
überhaupt vom Hype zur Realität
wird, muss sie jetzt erst einmal in
die nächste Phase – egal in welchem
Bereich.
Optiker
Mister Spex wird Filialist
Der einstige Onlineoptiker
sammelt 65 Millionen Euro
ein, um deutschlandweit
Läden zu eröffnen – und
macht Fielmann Konkurrenz.
Christoph Kapalschinski Hamburg
E
ine Diskussion spaltet seit ei-
nem Jahrzehnt die Optiker-
branche: Lassen sich Brillen
vernünftig online verkaufen? Die Ant-
wort, die sich abzeichnet, lautet: Jein.
Denn der stärkste deutsche Online-
optiker, Mister Spex, wird endgültig
zum Filialisten. Für das Vorhaben,
quer durch Deutschland Läden zu er-
öffnen, hat der Berliner Versender
seine bislang größte Finanzierungs-
runde abgeschlossen: 65 Millionen
Euro seien dabei zusammengekom-
men, sagte Gründer Dirk Graber.
Am Onlineshop will er festhalten,
es geht ihm um eine geschickte Ver-
knüpfung von Internet und Läden.
Die Finanzspritze hat somit das Po-
tenzial, die Branche zu verändern.
Klar wird: Reine Onlinemodelle sto-
ßen an ihre Grenzen. Um Läden er-
weitert, fordern sie jedoch mit neuer
Kraft die großen Filialisten Apollo
Optik und Fielmann heraus, die bis-
lang im Netz zögerlich agieren.
Für Mister Spex ist das eine Strate-
giewende: Nach der Gründung 2007
versuchten die Onlinepioniere neun
Jahre lang, ohne eigene Filialen aus-
zukommen. Vor drei Jahren testeten
die Berliner den ersten eigenen La-
den, inzwischen sind es elf. Jetzt soll
es schnell gehen: Noch in diesem
Jahr sollen acht weitere Filialen er-
öffnen. Ende kommenden Jahres sol-
len es schon 40 Läden in stark fre-
quentierten Lagen sein. Die Zielmar-
ke für die Jahre darauf liegt bei einer
dreistelligen Zahl.
Das Kalkül ist einfach: Die Hürde,
gänzlich ohne Beratung eine Brille mit
Sehstärke oder gar eine renditeträchti-
gere komplexere Gleitsichtbrille on-
line zu kaufen, ist für viele Menschen
hoch. Laut dem Optikerverband ZVA
wird nur jede zwölfte Brille im Netz
gekauft. Daher haben sich die großen
Wachstumserwartungen für alle On-
lineoptiker als trügerisch erwiesen.
Mister Spex hat sich daher früh mit
selbstständigen Optikern verbündet,
die Sehtestes und Anproben über-
nommen haben – und so Konkurren-
ten wie Brille24 auf Distanz gehalten.
Mit den eigenen Filialen kann das
Unternehmen seine Marke deutlich
stärker in der realen Welt verankern.
„Wir haben eine bundesweit bereits
sehr starke und bekannte Marke auf-
gebaut. Eine lokale Präsenz hebelt
den Markenwert direkt ohne große
weitere Marketing-Aufwendungen“,
sagte der 42-jährige Graber. Die Filia-
len sollen das Versandgeschäft nicht
ersetzen, sondern noch antreiben:
Neue Kunden sollen vor allem beim
Erstkauf oder bei Stärkenänderungen
in die Filiale kommen – und zwi-
schendurch immer mal wieder modi-
sche Brillen über ihr Kundenkonto
im Netz kaufen.
„Ich glaube nicht, dass wir dafür
das Filialnetz ähnlich flächendeckend
ausbauen müssen wie traditionelle
Anbieter“, sagte Graber. Marktführer
Fielmann hat allein in Deutschland
600 Niederlassungen und verkauft
nach eigener Darstellung hierzulande
jede zweite Brille. Der junge Vor-
standschef Marc Fielmann, der den
Chefposten von Vater Günther Fiel-
mann übernommen hat, will die Digi-
talisierung beschleunigen, verkauft
aber lediglich Kontaktlinsen online.
Rivalen nähern sich an
Gerade hat Fielmann groß angekün-
digt, Termine für Sehtests künftig im
Netz zu vergeben. Bislang treibt die
Hamburger Firma in ihrer Entwick-
lungsabteilung eher technische Inno-
vationen wie schnellere digitale Seh-
tests und Anproben per Augmented
Reality voran. Die Brille aus dem
Netz hält Marc Fielmann wie sein Va-
ter für ein „Zufallsprodukt“. Mit der
stationären Offensive von Mister
Spex könnte er unter Druck geraten,
diese Strategie zu ändern.
In jedem Fall nähern sich die Ge-
schäftsmodelle einander an: Der On-
lineoptiker Brille24 wurde Anfang
des Jahres an den Optikkonzern Essi-
lor-Luxottica verkauft, der vor allem
mit stationären Optikern zusammen-
arbeitet. Und Mister-Spex-Geschäfts-
führer Mirko Caspar strebt an, künf-
tig die Hälfte des Umsatzes in den Fi-
lialen zu machen. Das würde
weiteres deutliches Wachstum be-
deuten. 2018 steigerte Mister Spex
den Umsatz um 18 Prozent auf 123
Millionen Euro. Das Unternehmen
habe erstmals einen Gewinn ge-
schrieben – vor Steuern, Zinsen und
Abschreibungen, sagte Caspar. Der
Beweis, dass das Geschäftsmodell
profitabel sein kann, ist für potenziel-
le Investoren wichtig.
Durch die Finanzierungsrunde sei
das Geld für künftiges Wachstum zu-
nächst vorhanden, sagte Gründer
Graber. Ursprüngliche Pläne, Mister
Spex rasch an einen großen Bran-
chenspieler zu verkaufen oder an die
Börse zu bringen, sind vom Tisch.
Zusätzlich bekommt Graber durch
das Investment Know-how für die
Off line-Expansion: Hauptgeldgeber
ist der 82-jährige Hamburger Immo-
bilienunternehmer Albert Büll. „An-
gesichts unserer langjährigen Erfah-
rung im Bereich der gewerblichen
Immobilien werden wir das Manage-
ment bei der Expansion mit den eige-
nen Stores aktiv unterstützen“, teilte
Büll mit. Sein Unternehmen B&L ent-
wickelt Projekte wie den Kö-Bogen II
in Düsseldorf, das Hafenpark-Quar-
tier neben der EZB in Frankfurt oder
das World Trade Center Dresden.
Sein Family Office bekommt bei Mis-
ter Spex einen Platz im Beirat.
Größter Anteilseigner wird Büll mit
seinen 14 Prozent nicht: Das ist Scot-
tish Equity Partners mit 20 Prozent,
darauf folgt Goldman Sachs mit 17
Prozent. Weitere Investoren wie Gra-
zia Equity und Intershop-Gründer
Stephan Schambach ziehen bei der
Finanzierung mit. Einige Geldgeber
aus der Anfangszeit seien allerdings
ausgestiegen, sagte Graber. Sie erhal-
ten rund zehn der 65 Millionen Euro.
Mit dem Geld will Graber zudem
die Expansion nach Skandinavien be-
schleunigen. Mister Spex ist in zehn
Ländern vertreten, in denen künftig
auch Filialen denkbar sind.
Brille von Mister Spex:
Das Unternehmen will
Internet und Läden
besser verknüpfen.
Mister Spex
Wir haben
bereits eine
starke und
bekannte
Marke
aufgebaut.
Eine lokale
Präsenz
hebelt den
Markenwert
direkt ohne
große weitere
Marketing-
Aufwendungen.
Dirk Graber
Gründer Mister Spex
Die größten Augenoptiker
Nettoumsatz 2018 in Deutschland
1 125 Mio. €
732
125
87
8 Mio. €
6
58
Fielmann
Apollo Optik
Pro Optik
Optik Matt
Mister Spex
Aktivoptik Service
Eyes and more
HANDELSBLATT Quelle: ZVA
Unternehmen & Märkte
DIENSTAG, 20. AUGUST 2019, NR. 159
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