Handelsblatt - 20.08.2019

(Michael S) #1

1990 = 100 %


EU-Klimapakete 2020 und
20 30 (Sektoren ohne
Emissionshandel)

1 250

1 000

750

500

250

0

100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 %

Ehrgeizige Ziele
Treibhausgasemissionen in Deutschland nach Quellsektoren

Ausstoß in Megatonnen CO -Äquivalent


1990 2000 2010 2017 ’20 ’30 ’40 2050


HANDELSBLATT Quelle: Sachverständigenrat

Verkehr


Gewerbe, Handel, Dienstleist.


Landwirtschaft


Abfall-, Abwasserentsorgung


Private Haushalte


Zielvorgabe des Kyoto-Protokolls

Emissionshandelspflichtige
Sektoren

Energiewirtschaft


Industrie


Deutsches Energiekonzept
2010 u. Klimaschutzplan 2050

Sektoren ohne Emissionshandel


Klaus Stratmann Berlin


E


in CO 2 -Preis hat in der deutschen Wirt-
schaft mittlerweile viele Befürworter.
Eon-Chef Johannes Teyssen etwa zählt
dazu: „Schon seit Jahren fordert Eon,
dass der Ausstoß von CO 2 einen Preis
haben muss, der einen Anreiz zur Vermeidung
setzt. Ich freue mich darüber, dass es jetzt eine De-
batte darüber gibt, wie wir dies umsetzen können“,
schrieb der Eon-Chef kürzlich seinen Aktionären.
„Wir fordern eine CO 2 -Bepreisung für alle Sektoren
und eine faire Verteilung der Energiewendekos-
ten“, ergänzte er. BASF-Chef Martin Brudermüller
pflichtet ihm bei: Wo immer CO 2 entstehe, „muss
es bepreist werden – wie das im Energie- und we-
sentlichen Teilen des Industriesektors schon heute
der Fall ist“, hatte Brudermüller dem Handelsblatt
zu Wochenbeginn gesagt. „Das würde ganz andere
Anreize schaffen, um CO 2 zu vermeiden“, sagte der
Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns.
Doch die Forderung der Wirtschaft, der Emissi-
on von CO 2 über alle Sektoren einen Preis zu ge-
ben, erfolgt nicht bedingungslos. Brudermüller et-
wa appelliert, Klimaschutz und Wettbewerbsfähig-
keit miteinander zu verbinden, ansonsten werde es
„verheerend“. Gesellschaftliche Unterstützung wer-
de es nur geben, „wenn Klimaschutz nicht in Ar-
beitslosigkeit mündet“, warnt der BASF-Chef.
Wie eine CO 2 -Bepreisung gestaltet werden müsste,
die weder Jobs noch Wettbewerbsfähigkeit gefähr-
det, hat der Bundesverband der Deutschen Indus-
trie (BDI) in einem 16 Seiten umfassenden Papier
mit dem Titel „Maßstäbe einer CO 2 -Bepreisung“ zu-
sammengefasst, das dem Handelsblatt vorliegt. Das
Papier ist Ergebnis eines intensiven Abstimmungs-
prozesses mit den BDI-Mitgliedsverbänden. Allein
der Konsens innerhalb des Spitzenverbands ist be-
merkenswert: In der Energie- und Klimapolitik of-
fenbaren sich unter den BDI-Mitgliedsverbänden
mitunter erhebliche Unterschiede.

Nationale Bepreisung eine Option


Die Kernaussagen: Eine CO 2 -Bepreisung sei „kein
Allheilmittel“, heißt es in dem Papier. Sie sei kein
Instrument, „das gegenwärtig alleine in allen Berei-
chen ausreichend Investitionen anreizen kann“.
Flankierend könne eine CO 2 -Bepreisung allerdings
andere investitionsfördernde Instrumente unter-
stützen.
„Klimaschutz ist nur durch Investitionen und In-
novationen leistbar und braucht keine Verzichts-
kultur. Es geht darum, verlässliche Rahmenbedin-
gungen zu schaffen, um die notwendigen jährli-
chen Mehrinvestitionen in Milliardenhöhe wirksam
anzureizen“, sagte Holger Lösch, stellvertretender
BDI-Hauptgeschäftsführer, dem Handelsblatt.
Der Verband lehnt kurzfristig eine „nationale
oder teileuropäische Erweiterung“ des europäi-
schen Emissionshandels um die Sektoren Gebäude
und Verkehr ab. Der europäische Emissionshandel
erfasst derzeit die Sektoren Energie und Industrie
sowie den innereuropäischen Flugverkehr. Der
Wirtschaftsflügel der Union, aber auch die FDP
wollen die Sektoren Verkehr und Gebäude in das
Emissionshandelssystem einbeziehen. Aus Sicht
des BDI ist das aber allenfalls in einigen Jahren eine
Option. Der Verband warnt vor „nicht kalkulierba-
ren Risiken“ für die Unternehmen aus den Sekto-
ren, die bereits am Emissionshandel teilnehmen.
Kurzfristig sei dagegen als Instrument „eine na-
tionale Bepreisung denkbar und umsetzbar“. Rein
praktisch könnte der CO 2 -Preis beispielsweise beim
Inverkehrbringen fossiler Brennstoffe erhoben wer-
den. Nach Auffassung vieler Fachleute wäre das
leicht handhabbar. Allerdings könnten sich auch
hier Probleme ergeben. So besteht die Gefahr, dass
ein emissionshandelspflichtiges Unternehmen
beim Einkauf von Erdgas eine CO 2 -Abgabe in Rech-
nung gestellt bekommt und beim Verbrennen des
Erdgases zusätzlich Emissionszertifikate nachwei-
sen müsste. Solche Doppelbelastungen müssen
nach Überzeugung des BDI ausgeschlossen sein.
Der Verband plädiert dafür, „dass Industrieinves-
titionen und Industrieproduktion nicht durch na-
tional und europäisch bedingte Wettbewerbsver-
zerrungen verdrängt werden“. Die Einführung ei-

Begeisterung


mit Vorbehalten


Die Wirtschaft hält einen CO 2 -Preis für sinnvoll. Der BDI knüpft


das allerdings an Bedingungen. So sollen Verkehr und Gebäude


zunächst nicht in den Emissionshandel einbezogen werden. Die


Bundesregierung steht unter Handlungsdruck.


imago/STPP, Bloomberg, imago/blickwinkel

Titelthema


Industrie und Klimaschutz


DIENSTAG, 20. AUGUST 2019, NR. 159


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