Neue Zürcher Zeitung - 17.08.2019

(Barry) #1

Samstag, 17. Au gust 2019 ZÜRICH UND REGION21


Das neue Kunsthaus lässt die Hüllen fallen


David Chip perfields Erweiterungsbau präsentiert sich leichter als befürchtet un d kommuniziert mit den beiden anderen Kunsthaus-Bauten


IRÈNE TROXLER


Da stehter nunalso plötzlich, der viel-
diskutierte Kunsthaus-Neubau. Kurz
nachdem die meisten Zürcherinnen und
Zürcher aus den Sommerferien zurück-
gekehrt waren,wurden dieBauabschran-
kungen grösstenteils entfernt.Jeder kann
sich nun selbstein Bild machen von der
neusten Architektur-Ikone der Stadt.
Gross und mächtig ist derPalazzo-
artige Quader.Aber die Befürchtung der
Kritiker, dass er den Pfauen – Zürichs
Platz derKünste – ri chtiggehenderschla-
gen könnte, war unbegründet. DerArchi-
tekt David Chipperfield hat dieFassaden
klug proportioniert, und mit seinen gros-
sen Fenstern blickt der wuchtige Neubau
sogarrecht freundlich auf den Platz.
Bis heute war der Pfauen ja eigentlich
eher einVerkehrsknoten als ein Platz.
Gerahmt war er nur auf zwei Seiten:
vom Schauspielhaus und vomKunsthaus.
Dort, wo heute der Neubau stand, be-
fand sich eine undefinierte Fläche, weder
Park noch Stadt, eine Art Überbleibsel
mit zwei altenTurnhallen,provisorischen
Bauten undBäumen. So franste der Platz
auf seiner Nordseite einfach aus.
Jetzt hingegen scheinen die drei
Kunsthaus-Bauten über den Pfauen
hinweg miteinander zukommunizie-
ren. Denn Chipperfield hat sich offen-
sichtlich inspirieren lassen vom Grün-
derbau des Architekten Karl Moser
aus demJahr 1910,dessen Sandsteiner
für dieFassade übernommen hat. Und
auch der Erweiterungsbau der1950er
Jahre mit dem grossenAusstellungs-
saal spiegelt sich im neuen Quader.
Bei beidenFassaden gliedern rhythmi-
sche vertikale Strukturen das geome-
trischeVolumen und nehmen ihmso
die Schwere.


Bereits in den1960er Jahren träumte
Zürich von einem verkehrsfreien Pfauen.
Damals wollte man die drei sich kreuzen-
den Strassen tiefer legen. Das Projekt
scheiterte, weil für dieRampen mehrere
Häuser hätten weichenmüssen.Im Nach-
gang zurKunsthauserweiterung plant die
Stadt nun zwar eine Neugestaltung des
Platzes.DieVerlegungderTramhaltestel-
len weg vom Schauspielhaus und in die

Rämistrasse hinein dürfte ihn etwas ent-
schlacken. Der Pfauen wird auch künftig
ebenso sehr demVerkehr wie denKüns-
ten gehören.Auch Chipperfield hätte ihn
zwa r gerne von denAutos befreit, aber
das ist mangels alternativerVerkehrs-
routen nicht möglich.Daher entschied
man sich dafür, eine unterirdischeVer-
bindung zwischen den beidenTeilen des
Kunsthauses anzulegen.

Bis der Neubau seineTüren öffnet,
wird es noch einige Zeit dauern.Voll-
endet wird derBau laut Angaben des
Kunsthauses imWinter 2020.Im Frühjahr
2021 soll einTestbetrieb starten. Zu die-
sem Zeitpunktwerden dieKunstwerke in
die Sammlungs- und Depoträume einzie-
hen understeKunstaktionen stattfinden.
In den Normalbetrieb übergehen wird
das Kunsthaus dann Ende 2021.

Im Chipperfield-Neubau werden
französische Meister aus den Sammlun-
gen von Emil Bührle und Hubert Loo-
ser sowie der Sammlung Merzbacher ge-
zeigt. Ferner gibt esRäume fürWechsel-
ausstellungen. Ab September bietet die
BauherrschaftkostenpflichtigeFührun-
gen durch den Erweiterungsbau an.Dann
wird auch der Eingang des Hauptgebäu-
des wieder offen sein. Er musste 20 17
wegen desBaus einer unterirdischenPas-
sage zum Neubau geschlossen werden.

Die Idee eines grünen Bahndeckels gefällt nicht allen


Der frühere oberst e Stadtzür cher Heimatschützer plädiert für den Erhalt des Seebahngrabens


DOROTHEEVÖGELI


Dem Stadtzürcher Kreis 4 steht einVer-
dichtungsschub bevor. Den Auftakt bil-
det der Abbruch eines eindrücklichen
Ensembles aus den Zwischenkriegsjah-
ren: Zwei von drei weitläufigen Arbei-
tersiedlungen an der Seebahnstrasse
werden verschwinden.An ihrer Stelle
entstehen neue und höhere Blockrand-
bebauungen, die Zahl derWohnungen
steigt von 269 auf 351.Da das Quartier
bereits heute mit Grün- undFreiräumen
unterversorgt ist, besticht die Idee,den
angrenzenden Bahngraben zwischen
Hohlstrasse und Bahnhof Wiedikon
mit einem grünen Deckel zu versehen.
Treibende Kraft hinter der Neuauflage
dieses alten Projekts sind pensionierte
Stadtzürcher, darunter der Hotel-Greu-
lich-GründerThomas Brunner und der
ArchitektPeter Keller. Sie haben kürz-
lich denVerein Seebahn-Park gegründet.
Die SBB halten eine Überdeckung
für technisch machbar, eineKosten-
beteiligung ist aber ausgeschlossen. Zu
klären sei, obkommende Generationen
die Bahninfrastruktur weiter ausbauen
könnten – dieWeiterentwicklung des


Bahnangebotes dürfe nicht verhindert
werden, sagt ein Pressesprecher.Auch
die Stadtzürcher Stadträte RichardWolf,
André Odermatt undFilippo Leuten-
egger stehen demVorhaben grundsätz-
lich positiv gegenüber, schafft es doch
die Option eines 42000 Quadratme-
ter grossenParks im dichtestenTeil von
Zürich – ohneBauland zu opfern. Laut
Thomas Brunner, Präsident desVer-
eins Seebahn-Park, hält gar «eine über-
wältigendeAnzahlPolitiker» einen sol-
chenPark für eine ausgezeichnete Idee.
Dieser Meinung seien auchAnwohner,
Grundstückbesitzer, Schulen, Krippen,
Kleingewerbe undVereine.

Skeptischer Heimatschutz


Wie sich der Stadtzürcher Heimatschutz
positioniert, ist nochoffen. Man habe
sich bis jetzt noch nie mit demThema
befasst, werde es aber bald diskutieren,
sagt PräsidentinBarbaraTruog. Deren
Vorgänger MarkusFischer hataller-
dings bereits eine klare Haltung – der
Fachmann für SBB-Bauten ist alles an-
dere als erfreut. Die1927 abgeschlos-
sene Tieferlegung der Seebahn zwischen

dem Güterbahnhof und den denkmal-
geschütztenBahnhöfenWiedikon und
Enge sei aus einem Guss entstanden,
sagt der ehemalige Präsident des Stadt-
zürcher Heimatschutzes.
Dem ganzen Streckenabschnitt mit
seinen Stützmauern,Tunnels, Strassen-
brücken undPerronabgängen attestiert
Fischer einen eisenbahnhistorisch und
städtebaulichenWert von nationaler Be-
deutung. Seines Erachtens würde ein De-
ckel die «historische Lesbarkeit» zerstö-
ren, wichtige Elemente wie Brücken und
Mauern gingen verloren. Brunner sagt
dazu: «Es ist nicht an uns, zu kommen-
tieren,ob die ‹historische Lesbarkeit› des
Grabens oder dieVersorgung mit Grün-
fläche eines notorisch unterversorgten
Quartiers höher zu gewichten ist.»
Fischer führt auch städtebauliche
Überlegungen gegen das Projekt ins
Feld:Weil der vorgesehene grüne Deckel
durch sechs Querstrassen unterbrochen
würde, seien bloss «Klein-Parks» mög-
lich, wegen der parallel verlaufenden
Seebahnstrasse blieben diese isoliert.
Und: Neben einer lauten Strasse würde
man kaum verweilen wollen. Brunner
widerspricht:Dass kleinere Pocketparks

funktionierenkönnten, sei international
bewiesen.Auch Fischers düstere Pro-
gnose, der Park werdean der Kosten-
Nutzen-Rechnung scheitern, teilt Brun-
ner nicht.Die geschätzten 400 Millionen
Franken scheinen demVerein «ein fairer
Preis zu sein fürPärke in der Grösse von
mehrere n Sechseläutenplätzen» – beson-
ders in einem Quartier, das selten profi-
tiere von öffentlicherAufwertung.

Volk soll entscheiden


Wie Brunner weiter betont, ist der neu-
geschaffene Mehrwertausgleichgenau für
solche Projekte gedacht.Fischer ist skep-
tisch. Seines Erachtens müsstedie Stadt
einenPark berappen, der diesen Namen
nicht wirklich verdiene: «Richtig grosse
Bäume könnten nur imRandbereich ge-
pflanzt werden, auf dem Deckel sind nur
etwasRasen und Gehölz möglich.»
Trotz solchen Einwänden ist Brun-
ner optimistisch:«Alle involviertenPar-
teien haben uns bisher dasFeedback
gegeben: ‹Ja, es ist möglich.›» Letztlich
sei es an den Zürcherinnen und Zür-
chern, zu entscheiden, ob sie den See-
bahn-Park wollten.

Schläger stellt


sich der Polizei


FCZ-Fan, der einen Familienvater
verletzte, wieder auf freiem Fuss

jow. ·Der mutmassliche Täter, der am
Mittwochabend nach demFussballspiel
des FC Zürich gegen den FCSt. Gallen
einen 40-jährigenFamilienvater nieder-
geschlagen hatte, meldete sich am Don-
nerstag bei derPolizei, wie aus einer
Meldung der Zürcher Stadtpolizei vom
Freitag hervorgeht. In ersten Einver-
nahmen habe derJugendliche ausge-
sagt, er habe dieTat begangen,sagte
Polizeisprecher Marco Cortesi auf An-
frage. Der mutmassliche Schläger wurde
vorerst festgenommen. Die Frage nach
dem Motiv und daseffektive Geständnis
sind Gegenstand der Ermittlungen, wel-
che dieJugendanwaltschaft durchführte.
Da der mutmassliche Täter sich selbst
geste llt und vollumfänglich gestanden hat,
wurde er wieder auf freienFuss gesetzt.
Die Jugendanwaltschaft hat ein Straf-
verfahren wegen schwererKörperverlet-
zung eröffnet.Das 40-jährige Opfer wollte
beim Hardplatz mit einem Kinderwagen
und seinen beiden Kleinkindern imAlter
von 2 und 4Jahren in einen Bus einstei-
gen. Er war laut Cortesi zufällig dort und
auf dem Heimweg von einem Besuch.

Ein Problem kann der Neubaunicht beheben–der Verkehr bleibt dem Pfauen erhalten. JOËL HUNN/ NZZ

PAROLENSPIEGEL


Kanton Zürich


Steuervorlage 17
Der Kanton befindet am1.September
darüber,wie er dieFirmensteuerreform
umsetzt. Die Steuervorlage17 umfasst
eine leichte Gewinnsteuersenkung,neue
und höhere Steuerabzüge für Unterneh-
mensowieZahlungendesKantonsandie
Gemeinden, mit denen sie ihre Steuer-
ausfälle teilweise ausgleichenkönnen.
Bürgerliche und Mitte-Politiker,Wirt-
schaftsverbände, Gemeinden und Städte
sind für dieVorlage.Sie sichere denWirt-
schaftsstandortundhalteZürichkonkur-
renzfähig.LinkeundGewerkschaftenbe-
kämpfen dieVorlage. Es fehle ein sozia-
lerAusgleich,zudemreizederKantondie
neuenAbzugsmöglichkeiten zu sehr aus.
Die NZZ unterstützt dieVorlage.

Ja SVP, FDP, GLP, EVP, CVP, EDU, Handelskammer,
Gewerbeverband, Gemeindepräsidentenverband
Nein SP, GP, AL, Gewerkschaftsbund

Alle gewinnen


Massvollentlasten


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Josef Wiederkehr
Kantonsrat,Vorstand HEV
Kanton Zürich, CVP

Tiana Moser
Nationalrätin,
GLP

Yvonne Beutler
Stadträtin Winterthur,
Finanzvorsteherin SP

Regine Sauter
Nationalrätin, Direktorin Zürcher
Handelskammer,FDP

Martin Hübscher
Kantonsrat,
Fraktionspräsident SVP
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