Neue Zürcher Zeitung - 17.08.2019

(Barry) #1

48 SPORT Samstag, 17. Au gust 2019


Zur langenVerletzungspause des FCB-Stürmers


Ricky van Wolfswinkel – was ist ein Aneurysma?SEITE 46


Transferrekord imspanischenFussball –


Real Madrid ist der Verlierer des Epochenwechsels SEITE 47


Das Volksfest ist belastet


Dem Schweizer Fussba ll-Cup setzt die Sicherheitsproblem atik zu – nicht erst vor dem Final


PETERB. BIRRER


Es ist, als habe das eine nichts mit dem
anderen zu tun. Cup-Party mit dem FC
Zürich hier, Cup-Angst mit dem FC
Zürich dort.
Vor einemJahr empfing der FC
Breitenrain im Schweizer Cup den FC
Zürich. «Das warkein Problem», mel-
det der Stadtberner Quartierklub, «wir
haben dieFussballfans wie Gäste be-
handelt.» Es gab einen ZürcherFan-
marsch vom Hauptbahnhof ins Berner
Nordquartier, eine Zusatztribüne, ein
paarToi-Toi-Klos, nicht überhöhte Ein-
trittspreise, 900 Zuschauer und ein paar
Tausender Gewinn. Einige Zürcher An-
hänger hätten sogar beimVerkauf der
Grillwürste geholfen, als es dort einen
Engpass gegeben habe, heisst es im FC
Breitenrain. Die Schilderung mag auch
verklärend sein. Doch die Botschaft ist:
ruhig bleiben, durchatmen, profitieren,
keinenFan-Teufel an dieWand malen.
Am Samstagkönnte für denBasler
Quartierklub Black StarsFeststimmung
sein: Schweizer Cup. Der FC Zürich be-
ehrt den Kleinklub aus der Promotion
League. Aus Sicherheitsgründen findet
derMatch auf der Schützenmatte und
nicht auf der Sportanlage Buschweiler-
hof statt, wo die Black Stars zu Hause
sind.Jetzt lauten die Stichworte: Hoch-
sicherheitsspiel, problematischerFan-
marsch vom Hauptbahnhof ins Quar-
tier der Schützenmatte, Fluchtwege und
Sicherheitskosten von gegen 10 0000
Franken.Weil anlässlich eines Cup-
Spiels zwischen den Black Stars und
dem FCZ vor ein paarJahren ein Grill-
stand verwüstet wurde, kann nicht da-
von ausgegangen werden, dass am Sams-
tag ein paar Zürcher denBaslern beim
Grillieren helfen.PeterFaé,derSport-
chef der Black Stars, fragt sich vielmehr:
«Wer verkauft im FCZ-SektorWürste?»


Die Kantonebezahlen


Wer sich unter Amateurklubs umhört,
bekommt schnell mit,wie ambivalent die
Haltung zum Schweizer Cup ist.Willkom-
menskultur hier, Bedenken dort. Der FC
Allschwil (2. Liga) nutzt den Matchgegen
den FC Sion,indem er hinterher in einem
Festzelt 300 LeutenWalliser Spezialitäten
auftischt.«Nicht mehr ausgeben als ein-
nehmen», lautet der imFussball nichtweit
verbreitete Leitsatz des FC Allschwil. Das
Ziel ist eine schwarze Null. Als Absiche-
rung würde die Gemeinde ein allfälliges
Defizit übernehmen.
Kostentreiber im Cup sind Zusatz-
tribünen und der Sicherheitsaspekt. Die
Auflagen sind rigoros. Dadie Abgeltung
derPolizeieinsätze kantonal geregelt
wird, divergiert dieAusgangslage. Doch
meistens greifen die Behörden den
Klubs unter die Arme. DieBaslerPoli-
zei entbindet die Black Stars von Sicher-
heitskosten von 86 000 Franken. DieAS
Calcio Kreuzlingen (2. Liga interregio-
nal), die auf den FC Luzern trifft, stellt
demThurgauerRegierungsrat einen An-
trag, von den Sicherheitskosten (50 000
Franken) entlastet zu werden. Der FC
PullyFootball (2. Liga) hofft vor dem
Match gegen den FCBasel, dass ihm
Gleiches widerfährt wie dem FC Echal-
lens vor einemJahr: dass ihm dieWaadt-
länderRegierung diePolizeikosten von
fast 40 000 Franken erlässt.
Die Handhabung ist kantonal unter-
schiedlich. ImWaadtland ist dieLage in-
sofern speziell, als die Klubs nicht wis-
sen, woran sie sind – und von einem stil-
lenKostenerlass ausgehen.Vor ein paar
Jahren stotterte der FCBaden nach
einem Cup-Spiel gegen St. Gallen über
ein paarJahre seinen Anteil amPoli-
zeiaufwand ab. DieWiederholung 20 17
wurde nur deshalb möglich, weil die
Polizeiihren Einsatz staffelnkonnte.
Am gleichen Nachmittag spielte nicht


weit entferntvonBaden der FC Gräni-
chen gegen den FC Sion.
Der Sicherheitsaufwand ist ein Zank-
apfel im SchweizerFussball.Während
die Cup-Final-Städtekoordiniert vor-
gehen und dem SchweizerischenFuss-
ballverband (SFV) einen grösseren An-
teil an den steigenden Sicherheitsausga-
ben aufbürden, bezahlen in den frühen
Cup-Runden dieKantone dengrössten
Teil derRechnung. Odergleich alles.
Fussball alsVolksfest, als Service public.
Verständlich ist, wenn sichVertreter aus
dem Amateurfussball in Anbetrachtder
Prämie für die1. Cup-Hauptrunde (30 00
Franken) darüber auslassen, wo der SFV
sonst «Geld verlocht». 20 18 gingen im
Cup gegen 2 MillionenFranken an die
Klubs.Allein die WM-Prämien an Spie-
ler,Trainer und Staffbeliefen sich da-
gegen für den SFV im gleichenJahr auf
8,5 Millionen.
In Deutschland erhalten dieTeil-
nehmer der ersten Cup-Runde umge-
rechnet je 190000 Franken. DieTeams
unterer Ligenkönnen sich damit sanie-
ren oder in denBau einerTr ibüne inves-
tieren, zumal der Betrag bereits in der
zweitenRunde auf über 500 000an-
steigt. AndereWelten.
SchweizerFussball auf demLand
funktioniert nur im Zusammenschluss.
Ehrenamtliche Arbeit,lokale Sponso-
ren, TombolaundHandwerker, die dem
Klub entgegenkommen. Kreuzlingen

nahm über einen Losverkauf, mit dem
dasTr ikotsponsoring vergeben wurde,
40000 Franken ein. Die Hoffnung: ein
paarTausender in der Kasse. Der FC
Gränichen ist in derRegion stark ver-
wurzelt und hatte 20 17 gegen den FC
Sion 3200 Zuschauer und bei einem
Budget ennet der 100 000er-Grenze
20000 Franken Gewinn.«Wetterglück
und der Zuspruch des ganzen Dorfes
trugen zum Erfolg bei», sagt der Klub-
präsident SamuelKeppler. Ein Stadt-
klub wie ConcordiaBasel wird weniger
lokal getragen. Die Sponsorensucheist
schwieriger als auf demLand, der Zu-
sammenhalt weniger gross. Die Hand-
werker, die husch-husch und zum Mini-
maltarif Gitter montieren, sind in einer
Stadt und ihrer Agglomeration,wo
mehrere Klubs zu Hause sind, nicht so
schnell zur Hand wie in Gränichen.

HorrorszenarioBasel - Zürich


Doch überlagert wird das alles durch
die Sicherheitsproblematik.Wenn der
FC Zürich bei den Black Stars inBasel
spielt, setzt derVerband das Spiel des
FCBasel am Genfersee beim FC Pully
Football möglichst gleichzeitig an.Da-
zwischen liegen140 Kilometer Luftlinie.
Wenn derTr oss des FCBasel im Zug
in dieWaadtreist, werden die Anhän-
ger des Servette FC, die nach Echallens
unterwegs sind, mit Bussen transportiert.

Zu beachten ist nicht nur, wer wo spielt,
sondern auch, wer auf welchemBahn-
hof auf wen treffenkönnte.Nicht über-
all herrschenWillkommenskultur und
fröhliche Reisestimmung.Vor einem
Jahr spielteBasel in Echallens. Um den
BahnhofLausanne zu umgehen, wurden
dieFans ab demBahnhofYverdon mit
Bussen nach Echallens geleitet. Es liess
sich zunächstkein Busunternehmen fin-
den, das denTr ansport übernahm.
«DieBasel- und die Zürich-Fans be-
stimmen,was geht», sagt eine Stimme,
die mit der Cup-Organisation zu tun
hat. Nicht überall helfenFangruppen
beim Grillieren und beimWurstverkauf
aus.Der Cup-Final zwischenBasel und
Zürichkönnte eine tolleAffiche sein.
Auf demRasen,aber nicht ausserhalb.
Für den SFV ist er das Horrorszenario.

Mitarb eit: Michele Coviello

Mitten in der Stadt, nahe am Geschehen–Cup-Atmosphäre inBern bei derPartieBreitenrain gegen YB. PETER KLAUNZER/KEYSTONE

Das Cup-Spiel gegenGC ist für den FCSeefeld ein «Hosenlupf»


bir.· ImAlltag heissen die GegnerWiti-
kon, Zürich Affoltern, Horgen,Wollis-
hofen oder Unterstrass, doch am Sams-
tag ist für den FC Seefeld nicht 2. Liga
angesagt, sondern Schweizer Cup und
GC. Die Grasshoppers sind zwar inzwi-
schen nach einem beispiellosen Nieder-
gang in die Challenge League abgestie-
gen, sind aber immer noch die Grass-
hoppers. Zumal auf dem Platz Zürich.
Über dieFairplay-Tr ophy sind die See-
felder ins Cup-Tableau gerutscht.Das Los
meinte es gut: GC. Der Zweitligist erwar-
tet für das Cup-Spiel auf der Sportanlage
Lengg am Samstag (17 Uhr) 1500 Zu-
schauer. Oder mehr. Ein Drittel wird GC
zugeordnet. Die Gäste bezahlen nur 15
Franken, derweil die Einheimischen deren

35 hinblättern.Das Entgegenkommen mit
tiefen Eintrittspreisen läuft unter dem Ka-
pitelWillkommenskultur.
Der Seefeld-Präsident Marc Caprez
spricht von einer «Supersache» und
einem «Riesenanlass». Wenn dasWet -
ter mitspielt, könnteder Cup-Match
ein paar tausendFranken Gewinn ab-
werfen. Der Klubpräsident ist weit da-
von entfernt, sich zu beklagen, obschon
die GC-Anhänger in der letzten Super-
League-Saison zweimal Spielabbrü-
che provozierten.Auf dem Gebiet der
Sicherheit befürchtet Caprez nichts. Sein
Leitsatz ist: «Mit allen Beteiligten früh
reden, das hilft immer.» Die Sicherheit
auf dem Geländekostet den Klub nur
1500 Franken. Alles ausserhalb über-

nimmt die Stadtpolizei.Tr otzdenfried-
lichenAussichten sei ein solches Spiel
ein «Hosenlupf», sagt Caprez. Die Inves-
titionenvon 40 000 Franken sollten
durch Sponsoringeinnahmen und den
Ticketverkauf gedeckt sein. Allein die
Zusatztribüne für die GC-Fanskostet
15000 Franken.Dazu werden zusätz-
liche Stufen errichtet.
Caprez hat wenig Cup-Sorgen, weiss
aber, dass dies schnell ändern kann:
«DieKostenkönnen exponentiell stei-
gen.» Ohne Ehrenamtlichkeitgeht’s
nicht, «eineWochevor den Sommer-
ferien erfuhren wir, dass GCkommt.
Dableibtwenig Zeit»,sagt Caprez, «in
anderen Cup-Spielen muss man über
substanzielle Beiträgereden».

«Drohungen und


Polemiken helfen


niemandem»


Verband coacht Amateurklubs


Robert Breiter führte denRechtsdienst
des SchweizerischenFussballverbands
(SFV) undstieg im Oktober 20 18 zum
Generalsekretär auf, nachdem Alex
Miescher im Zuge der WM 20 18 zu-
rückgetreten war. Breiter arbeitet seit
vielenJahren für den SFV und ist mit
dem Cup-Dossier vertraut.

Herr Breiter, die Black Stars haben
schonvor dem Cup-Spiel gegen den
FCZ eine gesalzene Sicherheitsrechnung
von gegen100000 Frankenerhalten.
Von einerRechnung haben wirkeine
Kenntnis. Im Gegenteil, nach unseren
Informationen verzichtet der Kanton
Basel-Stadt darauf, dem FC Black Stars
Kosten für denPolizeieinsatz zu ver-
rechnen, was beiDuellen «David gegen
Goliath» gängige Praxis ist.

Die öffentliche Hand übernimmt an vie-
len Orten denAufwand für die Sicher-
heit. Was kann derFussballverband tun?
Wir stellenden Kleinklubseinen lo-
kal verankerten Coach zurVerfügung,
der in Sicherheitsbelangen mitRat und
Tat zur Seite steht, vor allem imKon-
takt mit den Behörden.Wir überneh-
men dasCoaching, nichtaber dieSicher-
heitskosten, die ohnehin kantonal unter-
schiedlich geregelt werden.

Stimmt es, dass der FCBasel weit weg
von Basel sein muss, wenn der FCZ in
Basel gegen die Black Stars spielt?
Ja. DieBehörden machen inbestimmten
KonstellationenAuflagen, wonach der
FCB möglichst gleichzeitig spielen muss
wie der FCZ. EineAuslosung mit drei

BaslerVereinen gegen Super-League-
Klubs stellt darum schon eine Heraus-
forderung dar (vgl. Haupttext, dieRed.).

Wie kann es sein, dass der FC Breitenrain
euphorischauf das Cup-Spielgegen den
FC Zürich von 2018 zurückschaut und die
Black Stars 2019 Problemzonen orten?
Fussballklubs sind unterschiedlich ver-
ankert und organisiert. Es gibt zwei
Herangehensweisen.Man kann dem
Spiel mit Enthusiasmus entgegensehen.
Oder Probleme sehen und herumpol-
tern. Drohungen undPolemiken in den
Medien helfen niemandem.

Es gibt Präsidenten von Amateurklubs,
die nicht verstehen, dass der SFV der A-
Auswahl nach der WM 2018 über 8 Mil-
lionenFranken Prämien auszahlt und
im Cup nur 2 Millionen verteilt.
Quersubvention kann längerfristig im
Fall des Schweizer Cupskeine Lösung
sein, anders als zum Beispiel in der
Nachwuchsförderung. Grundsätzlich
verteilen auch wir Geld dort, wo es er-
wirtschaftet wird.

DerVerband hat in den letztenJahren
Mühe, den Schweizer Cup zu vermark-
ten. Ist derWettbewerb in Gefahr?
Nein,er ist nicht in Gefahr, hat aber ge-
wisse Probleme, die nicht weggewischt
werdenkönnen – etwa die Sicherheits-
thematik plus der damit zusammenhän-
gendeAufwand der Amateurklubs.Eine
eigens eingesetzte Arbeitsgruppe prüft
mögliche Verbesserungen, zudem ist
eine externeAnalyse im Gang.Wir hof-
fen, ab 2020 in derVermarktung weitere
Fortschritte machen zukönnen.
Interview: bir.

«Quersubvention
kann längerfris-
tig keine Lösung
sein.»

Robert Breiter
Generalsekretär
PD Schweiz.Fussballverband

Relativ wenig Geld zu verdienen
Prämien
Schweizer Cup

Prämien
Deutscher Cup
2013/14 2019/20 2019/20
Aus in der


  1. Hauptrunde


3000 3000 190 000

Aus im Achtelfinal 15 000 12 500 13 00 000
Aus im Viertelfinal 75 000 25 000 28 00 000
Aus im Halbfinal 150 000 50 000 58 00 000
Finalisten 300 000 100 000 gesonderte
Abrechnung
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