RAUS AUS DEUTSCHLAND Walter Zadek ent
wertete 1933 dieses Zugticket: Köln-Aachen,
Hin-und Rückfahrt. Doch er fuhr gar nicht
zurück, sondern floh vor dem NS-Regime in die
Niederlande. Das Miniatur-Exponat ist Teil der
Ausstellung .. Exil. Erfahrung und Zeugnis" in der
Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt a. M.
Mein Lieblingsstück
Immer wieder fasziniert mich im
Frankfurter Deutschen Exilarchiv
1933-1945 eine kleine Zugfahrkarte.
Der blaue Mittelstreifen weist sie als
Sonntagsrückfahrkarte für die Stre
cke von Köln nach Aachen aus. Am
- April 1933 wurde die Fahrkarte
entwertet. Wendet man sie, stößt man
auf folgende Notiz: "Die Fahrkar
te in die Freiheit. Absichtlich zur
Täuschung ,Rückfahrt' gekauft. Von
Aachen mit Taxi ins Niemandsland."
Der Inhaber des Fahrausweises
war der jüdische, kritische Journalist
und Fotograf Walter Zadek. Bei einer
Razzia wurde er im März 1933 in Ber
lin zwischenzeitlich verhaftet. Kurz
nach seiner Freilassung fuhr er nach
Köln, wo er die Rückfahrkarte - zur
Tarnung- gelöst hat. Statt zurückzu
fahren, flüchtete er über die nieder
ländische Grenze und später nach Pa
lästina. Indem Zadek die kleine Pappe
beschriftet hat, sind Fluchtgeschichte
und Exponat miteinander verwoben.
Zu wissen, dass genau diese Fahrkar
te ihm die Flucht ermöglichte, hat auf
mich auch eine emotionale Wirkung.
Dr. Sylvia Asmus ist Ger
manistin und wissenschaft
liche Bibliothekarin. Sie lei
tet das Deutsche Exilarchiv
1933-1945 der Deutschen
Nationalbibliothek.
IM TV: 2000 JAHRE GESCHICHTE
.. Momente der Geschichte"
Start der zweiten Staffel, ab 17. August
samstags um 20.15 Uhr auf HISTORY
Seit dem 19. Jahrhundert wird die
berühmte Varusschlacht zwischen
Germanen und Römern als .Geburts
stunde" Deutschlands verklärt. Warum
eigentlich? Die Doku-Serie .. Momente
der Geschichte" stellt in zehn Folgen
Ereignisse und Persönlichkeiten vor,
die die deutsche Geschichte geprägt
haben - von jener Schlacht im Teuto
burger Wald (Foto) über die Krönung
Ottos des Großen bis Bismarck.
Zu Unrecht
vergessen
Konstrukteur
John Kemp Starley
(1854-1901)
aus Walthamstow
Wer ist der Erfinder des Fahrrads?
Meist fällt der Name Karl von
Drais, der 1817 eine Laufmaschine
konstruiert hat - ein Zweirad ohne
Pedale. Das moderne Fahrrad geht
aber auf den Engländer John Kemp
Starley zurück. Ende des 19. Jahr
hunderts strampeln Radfahrer vor
allem auf Hochrädern, die jedoch
eine gefährlich-wackelige Ange
legenheit sind. Starley konstruiert
1884 ein .. Sicherheitsniederrad"
mit Hinterradantrieb, das er Rover
( .. Wanderer") nennt. Das flache
Modell - zunächst als Käfer ver
spottet- bleibt ein Ladenhüter.
Den Nachfolgerstattet Starley mit
fast gleich großen Rädern aus und
setzt auf Werbung. Er engagiert
einen Radrennfahrer, der mit dem
Rover II einen Geschwindigkeits
rekord aufstellt- der Durchbruch.
Spätere Modelle haben einen
Rohrrahmen in Trapezform, bis
heute prägt dieses Design Räder.
Nach Starleys Tod produzierte Ro
ver auch Motorräder und Autos.
P.M. HISTORY -AUGUST 2019 13