zur Eroberung seiner Hauptstadt sei,
bekam er eine ebenso drastische wie
eindeutige Antwort: Mehmed ließ die
kaiserlichen Gesandten enthaupten.
In Konstantinopel breitete sich Un
tergangsstimmung aus. Von den euro
päischen Herrschern kamen nur noch
lauwarme Bekundungen der Solidari
tät. Warum sollten sie als Katholiken
diesen Halbketzern am Bosporus, die
den Papst - Gottes Stellvertreter auf
Erden - nicht als das Oberhaupt der
gesamten Christenheit anerkannten,
eigentlich helfen?
Umgekehrt saß bei den orthodoxen
Byzantinern die Abneigung gegen die
katholischen Lateiner tief, die 1204
ihre Stadt während des Vierten Kreuz
zugs gestürmt, geplündert und besetzt
hatten. Als Botschafter des Papstes die
Rückkehr zu einer gemeinsamen Kir
che zur Bedingung für Hilfe aus dem
Westen machten, soll der byzantinische
Kanzler Loukas Notaras ihnen schroff
geantwortet haben: "Es ist besser, in der
Mitte der Stadt den türkischen Turban
zu sehen als die lateinische Mitra."
V
on der Christenheit alleingelas
sen, rüsteten sich die Bewohner
Konstantinopels für den End
kampf. Fast zwei Monate lang währte
der letztendlich aussichtslose Wider
stand gegen die Sturmangriffe von
Mehmeds Truppen und das Dauerfeuer
aus den Riesenkanonen, die der Sultan
eigens für die Belagerung hatte gießen
lassen. Gegen Mittag des 29. Mai 1453
war es vorbei. Kaiser Konstantirr starb
wohl als einer der letzten Verteidiger.
Sein Leichnam wurde nie gefunden.
Mehmed zog siegreich in die Stadt
ein. Er begab sich zur Kathedrale Hagia
Sophia und betete dort zu Allah. Dann
ging er, so wird berichtet, still und
ergriffen durch den Kaiserpalast des
tausendjährigen Byzanz und fand die
passenden Worte, wie sie jeder Eroberer
von Formatangesichts der Vergänglich
keit irdischen Strebens zu finden hat.
Gebildet, wie er war, zitierte er einen
persischen Dichter: "Die Spinne webt
die Vorhänge im Palast der Cäsaren, die
Eule ruft von den Türmen die Stunden
aus." Zuvor durften seine Soldaten -
VORMARSCH Unter Süleyman
dem Prächtigen bedrohten die Os
manen erstmals auch Mitteleuropa
(Belagerung von Gran, 1543)
wie damals auch im Abendland üblich
plündern, morden und vergewaltigen.
Was war das für ein Mann, der von
Lyrik so viel verstand wie von Artillerie
und Brudermord? Der Chronist Michael
Dukas beschreibt ihn so: "Er war ein gut
aussehender Jüngling, mittelgroß, doch
von kräftigem Körperbau. Sein Antlitz
war beherrscht von einem Paar durch
dringender Augen unter gewölbten
Brauen und einer schmalen Hakenna
se, die sich über einen Mund mit vollen
roten Lippen herabbog. Sein Benehmen
war würdevoll und kühl zurückhaltend,
außer wenn er überreichlich getrunken
hatte. Aber sein Verstand, seine Energie
und seine Entschlossenheit verschaff
ten ihm Achtung."
Was der Alkohol bei Mehmed an
geblich bewirkte, hat Dukas ebenfalls
geschildert. Einmal, so schreibt der By
zantiner, schickte der Sultan bei einem
Gelage kurz nach der Einnahme der
Stadt einen Eunuchen zum schon er
wähnten Kanzler Notaras mit dem Be
fehl, er möge ihm dessenjüngsten Sohn
zubringen, einen besonders schönen
Knaben. Als Notaras dem Herrscher
diesen Wunsch verweigerte, wurden er
und seine Söhne vor den betrunkenen
Mehmed geschleppt. Der befahl ihre
Hinrichtung und ließ obendrauf ohne
ersichtlichen Grund noch weitere by
zantinische Würdenträger enthaupten.
M
ehmed sah sich nicht als Glau
benskrieger. Getrieben, das
WortAllahsund die Lehren des
Propheten in der ganzen Welt zu ver
breiten, notfalls mit Feuer und Schwert.
P.M. HISTORY -AUGUST 2019 33