Er ist klein, schmächtig- und militärisch völlig unerfahren: Trotzdem
steigt Prinz Eugen von Savoyen vom französischen Flüchtling zum
erfolgreichsten Feldherrn im Großen Türkenkrieg auf. Als die Osmanen
1683 Wien belagern, droht den Österreichischen Habsburgern noch der
Untergang. Doch Eugen wird ihr Reich schon bald zu neuer Stärke führen
Von Matthias Lohre
D
ie zweijungenMännertra
gen Frauenkleider. Eilig
besteigen sie in Paris am
Abend des 26. Juli 1683
ihre Pferde und fliehen im
Dunkel der Nacht vor dem mächtigsten
Monarchen ihrer Zeit, Frankreichs Kö
nig Ludwig XIV. Der eine Reiter heißt
Louis Armand. Dass der 22-Jährige
ausreißt, ist ein Skandal, denn er ist der
Schwiegersohn des Herrschers. Ihn be
gleitet ein unscheinbarer, wortkarger
und kleingewachsener 19-Jähriger, den
am Hof von Versailles niemand vermis
sen wird: Prinz Eugen von Savoyen.
Wütend befiehlt der König, niemand
dürfe den beiden helfen, auf das östli
che Rheinufer überzusetzen. Doch die
Reiter sind schneller als die Order. Nach
vier Tagen erreichen sie Frankfurt im
Herzen des römisch-deutschen Reichs.
Aber auch hier sind sie nicht sicher. Ein
Bevollmächtigter Ludwigs XIV. findet
die beiden Männerund stellt sie vor die
Wahl: Entweder kommen sie zurück
nach Frankreich, oder sie verlieren all
ihre Güter. Der königliche Schwie
gersohn gibt nach und kehrt um. Sein
Freund aber hat nichts zu verlieren.
So schnell er kann, reitet er weiter:
Sein Ziel ist Ludwigs größter Rivale, der
Kaiser. Prinz Eugens Plan ist riskant, ja
tollkühn. Zudem rinnt ihm die Zeit da
von: Die Türken belagern Wien. Fällt
die Kaiserstadt, endet nicht nur der
Traum dieses jungen Mannes von ei-
nem Leben als ehrenvoller Kriegsheld.
Es wäre wohl auch der Anfang vom
Ende des christlichen Europas.
Der Prinz reitet nach Passau, wohin
sich Kaiser Leopold I. und sein Hof vor
den Osmanen zurückgezogen haben.
War Eugens Flucht ein Fehler? Endlich,
am 14. August 1683, wird dem Jüngling
eine Audienz beim Kaiser des Heiligen
Römischen Reichs Deutscher Nation
gewährt. Dabei trägt er vermutlich die
selben Kleider, mit denen er vor weni
gen Wochen Ludwig XIV. beeindrucken
wollte: Sein schwarzes Haar verbirgt er
unter einer Perücke. Durch hohe Absät
ze will er größer erscheinen, als er ist.
Und indem er betont selbstsicher auf
tritt, versucht er, von seiner geradezu
P.M. HISTORY-AUGUST 2019 47