seinen Erzfeind Ludwig XIV. verärgert:
umso besser. Denn ausgerechnet der
Herr von Versailles, der sich "Seine al
lerchristlichste Majestät" nennen lässt,
hat den Sultan zum Feldzug ermuntert,
um dadurch den Kaiser zu schwächen!
Und so nimmt der bedrängte Kai
ser Prinz Eugen in seine Dienste auf.
Wenn auch nicht als Kommandeur,
sondern nur als eine Art Lehrling beim
Oberbefehlshaber der habsburgischen
Truppen, Herzog Kar! von Lothringen.
Damit ist Eugen gerettet. Zumindest
vorerst. Sofort reitet er 270 Kilometer
weiter, Richtung Wien zum Kahlen
berg, einer Anhöhe nördlich der Stadt.
Hier hat sich endlich das Entsatz
heer versammelt, das den Kampf mit
den Osmanen aufnehmen und Wien be
freien soll, darunter sind auch Fußsol-
datenund Reiter des polnischen Königs
Jan III. Sobieski.
Am Morgen des 12. September 1683
sind die rund 80 000 Österreicher,
Sachsen, Bayern, Badener, Venezianer
und Polen bereit zum Angriff. Zwischen
ihnen und der eingeschlossenen Stadt
rüsten sich etwa 100 000 Krieger in os
manischen Diensten zum entscheiden
den Gefecht. Die Schlacht um Europas
Zukunft beginnt.
D
ie christlichen Truppen stürmen
den waldigen Abhang hinab auf
die Belagerer zu. Unter ihnen ist
auch Herzog Kar! von Lothringen. Gut
möglich, dass Prinz Eugen seinem neu
en Herren ins Gemetzel folgt. Wo gerrau
er in dem Kampfgetümmel steckt, hat
kein Chronist festgehalten. Seine Rolle
ist zu unwichtig- noch.
Die Angreifer haben Glück. Der os
manische Heerführer lässt seine Män
ner nicht geballt gegen sie anrennen,
sondern lässt einige Tausend in den
Belagerungsgräben, die die Türken vor
kende Vormarsch der Osmanen auf dem
Balkan ist gestoppt. Mehr noch: Von
der Beinahe-Eroberung Wiens erschüt
tert, unterstützen nun etliche europäi
sche Fürsten die Kaiser aus dem Hause
Habsburg - und die gehen schon bald
zur Gegenoffensive über. So läutet die
misslungene Belagerung den Großen
Türkenkrieg ein, der 16 Jahre andau
ern soll. "Herunter mit dem Mond auf
Erden! Der Adler soll erhöhet werden!"
lautet der Wahlspruch der Kaiserlichen.
Der geniale Heerführer, der ihnen in
diesem großen Ringen eine Serie kaum
für möglich gehaltener Siege bescheren
wird, ist der schmächtige, unauffällige,
militärisch unausgebildete Prinz Eugen
von Savoyen.
Was der junge Mann in der Schlacht
um Wien gelernt hat, prägt sein ganzes
Leben. Immer wieder wird er die zeit
genössischen Regeln der Kriegsführung
brechen: Er greift zahlenmäßig über
legene Gegner überraschend an und
stürzt sich an vorderster Front selbst ins
Gefecht. Damit ist er so erfolgreich, dass
Prinz Eugen ist nicht nur der
beste General der Habsburger,
er gilt auch als heimlicher Kaiser
der Stadt angelegt haben. So verliert er
seinen größten Vorteil: seine Überzahl.
Über Stunden wogen die Gefechte hin
und her. Bis schließlich am Nachmittag
die Elitetruppen des polnischen Königs,
die Husaren, vom Kahlenberg hinabrei
ten und sich gegen alle Widerstände bis
ins osmanische Lager durchkämpfen.
Als die belagerten Wiener das se
hen, gehen auch sie zur Attacke über.
Unter den Osmanen, die sich nun plötz
lich von zwei Seiten bestürmt sehen,
bricht Panik aus. Wer kann, flieht. Am
frühen Abend ist die Schlacht am Kah
lenberg zugunsten der deutsch-polni
schen Truppen entschieden. Die tödli
che Bedrohung Wiens ist vorüber.
Dieser Tag ändert den Lauf der euro
päischen Geschichte entscheidend. Der
über Jahrhunderte unaufhaltsam wir-
allein das Gerücht, Prinz Eugen befeh
lige Truppen, seine Gegner einschüch
tert. Im Dienste dreier Habsburger wird
er gewaltigen Reichtum anhäufen und
prächtige Paläste errichten lassen. Über
Jahrzehnte gilt er als heimlicher Kaiser,
der in Wien die Macht in Händen hält.
Doch bis dahin ist es ein langer Weg.
Zunächst erhält der gerade 20-Jährige,
was er sich erhofft hat: Er übernimmt
als Oberst das Regiment seines getö
teten Bruders. Prinz Eugen muss sich
verschulden, um seine Reiter ausrüsten
zu können. Angeblich bleibt ihm dabei
kein Geld mehr für die eigene Kleidung,
weshalb der schmächtige Mann einen
schlichten braunen Rock trägt. Seine
Männer spotten über ihren "kleinen Ka
puziner". Sie werden ihn schon bald zu
schätzen lernen.
P.M. HISTORY-AUGUST 2019 51