P.M. History - 08.2019

(Tina Meador) #1
Trompeten und Pauken das Kampfge­
töse zu übertönen suchen. Sie sind die
Repräsentationsensembles der Sulta­
ne und Wesire, die in Europa nach der
Elitetruppe der osmanischen Armee
"Janitscharenkapellen" heißen. Viele
Fürsten heuern nun, passend zu den er­
beuteten türkischen Zelten und Waffen,
ihre eigenen türkischen Kapellen an.
Komponisten wie Lully und Hän­
del machen den Schlachtenlärm zur
Unterhaltungsmusik. Sie vertonen Ge­
schichten mit orientalischen Motiven
und nehmen dafür die Becken und
Trommeln der Janitscharenkapellen in
ihre Orchester auf. Mozart haut für sein
Rondo Alla Turca in die Klaviertasten
und lässt die Töne flirren, um das Dröh­
nen der Pauken und Schmettern der Be­
cken zu imitieren. 1782 macht ihn sein
Singspiel "Die Entführung aus dem Se­
rail" in Wien zum Star.

D


en Nüchternen ist die Türken­
manie ein Gräuel. Friedrich Il.
von Preußen höhnt: "Datteln es­
sen gehört zum guten Ton in Berlin, und
die Gecken pflanzen sich einen Turban
aufs Haupt." Ihn interessiert nicht der
Schauwert, sondern die Schlagkraft
muslimischer Kämpfer. Ab 1741 rekru­
tiert er mehrere Hundert Tataren. Die
Bezeichnung Ulan für Lanzenreiter
lässt sich wohl auf das türkisch-tatari­
sche Wort oglan Uunger Mann) zurück­
führen. Die meisten stationiert der Kö­
nig im dünn besiedelten Osten.
Das Verhältnis zwischen den Ein­
heimischen und den anderen ist nicht
immer einfach. Zwar holt man sich
türkische Accessoires ins Haus, auf die
lebenden Exponate aber schauen viele
mit Argwohn. Über Mehmet von Kö­
nigstreus Nähe zum Monarchen wird
gemurrt. Und die Schwester der Grä­
fin von Königsmarck schimpft über
Fatima, "das lüderliche Thier". Sofern
sie der Macht nicht zu nahe kommen,
werden die Neuen vielfach herzlich auf­
genommen. "Die Türken" bleiben sie
häufig doch. Freifrau Maria Anna von
Berndorff bedenkt in ihrem Testament
ihr "dürcken Mariändl", und in der
Oberlausitz erinnert 1720 ein Nachruf
an das "Türckenchristel".


Die meisten der Verschleppten ha­
ben keine so prominente Vita wie Fati­
ma oder Mehmet von Königstreu. Sie
werden Bäcker, Knecht, Schuster. Ein
Hussin wird Branntweinbrenner, ein
Yussuf gar Pfarrer. Manchen mag zu­
weilen das Heimweh packen. Über eine
Sophia Georgina Meriman wird später
berichtet: "Gewöhnlich fand man sie
aufPolstern sitzen, welche auf den Fuß­
boden gelegt waren, vielleicht war dies
als eine Gewohnheit aus ihrer Kindheit
anzusehen."
Bei den Nachkommen der "Beu­
tetürken" verblasst die Exotik. Ludwig
Maximilian Mehmet hat 1706 eine rei­
che Bürgertochter geheiratet. Einer sei­
ner Söhne gründet die erste Freimau­
rerloge von Hannover. Und ein Sohn

Fatimas bringt es zum Oberbefehlsha­
ber des sächsischen Heeres.
Im 19. Jahrhundert ebbt schließ­
lich auch die Turkophilie ab. Doch der
frühe Kontakt zwischen Ost und West
hat Spuren hinterlassen. Nicht nur in
Taufregistern und Lustgärten, auch
im Nachmittagskaffee, im Klang von
Becken und Pauken, vor allem aber
in Familiennamen wie Aly, Morath,
Ossmann. Die anderen sind nicht ver­
schwunden, sie sind noch immer sicht­
bar. Nur fremd sind sie nicht mehr. •

Svenja Muche war erstaunt,
wie begeistert die Europäer die
osmanische Kultur aufgenom­
men haben - oder zumindest
das, was sie dafür hielten.

P.M. HISTORY -AUGUST 2019 61
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