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500 Jahre lang rangen die Europäer mit den Türken. Wie sahen sie ihre
Rivalen? Was trieb den Konflikt? Und hat er ein Erbe in unseren Köpfe n
hinterlassen? Ein Gespräch mit dem Islamwissenschaftler Felix Konrad
Von Joachim Teigenbüseher
Ab dem 15. Jahrhundert drangen die
Osmanen nach Buropa vor. Wie hat
die abendländische Christenheit die
se neue Bedrohung wahrgenommen?
Nach dem Verlust von Konstantinopel
im Jahr 1453 war man zunächst einmal
geschockt. Immerhin galt die Stadt
als zweites Rom. Der Papst rief sogar
zu einem Kreuzzug auf, der allerdings
nicht zustande kam. Eine tiefgreifende
re Konsequenz war, dass der Islam nun
auf andere Weise als Feindbild konstru
iert wurde als noch im Mittelalter.
Hat man den türkischen Vo rmarsch
auch als Strafe Gottes begriffen?
Ja, vor allem in der Zeit der Reforma
tion wurde die osmanische Expansion
so gedeutet- unter anderem von Mar
tin Luther. Er war überzeugt, dass Gott
die Menschen züchtigte, weil die katho
lische Kirche nicht mehr die wahre Leh
re vertrat und die Gläubigen nicht mehr
wirklich christlich lebten. Die Türken
waren also eine Geißel Gottes.
Eine finstere Weitsicht.
Ja, aber nicht nur. Denn diese Lesart
ließ auch eine Möglichkeit zur Läute-
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rung offen. Die Christen konnten sich
ja angesichtsder türkischen Gefahr auf
den rechten Weg zurückbesinnen. Den
Weg der Reformation.
Konflikte zwischen Christen und
Muslimen hatte es schon vorher gege
ben. Warum prägten die Türkenkrie
ge dennoch ein neues Islambild?
Natürlich wurden die Muslime schon
im Mittelalter als Gegenbild der Chris-
EXPERTE Der Historiker und
Islamwissenschaftler Dr. Felix Kon
rad forscht an der Universität Bern
ten betrachtet, als Heiden, ja sogar als
Feinde Gottes. Der wesentliche Unter
schied in der Frühen Neuzeit war aber,
dass sie in dieser Zeit tatsächlich zu
einer echten militärischen Bedrohung
für die europäischen Reiche wurden.
Während der Kreuzzüge zwischen
dem 11. und 13. Jahrhundertwar das
nicht der Fall gewesen. Damals hatten
ja die Kreuzritter expandiert und den
Krieg in die Fremde getragen. Jetzt
aber waren Italien und Mitteleuropa
direkt bedroht. Man fühlte sich nicht
mehr stark oder überlegen wie früher,
sondern unterlegen, gefährdet.
Was hatte dies zur Folge?
Das Bild des Islam verschob sich. Im
Abendland sah man diese Religionjetzt
vor allem als dunkle, aggressive Macht.
Dazu passen auch die Gräuelge
schichten, die damals zuhaufverbrei
tet wurden. Waren die Osmanen denn
überhaupt besonders grausam?
Nun, die Kriege der Frühen Neuzeit
waren allesamt fürchterlich. Und die
Türken waren bestimmt nicht brutaler
als andere Heere. Die Ermordung oder