P.M. History - 08.2019

(Tina Meador) #1

D


ie Brautfamilie zürnt: Na­
türlich hatte sie gewusst,
dass der römisch-deutsche
König Friedrich III., ange­
hender Herrscher des Hei­
ligen Römischen Reiches, keine beson­
ders gute Partie für ihre Erstgeborene,
Eleonore von Portugal, ist. Sein Reich­
tum: eher bescheiden fü r einen Kaiser.
Sein Charakter: zaudernd. Seine Re­
gentschaft wird sich durch wenig mehr
als die Tatsache auszeichnen, dass sie
lang war, 53 Jahre, von 1440 bis 1493.
Zudem gilt Friedrich III. seit jeher als
Kauz, verschlossen und verkopft.
Aber wirklich erschüttert ist die
Familie der Gattin erst durch dieses
seltsame Verhalten: Friedrich weigert
sich nach der Trauung im August 1451,
die Ehe körperlich zu vollziehen. Nicht
aus Scham oder Abscheu, sondern auf
Anraten seines Astrologen. Der Herr­
scher ist überzeugt, ja, besessen von
der Idee, dass kosmische Vorgänge das
irdische Leben beeinflussen. Nur was
unter einem guten Stern stehe, könne
auch gelingen. Von der Kriegsstrategie
bis hin zum ehelichen Beischlaf, der in


ASTRONOMIE Die Ringsonnenuhr
zeigt die Zeit, Tierkreise und die Po­
sition von 25 Sternen an (um 1600)

Zeiten von Heiratspolitik ein fast öf­
fentlicher Akt ist: In vielen Lebensbe­
reichen folgt Friedrich den Ratschlägen
seines höfischen Sterndeuters, zu jener
Zeit wohl Georg von Peuerbach. Lieber
stellt sich der Herrscher gegen seine
Schwiegerfamilie als gegen die so hoch­
geschätzten Astrologen.

Friedrichs Verhalten mag unge­
wöhnlich erscheinen -und ist doch ty­
pisch für seine Zeit. Im späten 15. und


  1. Jahrhundert wird es Mode, sich as­
    trologisch beraten zu lassen. Weltliche
    Herrscher, allen voran Friedrich III.,
    doch auch hohe Kirchenleute beschäf­
    tigen eigene Sternenkundler, die das
    Künftige ergründen sollen.
    Die Astrologen ermitteln günstige
    Zeitpunkte für medizinische Thera­
    pien, für politische Verhandlungen,
    für die Gründung von Städten. Sie pro­
    gnostizieren das Wetter und die Preis­
    entwicklung von Rohstoffen, sie sagen
    ganze Jahresläufe voraus. Mitunter
    auch die Lebensläufe etwa verfeindeter
    Herrscher, um Kriegslisten auszuhe­
    cken oder um diese einzuschüchtern.
    Ihre Weissagungen, die teilweise
    gar für das interessierte Publikum
    veröffentlicht werden, unterfüttern
    die Gelehrten mit hoch komplizierten
    Rechnungen. Die Sterndeuter sind kei­
    ne Scharlatane, keine randständigen
    Spinner, für die man sie heute hält.
    Es sind Experten - geschätzt und ge­
    fragt wie Finanz-und Politanalysten in


P.M. HISTORY -AUGUST 2019 77
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