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ie Sterndeuter machen günsti
ge oder gefährliche Zeitpunkte
vor allem dann aus, wenn es zu
"Konjunktionen" am Himmel kommt -
wenn zwei Himmelskörper von der
Erde aus betrachtet am seihen Ort
stehen und quasi verschmelzen. Da
Friedrich III. seine Ehe zur rechten
Zeit vollziehen will, konsultiert er
früh im Jahr 1451 seinen Astrolo
gen. Der rät ihm, die Konjunktion
von Venus und Sonne abzupas
sen-weil die Venus als der Liebes
planet gilt und die Sonne seiner
Meinung nach alles Gute verstärke.
Für den Geschlechtsverkehr, so ha
ben Experten später berechnet, kä
men daher nur zwei Daten infrage: der
- Januar sowie der 6. November 1452.
Rechtlich werden Friedrich und
Eleonore am 1. August 1451 in Lissabon
verheiratet-in Abwesenheit Friedrichs.
Der erwartet seine Gattin im Januar
1452 in Rom, wo er zum Kaiser gekrönt
werden soll. Doch bei der Überfahrt
gerät das Schiff in ein Unwetter, sodass
Eleonore erst am 2. Februar 1452 Ita
lien erreicht - als der ideale Zeitpunkt
für den ersten Sex längst vorüber ist.
Und so hält Friedrich seine Frau und
dessen Familie hin, Woche für Woche
bis er dem Druck der Schwiegereltern
nicht mehr standhalten kann: Sie dro
hen, die Ehe annullieren zu lassen,
wenn Friedrich sich nicht schleunigst
auch körperlich mit Eleonore vereint.
Zeit seines Lebens wird der Kaiser mit
der Entscheidung hadern, dem Druck
nachgegeben zu haben. Dass ihr Erst
geborener stirbt, bestätigt ihn nur in
seiner Überzeugung, den Ratschlüssen
der Astrologen besser nicht zuwider
zuhandeln.
Friedrich verfolgt die Geschehnisse
am Firmament nun umso intensiver,
zieht sich tage-, manchmal wochen
lang zurück, um eigene Berechnungen
anzustellen, ruft die Astrologen herbei,
die ihn bei seinen Analysen unterstüt
zen und unterrichten sollen. Mehrfach
lässt er sich etwa das Leben seines ein
zig überlebenden Sohnes Maximilian
prognostizieren, den er - aufgrund ei
nes Sprachfehlers - für dumm und un
tauglich für alle Herrscherämter hält.
Astrolabium
Auf dem .Sternhöhenmesser"
sind Horizont, Himmelskörper
und die Jahresbahn der Sonne
abgetragen. Im Zusammenspiel
mit Datum und Uhrzeit können
Kundige mit dem Instrument
Himmelsrichtungen und die
Position von Sternen oder
Sternbildern bestimmen.
Durch harte Erziehung versucht er den
Thronfolger, dessen Eintritt ins Leben
ebenfalls unter schlechten kosmischen
Vorzeichen begann, zu "korrigieren".
Selbst Treffen mit anderen Mächti
gen beraumt er nur noch an, wenn die
Sterne günstig stehen. Als er sich 1473
auf den Weg macht, in Trier Herzog Kar!
den Kühnen von Burgund zu treffen,
zwingt er die Kutscher auf halber Stre
cke, das Tempo zu verlangsamen. Fried
rich will -auf die Stunde genau - den
Vorgaben seiner Sterndeuter folgen.
Natürlich lagen die Astro-Ana
lysten der damaligen Zeit mit vielen
Prognosen krachend daneben. Kom
plex und unvorhersehbar waren die
Zeitläufe auch schon damals. Doch die
Experten hatten kaum Konsequenzen
zu fürchten. Denn viele Sterndeuter
Astrologie
formulierten ihre Weissagungen sehr
vage -je renommierter sie waren, des
to schwammiger prognostizierten sie.
Sie hatten ja einen Ruf zu verlieren.
Irgendwie trafen ihre Prognosen da
rum immer zu. Stellte sich eine as
trologische Vorhersage als völlig
falsch heraus, so argumentierten
sie doch wieder religiös: Gott
habe wohl von seiner Möglich
keit Gebrauch gemacht, den
Lauf der Dinge noch einmal zu
verändern.
H
eute lächeln wir über
die Tricks der mittel
alterlichen Astrologen,
deren Erforschung der Bochu
mer Historiker Klaus Oschema be-
treibt. Dabei gibt es ähnliche Mecha
nismen bis heute, wie er sagt: Wir hören
uns Vorhersagen von Wirtschafts-und
Finanzexperten an, messen ihnen Be
deutung zu, auch wenn sich viele ih
rer mit Rechenmethoden gewonnenen
Weissagungen als falsch herausgestellt
haben. Offenbar haben Menschen ein
natürliches Bedürfnis, das Leben mit
einem überschaubaren Gerüst kausa
ler Zusammenhänge zu erklären - und
damit für beherrschbarer zu halten, als
es vielleicht ist.
Mit Beginn der Aufklärung zwei
felten die Menschen zumindest an der
Sterndeuterei immer häufiger. Die As
trologie wurde von der Astronomie
abgekoppelt und zunehmend als un
wissenschaftlich angesehen. So ver
schwanden die Sterndeuter von den
Höfen. Friedrich III. scharte bis zu sei
nem Tod Astrologen um sich. Einer soll
ihm ein schreckliches Ende vorausge
sagt haben. Und wirklich: 1493 starb
Friedrich III., fast 80-jährig, an den
Folgen einer Beinamputation, die unter
damaligen Bedingungen ohne Narkose
durchgeführt wurde und dementspre
chend schrecklich gewesen sein dürfte.
Hier hatten die Sterne wohl recht. •
Katharina von Ruschkowski
kann die Sterne von zu Hau
se gut beobachten: Sie lebt
relativ stadtfern auf einem
Bauernhof in Niedersachsen.
P.M. HISTORY - AUGUST 2019 79