P.M. History - 08.2019

(Tina Meador) #1
wurden goldene Obstmesser genom­
men.(. .. )
In der Frühe um 6 Uhr erhielt der
Pfleger Mauder vom König den Befehl,
beim Waschen behilflich zu sein. Er liess
sich dann von ebendemselben frottiren
und ankleiden. (. .. ) Um 11 Uhr wurde
Gudden zum Spaziergang befohlen und
ging denn bis 12 Uhr 15 mit dem König
im Park spazieren. Pfleger Hacker folgte

Entfernung nachfolgen. Diese Absicht
wurde vereitelt durch einen direkten
Befehl, den Gudden dem Pfleger Mau­
der gab. (. .. ) Um 6 Uhr 25 wurde also
der Spaziergang angetreten. Obwohl es
leider regnete, liess der König den Re­
genschirm zumachen. Vor dem Wegge­
hen hatte Gudden geäussert, er würde
bis 8 Uhr zurück sein. ( ... ) Ich schrieb in
meinem Zimmer noch etwas bis l/2 8

Der König stiess nur ein kurzes


"Ach" aus und sagte dann immer


wieder: "]a, was wollen sie denn?"


in grösserer Entfernung. (. .. ) Beim Mit­
tagessen nun erzählte Gudden von dem
Morgenspaziergang und erklärte, der
König sei wie ein Kind, es sei schwer,
ihm immer wieder auf die gleichen Fra­
gen Antwort zu geben. (. .. )
Nun ging ich in's Schloss zurück und
war in meinem Zimmer mit Schreiben
beschäftigt, als ich durch Guddens Ein­
tritt darin unterbrochen wurde. Er woll­
te bei mir den Befehl zum Abendspa­
ziergang (. .. ) abwarten. (. .. ) Als Pfleger
Mauder mit dem erwarteten Befehl
kam, ging Gudden in's Zimmer des Kö­
nigs. Ich hielt es doch für besser, wenn
der Spaziergang nicht ohne Aufsicht vor
sich ging, und gab deshalb den Auftrag,
Pfleger Schneller sollte in bescheidener


und ging dann in den Cavalierbau, um
dort Guddens Rückkehr, die ich jeden
Augenblick vermutete, zu erwarten.
(. .. ) Als um 8 Uhr von Gudden noch
nichts zu sehen war, ging ich ins Schloss
zurück und schickte erst einen Gens­
darmen und kurz darauf zwei weitere
in den Park mit dem Auftrag, sie sollten
nach den beiden sehen. Ich selbst blieb
vorläufig am Eingange des Schlosses
stehen und organisirte (. .. ) eine Durch­
suchung des ganzen Parkes. (. .. )
Um 10 Uhr 30 entstand plötzlich ein
wirrer Lärm, ein Schlossdiener brachte
den Hut des Königs mit der Diamant­
agraffe, den er am Ufer des Sees ge­
funden hatte. Der Hut war vollständig
durchnässt. Nach wenigen Minuten

UNGEKLÄRTES
DRAMA
Ein missglückter
Fluchtversuch?
Mord? Selbstmord?
1886 wurden die
Leichen von Lud­
wig II. und seinem
Arzt Bernhard
von Gudden im
Starnberger See
(damals Würmsee)
gefunden

wurde mir gemeldet, man hätte den
Hut Guddens und die beiden Röcke des
Königs gleichfalls durchnässt am Ufer
gefunden. (. .. )
Nun lief ich mit dem Schlossver­
walter Huber hinunter an den See, wir
weckten einen Fischer, bestiegen ein
Boot. (. .. ) Wir waren noch nicht lange
auf dem Wasser, da stiess Huber plötz­
lich einen Schrei aus und sprang ins
Wasser (. .. ); er umklammerte einen
Körper, der auf dem Wasser daher­
schwamm, es war der König in Hemds­
ärmeln; ein paar Schritte hinterdrein
kam es zweiter Körper - Gudden. Ich
zog ihn an's Boot, und dann ruderte der
Fischer gegen das Ufer zu. Dort spran­
gen uns einige der Pfleger zu, und mit
diesen hoben wir die beiden Körper ins
Boot. (. .. ) die Todtenstarre war schon
eingetreten. (. .. ) Wir machten nun,
nachdem wir rasch die Kleider geöff­
net hatten, die üblichen Wiederbele­
bungsversuche. (. .. ) Als es in Starnberg
12 Uhr schlug, erklärte ich weitere Ver­
suche für nutzlos und konstatirte dann
offiziell den Tod des Königs und seines
Arztes. <<

Bis heute gibt der Tod von Ludwig II. und
Bernhard von Gudden Rätsel auf. Die
offizielle Erklärung von 1886: Der König
habe erst seinen Arzt ertränkt und dann
Selbstmord begangen. Daneben halten
sich zahlreiche andere Theorien: etwa,
dass Ludwig einem Mordanschlag zum
Opfer gefallen sei.

P.M. HISTORY -AUGUST 2019 81
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