Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

SEITE 18·MONTAG, 5. AUGUST 2019·NR. 179 Briefe an die Herausgeber FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Immermehr große Krankenhäuser wol-
len Universitätskliniken werden und Me-
diziner ausbilden. Damit würden die öf-
fentlichen Haushalte belastet, schreiben
die Autoren des Artikels „Ein ehrenwer-
tes Haus“ Kim Björn Becker und Rüdiger
Soldt (F.A.Z. vom 6. Juli), ohne ange-
sichts der seit 1992 deutlich gestiegenen
Ärztezahlen einen Bedarf an mehr Medi-
zinern zu erkennen, da es sich überwie-
gend um ein regionales Verteilungs-
problem handele.
Drei Argumente kommen bei der Analy-
se zu kurz: 1. Die Alterung der Bevölke-
rung führt zu höheren Bedarfen. 2. Das
Auswahlverfahren mittels Abiturnote be-
günstigt weibliche Aspiranten, deren be-
ruflicher Einsatz mit den Aufgaben als
Mutter kollidieren (Auszeiten bei Schwan-
gerschaft und Kindererziehung). 3. Das
Arbeitszeitvolumen kann nicht an „Stück“
Ärzten festgemacht werden, wenn der Ar-
beitseinsatz bei den alten Ärzten mit fast
46 Wochenstunden ersetzt wird durch gut
23 Stunden durchschnittlicher Arbeitszeit
bei den Jungärzten (Weiterbildung, Sabba-
tical und so weiter). So bestätigte mir der
Präsident der Landesärztekammer Sach-
sen die Kalkulationen von NRW-Sozialmi-


nister Laumann, für einen ausscheiden-
den Arzt etwa 2,2 Mediziner ausbilden zu
müssen.
Und es geht auch um die regionale Ver-
teilung: Die Menschen im ländlichen
Raum haben die gleichen Beiträge ge-
zahlt und die gleichen Ansprüche an eine
Gesundheitsversorgung wie die Men-
schen in den großen Städten. Ohnehin
belasten sie das Gesundheitssystem weni-
ger, gehen doch Städter, wohl wegen der
attraktiveren Versorgung, 1,2-fach so
häufig zum Arzt (Untersuchung NRW,
Minister Laumann).
In Chemnitz (250 000 Einwohner) wird
ab dem Wintersemester 2020/21 ein sehr
praxisbezogener Modellstudiengang Medi-
zin für 50 Studenten pro Jahrgang einge-
richtet. Dabei arbeitet Deutschlands größ-
tes kommunales Klinikum (welches übri-
gens kostendeckend wirtschaftet) als Ma-
ximalversorger und akademisches Lehr-
krankenhaus zusammen mit der Universi-
tätsklinik an der TU Dresden, die hier ei-
nen eigenständigen Satelliten-Campus ein-
richtet. Das ist eine sächsische Lösung für
die notwendige dezentrale und erweiterte
Medizinerausbildung.
PETER PATT, MITGLIED DES SÄCHSISCHEN
LANDTAGS, CHEMNITZ

Zu den Angriffen auf Demonstranten am



  1. Juli in Hongkong: Als ein in Deutsch-
    land studierender Hongkonger haben
    mich die Bilder vom Sonntag, dem 21.
    Juli, aus Hongkong zutiefst entsetzt und
    schockiert. Zu sehen, wie ein bewaffne-
    ter Mob auf wehrlose Leute in der
    U-Bahn einschlug, war für mich und si-
    cherlich für alle Hongkonger sehr verstö-
    rend. Hongkong galt lange als eine der si-
    chersten Städte der Welt, aber dieser An-
    griff hat diesen Ruf stark beschädigt.
    Dass ein bewaffneter Mob eine Nacht
    lang quasi ungehindert durch einen Stadt-
    teil zog und Leute terrorisieren durfte,
    darf nirgendwo passieren!
    Es war der schwärzeste Tag seit lan-
    gem in Hongkong, denn wir sahen, wie
    ein gewaltbereiter und bewaffneter Mob
    das Gesetz selbst in die Hand genommen
    hat. Wir sahen einen klaren (und geplan-
    ten) Einschüchterungsversuch, dessen
    Ziel war, denen Angst einzujagen, die
    seit Wochen gegen die Regierung in
    Hongkong und China demonstrieren.
    Zwar kann man nicht genau feststellen,
    wer diese Kriminellen sind, dennoch
    kann man vermuten, dass sie von den
    „Triaden“ kommen, Mafiabanden, die
    schon länger der Pekinger und der Hong-
    konger Regierung wohlgesinnt sind.
    Schandhaft war auch die Reaktion der Po-
    lizei am jenen Abend, denn diese er-
    schien erst 35 Minuten nach dem ersten
    Notruf, obwohl man einige Tage davor
    schon Informationen bekommen hatte,
    die vor einem Angriff warnten. Durch
    ihre Untätigkeit hat die Polizei die Betrof-
    fenen in der U-Bahn-Station im Stich ge-
    lassen. Es schien, als hätte sie ihre
    Pflicht und Verantwortung vergessen,
    um sich für vorherige Konfrontationen


mit Demonstranten zu revanchieren,
oder um nicht den Triaden im Weg zu ste-
hen.
Die größte Schuld liegt aber bei der
Hongkonger Regierung, die die ganze Ge-
schichte angefangen hat. In den letzten
Wochen wirkte sie emotionslos und ohne
Verständnis für die Bevölkerung in Hong-
kong. Sie bevorzugte es, die Taten der
meist friedlichen Demonstranten über-
trieben darzustellen (als Aufruhr) und
die des Mobs zu verharmlosen (als Ver-
sammlung). Durch diese Aktionen sieht
man, dass es die Regierung nicht stört,
was am vergangenen Sonntag passiert
ist. Ihnen ist es scheinbar ganz egal, dass
bewaffnete Mobs die Straßen kontrollie-
ren, solange der Mob auf ihrer Seite ist.
Zwar bin ich traurig und wütend, aber
ich habe immer noch ein Fünkchen Hoff-
nung. Die Großdemonstrationen der ver-
gangenen Wochen zeigten der Welt, dass
unsere Zivilgesellschaft noch lebt und
dass wir unsere in unserem Grundgesetz
verankerte Meinungs- und Versamm-
lungsfreiheit nutzen. Die Demos zeigten
auch, dass wir diese Freiheiten schätzen
und verteidigen wollen. Dieser Angriff
auf unschuldige Menschen war ein Ver-
such, uns zum Schweigen zu bringen.
Wir müssen uns jetzt tapfer und furcht-
los gegenüber dieser Art von Gewalt zei-
gen. Ich hoffe, dass wir jetzt noch lauter,
noch stärker und entschlossener für das
Überleben unserer Stadt und Heimat de-
monstrieren. So setzen wir ein Zeichen,
dass man uns durch Einschüchterung
und Gewalt nicht abhalten kann, weiter
auf die Straße zu gehen. Angst und Ge-
walt dürfen auf keinen Fall in Hongkong
gewinnen!
NIKLAS FUNG, BONN

Zum Beitrag„Kein Anschluss unter die-
sem Haus“ (F.A.Z. vom 23. Juli): Brände
von E-Autos sind sehr schwer zu löschen.
Die Feuerwehr hat die brennenden Au-
tos schon mehrfach in mit Wasser gefüll-
ten Containern versenkt, die man aber in
Tiefgaragen nicht einbringen kann. Beim
Brand wird in der Batterie Sauerstoff ge-
bildet, was das Löschen weiter er-
schwert. Die Lithium-Ionen-Batterie ei-
nes Tesla Modell S wiegt 500 Kilogramm.
Die über 1000 Grad Celsius heißen Brän-
de von E-Autos in Tiefgaragen springen
leicht auf andere Fahrzeuge über. Der
Baustahl im Beton der Garagendecken
und -wände hält das nicht aus.
Die Sanierungskosten für den Wieder-
aufbau der Tiefgaragen und gegebenen-
falls darüber gebauter Gebäude sind sehr


teuer. Das Parken in Tiefgaragen wird da-
her in zunehmendem Maße untersagt
werden.
E-Mobilität mit Batterien führt in eine
Sackgasse, ähnlich den Energiesparlam-
pen oder den Gebäudehüllen aus Styro-
por, die nach neun Jahren als Sondermüll
entsorgt werden müssen. Das schwere
Los der Kinder, die das nötige Coltan ab-
bauen, interessiert wohl weder Autobau-
er noch Sozialdemokraten und Grüne in
Deutschland. Schon der Gedanke daran
stört die Idylle an der Grünen-Spitze. Ge-
sundheit und Gesundheitskosten waren
und sind für Wirtschaft und Politik noch
nie ein Faktor, auf den man Rücksicht
nehmen würde. Siehe Blockade des Ta-
bakwerbeverbotes durch Volker Kauder.
DR. RUDOLF H. SEUFFER, REUTLINGEN

Zu Ihren Berichten über die Anstrengun-
gen zu „Klimaneutralität“: Allmählich
wird das Thema eingekreist. Ein Aspekt
muss jedoch stärker beachtet werden.
Wenn der Eintrag von Kohlendioxid in
die Atmosphäre mit Kosten belastet
wird, egal ob durch eine Steuer oder
durch den Kauf von Verschmutzungszer-
tifikaten, dann muss das Gegenteil, näm-
lich die Entnahme von Kohlendioxid aus
der Lufthülle, vergütet werden. Durch
die Photosynthese werden jährlich 400
Gigatonnen Kohlendioxid aus der Luft-
hülle entnommen und in Biomasse umge-
wandelt.
Für den Mikrokosmos meiner Heimat-
gemeinde Söchtenau, Oberbayern, ist die
Kohlendioxidbilanz wie folgt: Durch Ver-


brennung von fossilen Energieträgern
(Heizöl, Diesel, Benzin, Erdgas) werden
13 800 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr er-
zeugt. Im Gegenzug werden durch Photo-
synthese 35 000 Tonnen Kohlendioxid
aus der Atmosphäre entnommen und in
23 000 Tonnen Biomasse umgewandelt.
Von dieser Menge wird die kurzlebige
Biomasse, die in der gleichen Vegetati-
onsperiode wieder zu Kohlendioxid wird
wie zum Beispiel Gras, nicht berücksich-
tigt. 14 000 Tonnen Kohlendioxid wer-
den aber langfristig gebunden, zum Bei-
spiel in Holz. Das ist die gleiche Menge,
die durch die Verbrennung von fossilen
Energieträgern erzeugt wird. Das ist kli-
maneutral.
DR. HEINZ BRECHT, SÖCHTENAU

Für einen ausscheidenden Arzt etwa 2,2 neue


Briefe an die Herausgeber


Zum Leserbrief „Krimis, Krimis, Krimis“
von Dr. Peter Gonser in der F.A.Z. vom



  1. Juli: Ich vermute, dass den Menschen,
    die zu Demonstrationen gehen, das TV-
    Programm recht egal ist. Aber es würde
    sich wirklich lohnen, nicht nur einmal für
    ein ordentlicheres, inhaltsvolleres, kurz
    lehrreicheres Programm zu demonstrie-
    ren. Der Leserbriefschreiber Dr. Peter
    Gonser aus Hilpoltstein hat hundertpro-
    zentig recht mit seiner Kritik. Warum wei-


chen so viele Zuschauer auf die wenigen
anspruchsvolleren dritten Programme,
auf 3Sat und Arte aus? Und warum muss
so oft alles doppelt besetzt sein (Männ-
lein/Weiblein)? Braucht man eine/n Ko-
Moderator/in, wenn einer der beiden ohn-
mächtig wird wegen Inhaltsmangels?
Mein Fazit: Wenn man die Menschen
dumm hält, kann man sie besser manipu-
lieren.
HEIDE KOCH, KLEVE

Die Zivilgesellschaft lebt


E-Auto-Brände sind schwer zu löschen


Für ein besseres Programm demonstrieren


Kohlendioxidspeicher vergüten


OFFENBACH,4. August

W


olfgangKappus trägt 171 Jahre
Tradition auf seinen Schultern.
Der 86 Jahre alte Unternehmer
hat die größte Seifenherstellung in West-
europa geleitet. Auf dem 6500 Quadrat-
meter großen Gelände in Offenbach am
Main riecht es nach Seife. Vielleicht Ro-
sen, Kamille oder Lavendel. Früher soll
die ganze Stadt danach gerochen haben.
Früher, davon spricht Wolfgang Kappus
gerne.
Denn heute sieht die Welt anders aus.
Und damit auch das Unternehmen Kap-
pus. Im vergangenen Jahr meldete man In-
solvenz an. Schnell wurde klar, das Werk
in Offenbach muss schließen. In diesem
Jahr war es dann so weit. Rund 70 Mitar-
beiter haben ihre Stelle verloren. Für die
anderen drei kleineren Standorte gibt es
verschiedene Interessenten. Offenbach
war der Hauptsitz des Unternehmens.
Rund 60 Prozent aller Stückseifen in Euro-
pa kommen von Kappus. In Deutschland
sollen es sogar 80 Prozent sein.
Kappus ist ein Paradebeispiel dafür,
wie Traditionsunternehmen in die Insol-
venz gehen. In diesem Jahr machten
schon ModehändlerGerry Weber, der
FernsehherstellerLoeweund Taschenher-
stellerBreeentsprechend von sich reden.
Kappus ist mit einem Umsatz von zuletzt
rund 70 Millionen Euro nicht der größte
Vertreter dieser Kategorie. Es gehört
aber zu den Unternehmen mit der längs-

ten Firmenhistorie. Hersteller wieKap-
pushaben Kriege, Inflationen und Defla-
tionen überlebt. Warum aber scheitern
sie heute?
Es ist Frühling, die Produktion auf dem
Offenbacher Gelände läuft noch. Für das
Gespräch ist Wolfgang Kappus mit sei-
nem alten Tiguan in die Produktion gefah-
ren. Viel los ist bei Kappus nicht mehr. Im
Bürogebäude putzen zwei Reinigungskräf-
te den Hauseingang. Ansonsten sind nur
wenige Mitarbeiter auf den Fluren zu se-
hen. Im kleinen Konferenzsaal im Stil der
1960er Jahre hat noch niemand die Kis-
ten gepackt. In einem weißen Regal steht
Seife. Bei Kappus unterscheidet man das
sehr ordentlich: Es gibt Kernseife, Feinsei-
fe, in fester Form oder flüssig, manchmal
als Geschenkset verpackt.
Wolfgang Kappus hat rund 60 Jahre im
Unternehmen verbracht. In seiner Zeit
als Unternehmer sei nicht alles rund ge-
laufen, sagt er; schlechte Jahre seien es
aber nicht gewesen. Dass es zu spät ist,
wusste Kappus aber, als der Insolvenzver-
walter im vergangenen Jahr kam. Der sag-
te: Morgen können Sie zu Hause bleiben.
Kappus kam trotzdem. Fünf Generatio-
nen haben das Unternehmen geleitet.
Auch die Tochter stieg noch in die Ge-
schäftsführung ein. Es gibt ein Buch über
die Firmengeschichte, das könne man le-
sen. Oder man lässt Wolfgang Kappus da-
von erzählen. Dann setzt er an: „Wir müs-
sen weit zurückgehen.“
Die „M. Kappus Feinseifen und Parfü-
meriefabrik“ wurde 1848 von Johann
Martin Kappus, Parfümverfertiger, in Of-
fenbach gegründet. Das Unternehmen
wuchs schnell und exportierte in alle
Welt. Später kämpfte Wolfgang Kappus’
Vater mit der Inflation, dann wurde Kap-
pus demontiert. Nach dem Zweiten Welt-
krieg war der Großteil der Firma zerstört,
die Familie Kappus baute sie wieder auf.
Dann kaufte man Konkurrenten wie Hirt-
ler oder die Dreiring-Werke von Henkel
auf. Eigentlich habe das Unternehmen al-
les überlebt, sagt Kappus. So alt wie die
Demokratie sei man geworden, formu-

liert er. Als der Insolvenzverwalter kam,
war es freilich mit den „demokratischen“
Entscheidungen vorbei.
Kappus schwärmt lieber von den alten
Zeiten. Zeiten, in denen Seife mehr als
nur ein Reinigungsmittel war. Als Frauen
noch ein Stück Seife in die Waschmaschi-
ne warfen, damit die Wäsche besser roch.
Als Kunde noch nachfragten, was es
denn wieder Neues gibt. Ganze Seifenkol-
lektionen seien entstanden. Man war rele-
vant; es war wichtig, wie die Seife roch.
Seife, das war noch etwas.
Wolfgang Kappus ist fast sein ganzes
Leben lang Unternehmer gewesen.
Schnell stand in jungen Jahren fest, dass
er die Firma einmal übernehmen würde.
Dabei wollte er Journalist werden. Kap-
pus verbrachte Jahre in Amerika, kam
wieder zurück – Familientradition eben.
Er sei Unternehmer, und das mit Leib
und Seele. Denn als Unternehmer, sagt
Kappus, sei man sein eigener Herr.
Heute gilt der Seifenmarkt als um-
kämpft. Kaum ein Kunde würde eine Sei-
fe aufgrund der Marke kaufen. „Da
bleibt die Innovation auf der Strecke.“
Wirklich innovativ sei die Seife ohnehin
nicht: Kokosöl, Palmöl, beides in Na-
triumlauge verkocht – ein Rezept, dass
sich seit Jahrhunderten hält. Farbe,
Form, Parfüm – das sei der Spielraum,
den man habe, sagt Kappus: „Nicht viele
Möglichkeiten.“ Die wirklich große In-
novation in der Seifenherstellung war
der Umstieg von Fest- auf Flüssigseife.
„Vielleicht waren wir zu spät dran“,
räumt er ein. Heute haben dort andere
Unternehmen das Sagen. Die Frage
nach dem Scheitern beschleicht Wolf-
gang Kappus des Nachts. Hätte es eine
Abzweigung gegeben, links oder rechts
vom eingeschlagenen Weg? Manchmal
hört er die Vorfahren im Kopf – eine
Antwort hätten diese aber auch nicht.
Ein Mann, der eine mögliche Antwort
kennt, ist Franz-Ludwig Danko. Der In-
solvenzverwalter vertritt das Unterneh-
men Kappus seit vergangenem Septem-
ber. Er spricht von Managementschwie-

rigkeiten im Unternehmen. An der ei-
nen oder anderen Stelle sei die Seife zu
günstig verkauft worden.
Dabei galt Seife einst als Luxuspro-
dukt. Parfümierte Seifen waren ehemals
dem Adel vorbehalten. Heute gehört sie
zu jeder Handwäsche dazu. Doch Festsei-
fen, für die Kappus bekannt ist, nutzen
die Deutschen kaum noch. Fünf Stück Sei-
fe kauft jeder Deutsche, im Jahr. Kosten-
punkt: zwischen 30 und 35 Cent. Mehr sei
der Konsument nicht bereit zu zahlen,
heißt es. Man muss kein Rechenprofi
sein, um zu sehen, dass da nur wenig üb-
rig bleibt. „Ein Cent pro Seife“, sagt der
Geschäftsmann. Für Wolfgang Kappus
und sein Unternehmen war das zu wenig,
viel zu wenig.
Warum hat Kappus die Preise nicht er-
höht? Das sei nicht so einfach, meint er.
Zwar besitzt der Seifenhersteller auch
eine eigene Marke, jedoch wird der Groß-
teil von Lebensmittelhändlern und Droge-
rien verkauft – dort unter anderem Na-
men. Dazu zählen zum Beispiel Seifen
von FA oder CD. Nicht jede Handelsbezie-
hung sei einfach gewesen, sagt Kappus.
Denn die Einkäufer der Lebensmittel-
händler verhandeln hart. Druck auf die
Preise übte auch die Konkurrenz in Osteu-
ropa aus. Die machte Kappus immer
mehr zu schaffen. Die Preise für Rohstof-
fe stiegen in den vergangen Jahren, nur
der Preis für die Seife blieb gleich. Kap-
pus gelang es nicht, den Handel zu einer
Preiserhöhung zu bewegen. Versucht
habe man es, versichert Kappus.
Nun ist vor einigen Wochen das letzte
Stück Seife über das Produktionsband ge-
laufen, die „Kappus Seife Sandelholz 100
g“, eine Eigenmarke. Für die rund 70 Mit-
arbeiter sieht der Chef keine gute Zu-
kunft. Schließlich gibt es kaum noch Ar-
beitsplätze in diesem Bereich. Schlimm
sei das. „Alles gute und fleißige Kräfte.“
Am 100. Firmenjubiläum nahm Wolf-
gang Kappus teil, das 125. Jubiläum rich-
tete er alleine aus, und beim 150. Jubilä-
um half seine Tochter. Das 175. Jubilä-
um wird er nicht mehr feiern.
STEFANIE DIEMAND

Herr Kappus macht dicht


Heimarbeiter werten Alexa aus
Deutsche Sprachaufzeichnungen des digi-
talen Assistenten Alexa von Amazon
werden einem Medienbericht zufolge un-
ter anderem von polnischen Zeitarbei-
tern in Heimarbeit ausgewertet. Die Zeit-
arbeitsfirma Randstad Polen habe noch
bis zum Freitag entsprechende Stellen
ausgeschrieben, berichtete die „Welt am
Sonntag“. Als Qualifikation seien nur
Sprachkenntnisse verlangt worden. Ein
in dem Programm tätiger Zeitarbeiter
wird mit den Worten zitiert, es handele
sich um einen „Hausfrauenjob“. Er arbei-
te wie viele seiner Kollegen auch vom Kü-
chentisch aus. Amazon bestätigte der Zei-
tung, dass es „einigen Mitarbeitern“ ge-
stattet sei, außerhalb einer besonders ge-
schützten Umgebung zu arbeiten. Ama-
zon lässt Menschen Sprachbefehle an
Alexa abtippen, die von dem Assistenten
nicht oder falsch verstanden wurden. So
soll die Spracherkennung optimiert wer-
den. AFP

Chinesen sind sehr innovativ
Die deutschen Großkonzerne steigern
ihre Ausgaben für Forschung und Ent-
wicklung einer Studie zufolge deutlich
langsamer als ihre Konkurrenten in
Amerika oder China. Insgesamt wuchs
das Innovationsbudget der 35 deutschen
Unternehmen, die sich in der Liste der
globalen Top-500-Konzerne plazieren,
im vergangenen Jahr um 9 Prozent auf
60 Milliarden Euro. Dies zeigt eine Stu-
die von EY. Die stärkste Zunahme wur-
de für chinesische Unternehmen mit
23 Prozent registriert, während die wich-

tigsten Konzerne daneben auf plus 12
Prozent kamen. Das höchstplazierte
deutsche Unternehmen istVolkswagen
(5. Platz) mit Ausgaben von 12,1 Milliar-
den Euro.Auch Daimler(18.),Siemens
(22.),BMW(25.) undBayer(26.) finden
sich weit vorne. Das international höchs-
te Innovationsbudget wies mit 24,4 Milli-
arden Euro abermals der Online-Händ-
lerAmazonaus (plus 27 Prozent). Auf
Platz zwei liegt weiterhin die Google-
Muttergesellschaft Alphabetmit 18,
Milliarden Euro vor dem koreanischen
ElektronikkonzernSamsung(14,4 Milli-
arden Euro) unddem amerikanischen
Software-Hersteller Microsoft(12,5 Mil-
liarden Euro). Reuters

Behörden wollen Evonik stoppen
Die amerikanische Handelsaufsicht
FTC will die Übernahme vonPeroxy-
chemdurch den deutschen Spezialche-
miekonzern Evonik blockieren. Man
habe eine entsprechende Klage einge-
reicht, gab die Behörde bekannt. Sie be-
fürchtet höhere Preise. Evonik hatte An-
fang November mitgeteilt, Peroxychem
für 625 Millionen Dollar vom Finanzin-
vestor OEP übernehmen zu wollen. Die
Essener wollen damit ihr Wasserstoff-
peroxid-Geschäft ausbauen. „Es ist ent-
täuschend, dass die FTC diesen Schritt
gegangen ist“, sagte Evonik-Chef Christi-
an Kullmann. Der Konzern werde ent-

schieden dagegen ankämpfen. „Wir blei-
ben optimistisch, dass wir vor Gericht
gewinnen werden und die Akquisition
abschließen können.“ Bislang hatte Evo-
nik gehofft, dies bis Mitte 2019 hinzube-
kommen. Nun sei ein Abschluss der
Transaktion noch in diesem Jahr nicht
mehr möglich. Reuters

Mehr Rabatte für Neuwagen
Autohersteller gewähren wegen der
schwächelnden Inlandsnachfrage auf
dem deutschen Markt nach einer aktuel-
len Branchenstudie wieder mehr Rabatte
für Neuwagen. Vor allem die durch-
schnittlichen Nachlässe bei offen bewor-
benen Sonderaktionen fielen im Juli wie-
der etwas höher aus als noch im Vormo-
nat, wie aus einer Studie des CAR-Insti-
tuts der Universität Duisburg-Essen her-
vorgeht. Zudem stiegen die Quoten von
Eigenzulassungen durch die Autoherstel-
ler und Händler, die später mit hohen
Preisnachlässen in den Markt gedrückt
werden. „Die Zeit der Niedrigrabatte
geht zu Ende“, sagte Studienleiter Ferdi-
nand Dudenhöffer. dpa

Fuchs Petrolub mit Gewinnminus
Der Schmierstoffhersteller Fuchs Petro-
lub hat seine Gewinnerwartungen deut-
lich zurückgenommen. Das Mannheimer
Unternehmen rechnet nun damit, dass
das Betriebsergebnis in diesem Jahr um
20 bis 30 Prozent hinter dem Vorjahres-
wert zurückbleiben wird. Der Umsatz
werde um bis zu 3 Prozent fallen. Die
neue Prognose folgt auf eine Ergebnis-
warnung des Unternehmens und war des-
halb erwartet worden. Reuters

Unternehmen


Kurze Meldungen


Der größte europäische


Seifenhersteller


Kappus überlebte


Weltkriege, Inflation


und Deflation. Nach


171 Jahren ist jetzt


Schluss. Warum


eigentlich?


Seife an Seife – das war einmal:In dem Offenbacher Traditionsunternehmen Kappus werden keine Seifen mehr produziert. Foto Rainer Wohlfahrt
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