Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

SEITE 20·MONTAG, 5. AUGUST 2019·NR. 179 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


W


enn man die fünf jungen
Männer zusammen sieht,
dann fragt man sich automa-
tisch, woher sie sich wohl
kennen mögen. Die Inhaber von Reise-
topia.de, eines Internetportals für Luxus-
reisen, wirken auf den ersten Blick wie
fünf Freunde, die sich in der Schule, dem
Sportverein oder anderswo in der Hei-
mat getroffen haben. Lange dürfte die
Schulzeit nicht zurückliegen. In Wahr-
heit sind sie Anfang bis Mitte 20 und kei-
ne der genannten Vermutungen trifft zu.
„Im Prinzip hat uns der Zufall zusam-
mengeführt und vor allem die unbändige
Lust am Reisen“, sagt Leonard Glatzel,
mit 26 Jahren der Älteste im Bunde. An
seinem Strahlen und dem Funkeln der
Augen kann man erkennen, wie wichtig
das Thema ihm ist. Bis zu 90 Prozent der
Gehälter hätten sie dafür ausgegeben,
sagt Glatzel, der vor zwei Jahren als Letz-
ter hinzukam und zudem als Fluglotse
für die Deutsche Flugsicherung arbeitet:
„Die Idee war es, Luxus zu genießen, den
man sich eigentlich nicht leisten kann,
und dies auch anderen zu ermöglichen.“

Gemeint sind Flüge erster Klasse – ein
Ticketpreis dieser Kategorie kann leicht
fünfstellig sein – und Luxusherbergen
auf der ganzen Welt. Glatzel nennt Na-
men wie Conrad, Grand Hyatt, Luxury
Collection, Regent, Shangri-La oder Wal-
dorf Astoria. Diese feudale Art zu reisen
soll durch Loyalitätsprogramme und Bo-
nusmeilen von Kreditkartenanbietern,
die das Bezahlen mit ihren Karten beloh-
nen, erschwinglicher werden. Angespro-
chen werden sollen Vielflieger – gutver-
dienende Privat- und Geschäftsleute.
Gegründet wurde Reisetopia 2016 von
dem 25 Jahre alten Moritz Lindner und

dem fünf Jahre jüngeren Severin Gersten-
korn. Beide hatten zuvor für ein amerika-
nisches Reiseportal gearbeitet, das in Eu-
ropa Fuß fassen wollte. Lindner ist als
Geschäftsführer hauptverantwortlich für
den Inhalt und arbeitet Vollzeit. Aktuell
tut er dies am Firmensitz in Mainburg
oder auf Reisen. Gerstenkorn beschäftigt
sich mit Verwaltung und Finanzen und ei-
nem dualen Studiengang bei den Bera-
tern von EY. Wenig später stießen Jan
Wanderer und Moritz Stoldt hinzu – 24
beziehungsweise 23 Jahre alt und eben-
falls hauptberuflich für Reisetopia tätig.
Wanderer, der parallel BWL studiert, ist
Marketingexperte. Stoldts Aufgaben sind
die Entwicklung neuer Geschäftsideen,
der Vertrieb und zusammen mit Glatzel
die Auswahl von Partnern. Letzterer
kümmert sich zudem um soziale Medien
und die Öffentlichkeit.

„Mittlerweile haben wir im Monat
mehr als eine Million Seitenaufrufe und
400 000 bis 500 000 Nutzer“, sagt Glat-
zel. Das Gros der Nutzer sei 25 bis 45 Jah-
ren alt. Im Vorjahr habe der Umsatz
400 000 Euro betragen, für dieses Jahr
sei eine Million Euro anvisiert. Das schaf-
fen die fünf nicht mehr allein. „Inzwi-
schen gibt es weitere 13 Mitarbeiter und
einen Praktikanten“, sagt Glatzel. Dieses
Team kümmere sich zum Beispiel um
den Internetauftritt, Technik, soziale Me-
dien – also Facebook und Instagram –
oder die Hotelberatung, einige davon in
Teilzeit. Der erste Schritt ins Ausland sei
vor kurzem mit der Schweiz erfolgt, in
Vorbereitung seien Frankreich und Spa-
nien. Dort werde man anders heißen.
Reisetopia möchte nicht nur einen
Überblick über Flug- oder Hotelangebote
geben. Mit Hilfe zweier Reisebüros, Jet-

beds und Cube Travel, würden diese auch
vermittelt, sagt Glatzel. Man nutze das
Wissen und den Zugang dieser Profis
und erhalte eine Provision. Das Buchen
von Flügen sei schon länger möglich. Die
Hotelberatung hingegen erfolge noch in-
dividuell auf Anfrage. Von der zweiten
August-Woche an sollen auch hier auto-
matische Buchungen möglich sein. Die
Vorteile für die Kunden: Sie bekämen in
den Luxushotels besondere Vergünsti-
gungen wie ein 100-Dollar-Guthaben.
„Das finanziell wichtigste Standbein
aber sind die Kreditkarten“, sagt Glatzel:
„Hier können unsere Nutzer von den An-
geboten profitieren, die wir aushandeln.
Bei uns finden sie auch Tipps für das
Sammeln von Meilen und Guthaben. Vie-
le davon sind kostenlos, aber wir wollen
auch bald detailliertere Video-Kurse an-
bieten und dies kostenpflichtig. Erste Re-

aktionen der Nutzer seien sehr positiv.
Das Internetportal erhält zudem Provisio-
nen von den Kreditkartenanbietern.
Reisetopia will auch informieren –
über Neues zum Thema Luftfahrt und
Reisen. Es gibt Erfahrungsberichte der
Mitarbeiter zu Flügen und Hotels oder an-
dere außergewöhnliche Geschichten.
„Da wir objektiv bleiben wollen, lassen
wir uns niemals einladen“, sagt Glatzel:
„Denn unsere Kunden und Nutzer müs-
sen uns unbedingt vertrauen können.“ In-
zwischen zahle er die für ihn vielleicht
fünf bis acht kleineren und größeren Rei-
sen im Jahr nicht mehr aus eigener Ta-
sche, sondern Reisetopia.
Die fünf haben Hilfe. „Mit Rat und Tat
stehen uns drei ,Business-Angels‘ zur Sei-
te, wenn es zum Beispiel um ganz prakti-
sche Fragen geht“, sagt Glatzel. Sie besä-
ßen einen kleinen Anteil an Reisetopia.
Gibt es Interessenten? Die habe es schon
gegeben, sagt Glatzel und lächelt vielsa-
gend. Reisetopia sei profitabel und nicht
auf Finanzspritzen angewiesen, auch
wenn es immer wieder neue Ideen gebe
und man weiter expandieren wolle.
Doch die Kritik am Fliegen wächst.
„Wir haben uns dazu entschieden, künf-
tig alle Flugumsätze Umweltprojekten zu
spenden“, sagt Glatzel: „Vor kurzem wa-
ren das für das Jahr 2018 rückwirkend
mehr als 8000 Euro an Atmosfair. Bald
soll es auch für alle Nutzer möglich sein,
Flüge über unsere Seite auszugleichen.“
Reisetopia wandelt sich auch in der
Form der Zusammenarbeit. „Zum Jahres-
ende ist ein Büro in Berlin geplant“, sagt
Glatzel: „Bisher arbeitet fast jeder dort,
wo er mag – ich am liebsten auf meiner
Terrasse.“ Internet, Nachrichtendienste
und das Telefon verbinden das Team je-
derzeit. Einmal im Monat kommen die
fünf aber in der Tat zusammen, um über
neue Strategien oder auch Alltägliches
zu sprechen. Das kann schon mal einige
Tage dauern. Wenn es unter den fünf mal
Streit gibt? „Dann diskutieren wir eben
länger, bis eine Lösung da ist“, sagt Glat-
zel: „Jeder hat eine Stimme, und fünf ist
sinnvollerweise eine ungerade Zahl.“
Das gesamte Team verreist einmal im
Jahr. Im Herbst soll es nach Dubai und
Abu Dhabi gehen. Zur Belohnung, und
weil Reisen hier zur Arbeit gehört, sagt
Glatzel, dessen ganz persönliches Ziel
es ist, irgendwann einmal erster Klasse
den Globus zu umrunden und nichts für
diesen Luxus ausgeben zu müssen, au-
ßer Bonusmeilen seiner Kreditkarten.
KERSTIN PAPON

Luxusurlaub zu kleinen Preisen


mkwa.MOSKAU,4. August. Der ameri-
kanische Botschafter in Russland lädt je-
des Jahr zum Fest in seine Moskauer Resi-
denz, so auch Anfang Juli dieses Jahres
zum Unabhängigkeitstag. Es gibt Hot-
dogs und Livemusik im Garten. Limousi-
nen mit Diplomatenkennzeichen verstop-
fen die angrenzenden Straßen.
Doch in diesem Jahr mischten sich
Sprechchöre in die fröhliche Jazzmusik:
„Rettet Gaz, Rettet Gaz!“ und „Amerika,
erhöre uns!“ Vor der Residenz standen
ein paar Dutzend Demonstranten in grau-
blauen Arbeiterjacken, in ihren Händen
Plakate: „Wir sind der Kollateralschaden
eures Sanktionskriegs – Schande!“ Oder:
„Amerikas Sanktionen nehmen unseren
Kindern das Brot weg“.
Gaz steht für „Gorkowskij Awtomobilnij
Sawod“ (Gorkijer Autowerk) und ist Russ-
lands wichtigster Hersteller von Nutzfahr-
zeugen. Bei leichten Nutzfahrzeugen hat
Gaz einen Marktanteil von 50 Prozent, bei
kleinen Lastkraftwagen von 70 Prozent.
Stammsitz ist in Nischnij Nowgorod, einer
Millionenstadt rund 400 Kilometer nord-
östlich von Moskau, die in den dreißiger

Jahren, als Gaz entstand, nach dem Dich-
ter Maxim Gorkij benannt war. Rund
40 000 Menschen produzieren dort und an
anderen Standorten teils legendäre Model-
le wie den Transporter Gazelle, der in Russ-
land als Krankenwagen eingesetzt wird.
Seit April 2018 steht Gaz auf einer
Sanktionsliste der Amerikaner. Denn kon-
trolliert wird das Unternehmen über die
Holding „Russische Maschinen“ von dem
Oligarchen Oleg Deripaska, der damals
neben anderen russischen Geschäftsleu-
ten mit seinen wichtigsten Aktiva unter
Sanktionen gestellt wurde. Als „Oligar-
chen und Elite, die von einem korrupten
System profitieren“ wirft Washington ih-
nen vor, die „bösartigen Aktivitäten Russ-
lands in der Welt“ mit zu verantworten.
Im Fall Deripaska wird außerdem auf Vor-
würfe des Betrugs und von Verwicklun-
gen in einen Auftragsmord aus den neun-
ziger Jahren verwiesen, in denen Deripas-
ka sein Firmenimperium aufbaute.
Die Sanktionen, die Gaz vom amerika-
nischen Finanzmarkt abschneiden und
Amerikanern jegliche Beteiligung an dem
Unternehmen verbieten, sind noch gar

nicht in Kraft. Washington hat die Frist
für ihre Einsetzung immer wieder verscho-
ben, zuletzt auf den 8. November. Aber Fol-
gen haben sie jetzt schon: Einige Zuliefe-
rer sind aus Furcht vor Sekundärsanktio-
nen abgesprungen, was die Produktion er-
schwert und verteuert: Zwischen 30 und
50 Prozent liegt der Anteil ausländischer
Bauteile bei den Gaz-Modellen.
Im ersten Halbjahr gingen die Verkäufe
des Konzerns um 10 Prozent zurück. Zu-
dem stoppte Anfang des Jahres auch
Daimler seine im Jahr 2013 begonnene
Montage des Modells „Sprinter“ in Nisch-
nij Nowgorod wegen des Ausfalls von Bau-
teilen: Man bemühe sich, die Produktion
schnell wiederaufzunehmen, hieß es,
doch bisher ist nichts geschehen.
Schon im Jahr 2015 verlor Gaz einen
wichtigen Kunden, als General Motors
sich aus Russland zurückzog. Nun ist nur
noch Volkswagen (VW) da: Seit dem Jahr
2012 werden in Nischnij Nowgorod ver-
schiedene Skoda-Modelle produziert, bis
zum Vorjahr auch der VW Jetta. 2017 wur-
de vereinbart, dass VW Dieselmotoren
aus Salzgitter an Gaz liefern sollte; im sel-

ben Jahr wurde bekannt, dass VW einen
Einstieg bei dem russischen Autobauer er-
wäge. Doch im März sagte der Russland-
Chef von VW, Marcus Osegowitsch, die
Verhandlungen über Anteilskauf und Mo-
torenlieferung seien unterbrochen und
könnten erst nach Aufhebung der Sanktio-
nen wiederaufgenommen werden.
Anfang Juli schloss VW trotz der unkla-
ren Zukunft von Gaz einen Special Invest-
ment Contract (Spic) mit der russischen
Regierung. Damit verpflichten sich auslän-
dische Konzerne zur stärkeren Lokalisie-
rung, also Verlagerung ihrer Produktion
nach Russland, wofür ihnen im Gegenzug
Steuervergünstigungen und Subventionen
über einen Zeitraum von zehn Jahren ga-
rantiert werden. Ein Spic ist außerdem Be-
dingung für die begehrten Staatsaufträge;
alle großen Autokonzerne in Russland ha-
ben ihn schon unterzeichnet.
Nach Angaben der Zeitung „Wedomos-
ti“ sieht der Vertrag Investitionen von
VW in den kommenden zehn Jahren von
rund 870 Millionen Euro vor: Die Modell-
reihe solle erweitert werden, ebenso die
bestehende Motorenfabrik in Kaluga. Zu-

dem sollen Getriebe und Steuergeräte in
Russland hergestellt werden. Wie sich die
Investitionen auf die Zusammenarbeit
mit Gaz auswirken werden, ist noch un-
klar. Eine Anfrage dieser Zeitung dazu
ließ VW Russland unbeantwortet.
Deripaska hat nach eigener Aussage
dem amerikanischen Finanzministerium
angeboten, die Kontrolle über Gaz abzu-
geben, damit der Konzern von der Sank-
tionsliste gestrichen wird. Auf diese Wei-
se hatte er seine anderen Aktiva, den Alu-
miniumkonzern Rusal, die Investmentge-
sellschaft En+ und den Energiekonzern
Eurosibenergo im Januar von Sanktionen
befreit. Doch Rusal ist ein Weltkonzern;
als er auf die Sanktionsliste gesetzt wur-
de, schossen die Aluminiumpreise in die
Höhe. Gaz dagegen betrifft vor allem den
russischen Markt und über VW auch den
deutschen. Anfang Juni sagte Bundeswirt-
schaftsminister Peter Altmaier (CDU)
dazu, es würden Gespräche geführt, auch
in den Vereinigten Staaten. Er sei zuver-
sichtlich, zu einer Lösung zu kommen.
Unterdessen stellt Deripaska sich in In-
terviews als Opfer willkürlicher Rache-

feldzüge amerikanischer Parlamentarier
dar und die Sanktionen als ineffektiv und
fehlgeleitet: Sie träfen einfache Arbeiter,
ist seine Botschaft, nicht aber den Kreml.
Dort warte man nur auf den richtigen Mo-
ment, um Gaz zu verstaatlichen, sagte er
im April. Der Kreml habe ohnehin nichts
mit den Sanktionen zu tun, behaupteten
die Gaz-Mitarbeiter in Moskau, der
Grund sei bloß Konkurrenz: Schließlich
habe der amerikanische Autobauer Ford
nur seine Pkw-Sparte in Russland einge-
stellt. Der Kleintransporter Transit aber
werde weiterhin gebaut und konkurriere
mit den Modellen von Gaz. Das sei umso
trauriger, als Henry Ford seinerzeit beim
Aufbau von Gaz geholfen habe.
Tatsächlich dürfte die Konkurrenz auf
dem russischen Automarkt in diesem
Jahr noch härter werden. Nach Angaben
der Vereinigung Europäischer Unterneh-
men in Moskau sanken die Verkäufe im
ersten Halbjahr nach zwei Jahren des
Wachstums – und entgegen besserer Er-
wartungen – um 2,4 Prozent. Und auch
für die zweite Jahreshälfte sei keine Besse-
rung in Sicht.

Severin Gerstenkorn (links), Leonard Glatzel, Jan Wanderer, Moritz Lindner und Moritz Stoldt Foto Reisetopia

D


er amerikanische Staranleger War-
ren Buffett hat mit seiner Investment-
gesellschaft Berkshire Hathaway einen
starken Gewinnrückgang erlitten. Den-
noch erreichten die überschüssigen Bar-
mittel-Reserven einen Rekord. Damit dürf-
te der Druck zu weiteren Anlagen oder
Übernahmen steigen – viele Aktionäre
sehnen schon lange den nächsten großen
Deal des 88 Jahre alten Buffett herbei.
Im zweiten Quartal fiel das operative
Ergebnis von Berkshire Hathaway im Jah-
resvergleich um 11 Prozent auf 6,1 Milliar-
den Dollar (rund 5,5 Milliarden Euro),
wie das Unternehmen am Samstag in
Omaha im Bundesstaat Nebraska mitteil-
te. Berkshire machte ein schlechteres Ge-
schäft mit Rückversicherungen und eine
Verlangsamung der Wirtschaft als Grün-
de aus. Den Nettoüberschuss steigerte das
Unternehmen zwar von 12 auf 14,1 Milli-
arden Dollar. Buffett selbst rät aber davon
ab, dieser Zahl viel Beachtung zu schen-
ken. Seit Einführung der neuen Bilanzie-
rungsmethode, durch die der Marktwert
nicht realisierter Anlagegewinne laufend
ausgewiesen werden muss, schwankt das
Ergebnis stark. Deshalb ist es nach seiner
Ansicht kein guter Indikator mehr für die
Geschäftsentwicklung.
Der Konzern ist unter anderem in der
Versicherungs-, Energie-, Bahn-, Nah-
rungsmittel-, Bekleidungs- und Immobi-
lienbranche aktiv. Zu Berkshire Hatha-
way gehören rund 90 Unternehmen so-
wie diverse Aktienpakete börsennotierter
Großkonzerne wie Coca-Cola, Wells Far-
go, Apple oder seit diesem Jahr auch Ama-
zon. Der Börsen-Guru Buffett führt das
Konglomerat seit mehr als 50 Jahren und
wird wegen seines Riechers für Geldanla-
gen auch das „Orakel von Omaha“ ge-
nannt. Dank seines glücklichen Händ-
chens für Investments zählt Buffett seit
Jahren zu den reichsten Menschen der
Welt – zuletzt schätzte das amerikanische
Magazin „Forbes“ sein Vermögen auf
80,5 Milliarden Dollar.
Trotz des geringeren Betriebsgewinns
legten die Barreserven von Berkshire Ha-
thaway im abgelaufenen Quartal abermals
deutlich zu. Ende Juni saß Buffett auf liqui-
den Mitteln von rund 122 Milliarden Dol-
lar – damit wurde der bisherige Rekord-
wert von Ende 2017 in den Schatten ge-
stellt. Aktionäre sehen das viele überschüs-
sige Geld aber eher skeptisch. Buffett tut
sich schon seit einiger Zeit schwer, attrakti-
ve Unternehmen zu finden. dpa/Reuters

HEERLEN,4. August (dpa). Der On-
line-Versandhändler Docmorris droht
mit einer Klage, sollte die von der Bundes-
regierung geplante Apothekenreform in
ihrer jetzigen Form Gesetz werden. „Wir
würden alle unsere rechtlichen Möglich-
keiten ausschöpfen“, sagte Docmorris-
Chef Olaf Heinrich. Aus seiner Sicht ver-
stößt das Gesetzesvorhaben gegen Euro-
parecht. „Die Bundesregierung würde da-
mit ein ähnliches Desaster erleben wie
mit der Pkw-Maut.“ Heinrich rechnet
aber ohnehin damit, dass die Bundesregie-
rung die Bewertung durch die EU-Kom-
mission abwartet und dann noch ein-
lenkt: „Das Gesetz wird so nicht kom-
men, denn es ist offensichtlich, dass es eu-
roparechtswidrig ist.“ Das Bundeskabi-
nett brachte Mitte Juli ein Gesetzespaket
auf den Weg, mit dem Apotheken vor Ort
besser gegen Konkurrenz im Internet ge-
schützt und gestärkt werden sollen. Was
der Branchenverband ABDA begrüßt: Pa-
tienten würden so vor Diskriminierung
geschützt.
Apotheken aus dem EU-Ausland dür-
fen dem Vorhaben zufolge keine Rabatte
mehr anbieten für verschreibungspflichti-
ge Medikamente, sondern sie müssen an
Festpreisen festhalten. Dies wäre ein

Rückschlag für Docmorris, das seinen
Kunden in Deutschland bisher einen Bo-
nus von 2,50 Euro je Arzneimittel auf
dem Rezept gewährt. Ein ähnliches Ge-
schäftsmodell verfolgt die ebenfalls in
den Niederlanden angesiedelte „Shop-
Apotheke“.
Docmorris gehört zum Schweizer Han-
delskonzern Zur Rose. Die Tochterfirma
sitzt im niederländischen Heerlen direkt
hinter der Grenze unweit von Aachen.
Das Unternehmen mit etwa 600 Mitarbei-
tern ist auf Wachstumskurs. 2017 machte
es einen Umsatz von 370 Millionen Euro
und damit 39 Millionen Euro mehr als ein
Jahr zuvor. Seit 2018 werden keine Ge-
schäftszahlen mehr kommuniziert, seit-
her fließt Docmorris ins Deutschlandge-
schäft von Zur Rose ein. Der Deutschland-
umsatz von Zur Rose lag 2018 bei 671 Mil-
lionen Euro, knapp 39 Prozent über dem
Vorjahreswert – der größte Teil entfiel
auf Docmorris.
Dem Unternehmen kam 2016 ein Ur-
teil des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) zugute, das die Preisbindung für
verschreibungspflichtige Medikamente –
im Branchenjargon Rx-Präparate ge-
nannt – im grenzüberschreitenden Waren-
verkehr in der EU gekippt hat. Allerdings

bezog sich der EuGH hierbei auf das Arz-
neimittelrecht. Das Bundesgesundheits-
ministerium will „Rx-Medikamente“ für
Versicherte der gesetzlichen Krankenkas-
sen nun aber in die Sozialgesetzgebung
verschieben, wo – so die Lesart des Minis-
teriums – eine nationale Regelung trotz
des EuGH-Urteils möglich sei. Dies hält
Docmorris-Chef Heinrich für einen „Ta-
schenspielertrick“.
Durch die Gesetzesänderung dürfte
Docmorris gesetzlich Versicherten – und
damit etwa 90 Prozent aller Versicherten
in Deutschland – auf „Rx-Präparate“ kei-
nen Bonus mehr anbieten. Der Verkauf
von „Rx-Präparaten“, etwa von Choleste-
rinsenkern, ist für Docmorris wichtig,
2017 machte die Online-Apotheke knapp
zwei Drittel ihrer Umsätze damit. Die Re-
zeptboni sind laut EuGH aber nötig, um
den Wettbewerbsnachteil, also die Dis-
tanz zum Kunden, ausgleichen zu können
im Vergleich zur stationären Konkurrenz.
Mit der Gesetzesänderung wolle das Bun-
desgesundheitsministerium eine „Schutz-
mauer“ für deutsche Apotheker bauen,
die mehr Wettbewerb behindern würde,
klagt Heinrich.
Ungeachtet des Ärgers über das Geset-
zesvorhaben bewertet der Manager die

Aussichten positiv. Docmorris wird zwar
auch künftig keine eigenen Apotheken be-
treiben in Deutschland. Dies ist nur Phar-
mazeuten möglich, aber keinen Kapitalge-
sellschaften. Die niederländische Firma
peilt jedoch eine enge Kooperation mit lo-
kalen Apothekern an. Hier würde
Docmorris eine Internetplattform anbie-
ten, auf der ortsansässige Apotheker eige-
ne Angebote einstellen könnten.
Nach Ansicht Heinrichs müssten On-
line-Handel und stationäre Pharmazeuten
enger vernetzt sein. So sollten Patienten
Medikamente künftig online bestellen
und dann festlegen können, in welcher sta-
tionären Apotheke sie das Präparat noch
am selben Tag mitnehmen oder ob sie es
über den Versandweg beziehen wollen. Zu-
dem könnte so eine Plattform Apothekern
mehr Daten liefern als bisher.
Docmorris ist für viele Apotheker ein
rotes Tuch. Sie sehen die Arbeit des Kon-
kurrenten sehr kritisch. Auf die Frage, ob
in der deutschen Apothekerschaft sich
überhaupt Partner melden würden für die
Kooperation, sagte Heinrich: „Die Bereit-
schaft ist da. Der Branche ist klar, dass sie
im Zuge der Digitalisierung und veränder-
ter Kundengewohnheiten vor großen Her-
ausforderungen steht.“

BRÜSSEL,4. August (dpa). Google will
konkurrierende Suchmaschinen bezahlen
lassen, wenn Nutzer in Europa sie wäh-
rend der Einrichtung von Android-Gerä-
ten als Alternative auswählen. Der Inter-
netkonzern kündigte ein Auktionsverfah-
ren als Lösung für den Vorwurf der EU-
Kommission an, dass er unfairen Wettbe-
werb betreibe. Die Behörde hatte im ver-
gangenen Jahr wegen des Geschäftsmo-
dells rund um das Android-Betriebssys-
tem eine Strafe von 4,34 Milliarden Euro
gegen Google verhängt. Die vorinstallier-
te hauseigene Websuche des Konzerns
war dabei ein zentraler Kritikpunkt.
Von Anfang 2020 an sollen Nutzer in
Europa bei der Einrichtung eines An-
droid-Geräts neben Google auch drei
weitere Suchmaschinen zur Auswahl an-
geboten bekommen. Wer das sein wird,
soll in einem Auktionsverfahren mit ge-
schlossenen Geboten entschieden wer-
den, hieß es am Wochenende. Die vier
Suchmaschinen sollen in der Liste nach
dem Zufallsprinzip angeordnet werden.
Die Auktionen sollen einmal im Jahr in
jedem einzelnen Land der europäischen
Wirtschaftsregion stattfinden. In ihrem
Gebot sollen die Suchmaschinen den
Preis nennen, den sie jedes Mal zu zahlen
bereit sind, wenn ein Nutzer sich für ih-

ren Dienst entscheidet. Sie bekommen
dann monatlich eine Rechnung von Goo-
gle und sollen nur zahlen, wenn die Nut-
zer ihren Dienst auswählen. „Eine Auk-
tion ist eine faire und objektive Methode,
um festzulegen, welche Suchanbieter auf
den Auswahlbildschirm kommen“, beton-
te Google. Die Suchmaschinen könnten
selbst entscheiden, wie viel es ihnen wert
sei, in der Liste zu erscheinen.
Die EU-Kommission zeigte sich zufrie-
den damit, dass Google den konkurrieren-
den Suchmaschinen die Möglichkeit zusa-
ge, durch Deals mit Smartphone-Anbie-
tern auch ihre Dienste auf Android-Gerä-
ten vorinstallieren zu lassen. „Das war vor-
her nicht möglich“, erläuterte die Behör-
de. Zugleich hieß es, die Kommission wer-
de die Umsetzung der Auswahlliste und
die Reaktionen anderer Marktteilnehmer
auf das Verfahren aufmerksam beobach-
ten. Unter Wettbewerbern stieß Googles
Ankündigung auf Missfallen. Die Suchma-
schine Qwant verurteilte den Plan, weil er
„ein weiterer inakzeptabler Missbrauch
der beherrschenden Stellung Googles“
sei. Der Chef der Suchmaschine Duck-
DuckGo, Gabriel Weinberg, kritisierte,
dass mit nur vier Listenplätzen die Nutzer
zu wenig Auswahl bekämen und Google
auf Kosten der Konkurrenten profitiere.

DieGründer


Mit Sprechchören gegen Sanktionen


Russischer Autobauer Gaz leidet unter Strafmaßnahmen, die Washington gegen den Hauptaktionär verhängt hat / Von großen ausländischen Partnern ist nur VW geblieben


Buffetts Geschäfte


laufen nicht


ganz so rund


Gegenwind für Docmorris


Der Online-Händler droht mit Klage, weil die Berliner Apothekenreform angeblich gegen Europarecht verstößt


Google bittet Rivalen zur Kasse


Konkurrenten verurteilen Android-Planungen


DasInternetportal


Reisetopia will zeigen,


wie man erster Klasse


verreist, ohne viel dafür


zu bezahlen. Helfen


sollen Kreditkarten,


Bonusmeilen – und


der beste Überblick.


MENSCHEN& WIRTSCHAFT

Free download pdf