Reader\'s Digest Germany - 08.2019

(Elliott) #1
Aus: NEW YORK TIMES (26. AuGusT 2018); © NEW YORK TIMEs CO., NYTIMEs.COM

126 REAdER's dIGEsT 08.2019


A


ls ich im letzten Früh-
jahr eine Reise nach
Montenegro plante, er-
klärte ich Freunden, die
kaum etwas über dieses
Balkanland wussten, dessen Lage in
Europa so: „Stell dir vor, du segelst
von Venedig aus an der adriatischen
Küste südostwärts, und bevor du
Albanien erreichst, legst du an.“
An erster Stelle wäre die beeindru-
ckende Szenerie der Naturlandschaft
zu nennen, etwa die entlang der Küste
hoch aufragenden Gebirgszüge, de-
nen das Land seit dem 13. Jahrhun-
dert seinen Namen verdankt: Monte
Negro heißt schwarzer Berg.
Die Montenegriner verdanken dem
Tourismus 20 Prozent ihres Brutto-
inlandsprodukts. Laut dem staatli-
chen Amt für Tourismus besuchten im
letzten Jahr zwei Millionen Urlauber
Montenegro –, dreimal so viel Men-
schen, wie das Land Einwohner hat.
US-Präsident Donald Trump cha-
rakterisierte die Montenegriner als
„sehr aggressiv“. In einer Regierungs-
erklärung als Antwort auf Präsident
Trumps Darstellung wies man auf
Montenegros „friedliche Politik“ und
die Tatsache hin, dass das Land im
Balkankrieg in den 1990er-Jahren der
einzige Staat gewesen sei, „in dem
während des Zerfalls des ehemaligen
Jugoslawiens keine kriegerischen Aus-
einandersetzungen stattfanden“. Mon-
tenegro war einst Teil Jugoslawiens.
Als Enkelin montenegrinischer Ein-
wanderer und jemand, der das Land


häufig als Urlauberin besucht hat,
beschränken sich meine Erfahrungen
mit aggressiven Montenegrinern auf
das Auftischen von Riesenportionen
und strenge Ermahnungen, meinen
Teller leer zu essen.
Das jüngste NATO-Mitglied, das im
Jahr 2006 seine Unabhängigkeit von
Serbien erklärt hatte, ist klein. Nicht
einmal halb so groß wie Belgien, ist
es zwar winzig, aber gerade richtig
für einen zeitlich knapp bemessenen
Urlaub. In unserem Fall waren es acht
Tage im Mai.
„Man kann sich kaum vorstellen,
dass ein solch kleines Land wirklich
keine Wünsche offenlässt: National-
parks, Berge, Strände, Nachtleben,
Kulturgeschichte und serbisch-ortho-
doxe Klöster“, sagt Nina Batlak aus
Dubrovnik, Produktmanagerin einer
Agentur für Reisen nach Montenegro.
„All das findet sich innerhalb dieser
eng gezogenen Landesgrenzen.“
Viele Touristen starten von Dubrov-
nik aus, der beliebten, rund eine Auto-
stunde von der montenegrinischen
Grenze entfernten Festungsstadt an
der Südspitze der kroatischen Küste.
Wir aber hatten uns entschieden, in
die Hauptstadt Podgorica zu fliegen.
Von hier aus war es nicht weit zu einer
Reihe von Sehenswürdigkeiten: den
Dinarischen Alpen im Norden, der
adriatischen Küste im Süden und den
Kulturschätzen Zentralmontenegros.
Die meisten Urlauber besuchen das
Land wegen seiner Lage am Meer. Frü-
her zog es vor allem sonnenhungrige FOTO

(VORh

ERIGE

dOppE

lsEITE): © shuTTERs

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