Reader\'s Digest Germany - 08.2019

(Elliott) #1
BILLIONEN VON INSEKTEN BESTÄUBEN UNGEFÄHR
DREI VIERTEL UNSERER NAHRUNGSPFLANZEN

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Motten befestigt sind. Und in einem
noch größeren Raum lagern zahlrei-
che Hummeln, die zwischen 1880 und
1930 gesammelt wurden.
„Wir bewahren alles auf“, sagt Ver-
einsmitglied Martin Sorg. „Das gibt
uns heute die Möglichkeit, in die Ver-
gangenheit zu schauen.“
Der Krefelder Verein hat 60 ehren-
amtliche Mitglieder, von denen ein
Drittel erfahrene Entomologen sind,
ein Drittel Akademiker mit Universi-
tätsabschlüssen in verwandten Fach-
gebieten und der Rest meist jüngere
Mitglieder, die von den Erfahrenen
geschult werden. Der Verein hat ein
enormes Wissen über Insekten, das

über die Jahre mit akribischer Sorgfalt
aufgebaut wurde.
Bei ihren Projekten haben die Ver-
einsmitglieder häufig sogenannte
Malaise-Fallen aufgestellt. Das sind
Netze, die vorbeifliegende Insekten in
Gefäße lenken, die mit Ethanol gefüllt
sind. 2013 bestätigten die Krefelder,
dass die Gesamtzahl der in einem Na-
turschutzgebiet gefangenen Insekten
um fast 80 Prozent niedriger war als
1989 an der gleichen Stelle. Sie fan-
den einen ähnlichen Rückgang auch
an anderen Orten.
Forscher an der Radboud Univer-
sität im niederländischen Nimwegen
erstellten aus den Krefelder Daten

von zehn Rebhühnern sind von den
französischen Feldern verschwunden.
Die Zahl der Nachtigallen und der
Tauben ist um 90 beziehungsweise 80
Prozent gesunken.
Auch wenn die Zeichen alarmierend
waren, reichten sie nicht aus, um Er-
klärungen über den Zustand aller In-
sektenarten abzugeben. Dann kam die
deutsche Studie. Sie veröffentlichte ge-
nau die Langzeitdaten, nach denen die
Wissenschaftler gesucht hatten. Und
sie bezogen sich nicht nur auf eine Art.
Die Zahlen zeigten eine massive Verar-
mung des gesamten Insektenbestands.
Die Studie erschien nicht in einer
renommierten Fachzeitschrift und


stammte auch nicht aus einer Fach-
abteilung einer Universität, sondern
vom Entomologischen Verein Kre-
feld. Ihm gehören sowohl erfahrene
Wissenschaftler als auch engagierte
Hobbyforscher an.
In Krefeld gibt es Backsteinhäuser,
Blumengärten und einen Stadtwald.
Nahe dem Zentrum befindet sich der
Hauptsitz des Vereins, dessen For-
schung für so viel Wirbel gesorgt hat.
Der 1905 gegründete Verein nutzt
knapp 560 Quadratmeter eines drei-
stöckigen ehemaligen Schulhauses
als Lager. In einem der ehemaligen
Klassenzimmer befinden sich Holz-
rahmen, in denen Schmetterlinge und

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