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Ges/Westend61
08.2019 reader's dIGest 85geringere Einkommen und Bildung in
den östlichen Ländern, die Abwande-
rung junger Menschen nach der Ver-
einigung und der in Folge noch ver-
schärfte demografische Wandel sowie
das ,Abhängen‘ vieler Regionen hin-
terlassen hier ihre Spuren.“An Pessimismus kaum noch zu über-
bieten ist übrigens die Haltung von
Befragten, die der AfD zuneigen. Für
rund 90 Prozent von ihnen geht es
in Deutschland nicht nur generell,
sondern auch im Rentensystem, bei
der Einkommensverteilung und dem
großstädtischen Mietniveau unge-
recht zu. Fast 70 Prozent stören sich
an der Kostenverteilung für den Um-
weltschutz und den von deutschen
Gerichten verhängten Urteilen.
Experte Delhey überraschen diese
Zahlen nicht. „Die Wähler der AfD
lehnen unser jetziges Gemeinwesen
im Vergleich zu Anhängern anderer
Parteien am stärksten ab“, sagt er.
Grünewald fügt hinzu: „Die AfD-
Wähler würden gern viele Entwicklun-
gen der 68er und von Rot-Grün rück-
gängig machen, mit einer Sehnsucht
nach dem Deutschland der D-Mark,
starken Männern und Stabilität, die
es heute so nicht mehr gibt.“Gerechte Lösungen dürfen
durchaus radikal seinWas könnte das Land gerechter ma-
chen? Bei den Befragten ist die Unter-
stützung für radikale Vorschlägeenorm: 78 Prozent sprechen sich da-
für aus, dass Städte und Gemeinden
eine Höchstmiete festlegen dürfen,
die sich am mittleren Einkommen
der Einwohner orientiert. 75 Pro-
zent meinen, Alkohol- oder Drogen-
einfluss sollte bei der Beurteilung ei-
ner Straftat strafverschärfend wirken- ein Rechtsgrundsatz, der beispiels-
weise in Großbritannien gilt.
69 Prozent der Bürger würden
es begrüßen, wenn Menschen, die
Kinder großgezogen haben, bei der
Rente grundsätzlich besser gestellt
würden als Kinderlose. 58 Prozent
meinen, dass Vorstandsgehälter
maximal das Zehnfache des betriebs-
üblichen Durchschnittsgehaltes be-
tragen dürften.
Mit 49 Prozent Zustimmung zu
47 Prozent Ablehnung wäre sogar
eine – wenn auch knappe – Mehrheit
der Bürger dafür, fossile Brennstoffe
deutlich zu verteuern, um deren Ver-
brauch zu senken und so das Klima
zu schützen. Im Schnitt 55 Prozent
der Großstädter stimmen für diesen
Vorschlag, jedoch nur rund 30 Pro-
zent der Befragten in Gemeinden und
Städten bis 20 000 Einwohner. Wie
stark man persönlich von Abgasen
betroffen ist, macht offensichtlich
einen Unterschied. Genau wie die
Frage, ob man bequem auf den öffent-
lichen Nahverkehr umsteigen kann,
wenn das Autofahren teurer wird.
Was sagt die junge Generation, die
sich unter dem Motto „Fridays for Fu-
ture“ zahlreich für den Umweltschutz