08.2019 reader's digest 91dass die Kombination aus Geschwin
digkeit, Adrenalin, dem Geruch von
gebrannten Mandeln und dem festen
Druck einer Kinderhand in meiner
so ziemlich das Beste sind, was ich
mir vorstellen kann. Vor allem dann,
wenn genau das auch das Beste ist,
was mein Kind sich vorstellen kann.
Wieder zu Hause fragte mein Mann
seinen Sohn, was ihm an der Reise am
besten gefallen habe.
„Die 21 Loopings mit Mama!“, sagte
mein Sohn.
„Oh Gott, da wird mir schon beim
Zuhören schlecht“, sagte mein Mann.
Der große Bruder zuckte nur un
beeindruckt mit den Schultern, er be
vorzugt die Adrenalinkicks, die ihm
die Playstation beschert. Aber wir
beide grinsten verschwörerisch. Das
machen wir jetzt öfter, jedenfalls so
lange es ihm nicht peinlich ist, sich
zusammen mit seiner Mutter Schwer
und Fliehkraft auszusetzen.
Und wenn uns die Achterbahn des
Lebens mal heftiger durchschüttelt,
wenn Zeiten kommen, in denen wir
uns nichts zu sagen haben oder uns
mal gerade nicht mögen, weiß ich
ganz sicher, dass die Erinnerung an
diese 21 Loopings, die wir in den drei
Tagen in Wien zusammen gedreht
haben, für immer „unser Ding“ sein
werden.der Große sich noch recht gut an Zei
ten und Erlebnisse erinnern kann, in
denen es ausschließlich um ihn ging,
war der Kleine von Anfang an daran
gewöhnt, immer mitgemeint zu sein,
aber nicht unbedingt im Zentrum
zu stehen. Seine sportlichen Leiden
schaften decken sich nicht so recht
mit unseren, seine Interessen und
Talente sind spezieller als die seines
Bruders. Es ergeben sich nicht auto
matisch Überschneidungen, die sich
zu einem festen Gemeinschaftsritual
ausbauen lassen.
In Wien haben mein jüngster Sohn
und ich dann den ersten Tag komplett
auf dem Wiener Prater verbracht. Und
den zweiten auch. Und ja, den dritten
auch. Ich hatte durchaus geplant, dem
Kind ein paar tolle Museen zu zeigen,
den Stephansdom oder wenigstens
das Schmetterlingshaus an der Hof
burg. Doch er, der furchtlose Technik
freak in unserer Familie, hat ziemlich
deutlich klargemacht, wie er sich un
sere gemeinsame Reise so vorstellt.
Und was soll ich sagen: Ich hatte
wirklich überhaupt nichts dagegen,
einfach drei Tage lang jedes ver
dammte Fahrgeschäft auf dem Wiener
Prater auszuprobieren und dabei mit
meinem Siebenjährigen um die Wette
zu kreischen. Ich hatte total verges
sen, wie viel Spaß mir das macht, und
Die beste Erziehungsmethode für ein Kind ist,
ihm eine gute Mutter zu verschaffen.
Christian Morgenstern, dt. diChter (1871–1914)