Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1
So lässt der Herzog gleich
1715 verfügen, dass alle Neuan­
siedler "ihre Häuser und Gebäude
zu besserer Regularire und Zierde"
nach den fürstlichen Bauordnun­
gen und gemachten Grundrissen
zu errichten haben.
Eberhard Ludwig fo rdert
"zweckmäßige Schönheit, eben­
bürtig, aber doch in angemessener
sozialer Zurückhaltung gegenüber
dem alles beschattenden Schloss".

F


ür die Planung der neu­
en Stadt fo lgt Frisoni
Nettes erstem Entwurf,
der östlich und wesdich
des Südgartens Wo hnquartiere
vorsieht.
Die Straßen des für bürger­
liche Untertanen gedachten Stadt­
teils im Westen laufen rechtwink­
lig zueinander, gesäumt werden sie
von einheitlichen Reihen meist
zweigeschossiger Häuser.
Nur zum Ausgleich von Ge­
ländeunterschieden sind fallweise
drei Etagen erlaubt- um mit einer
gleichbleibenden Dachlinie dem
barocken Ideal der Ebenmäßigkeit
Rechnung zu tragen.
Alle unansehnlichen Einrich­
tungen, etwa Latrinen oder We rk­
stätten, werden in Innenhöfe
verlegt. Außen säumen elegante
Arkaden den großzügigen, von
der Stadtkirche überragten Markt­
platz mit einer Brunnenstatue
Eberhard Ludwigs in seiner Mitte.
Der Ostteil der Planstadt ist
dem Adel vorbehalten, der dort
in gebührendem Abstand zum
Schloss seine Paläste errichten darf.
Mit einem kleinen Lust­
schloss schafft Frisoni 400 Meter
nördlich der Residenz zudem ein
neues luxuriöses �rtier für die
Jagdgesellschaften des Herzogs.
In seinen politischen Ambi­
tionen scheitert Eberhard Ludwig


zwar - er wird weder Kurfürst
(weil ein Konkurrent um die
Würde obsiegt) noch König
(weil sich seine Ve rhandlun­
gen mit Frankreichs Ludwig
XIV. zerschlagen, der den
Plan unterstützen sollte).
Um so mehr erwartet der
Herzog nun Großes von sei­
nem Schloss. We nn er schon
keine Krone trägt, so soll doch
seine Heimstatt eines Mo­
narchen würdig sein. Mehr
noch: 1715 verkündet er den
Wunsch, Ludwigsburg neben
Stuttgart und Tübingen zu
seiner dritten Residenzstadt
machen zu wollen.
Für Frisoni bedeutet dies
erneures Umdenken: Nun muss
er auch noch eine Schlosskapelle
mit eigener Herrschergruft sowie
Kanzleien und Wo hnungen fü r
den Hofstaat errichten.
Und die Herzogsfamilie
muss größere repräsentativere
Gemächer als bisher erhalten.
Es werden Appartements für
Eberhard Ludwigs Sohn und
die Schwiegertochter benö­
tigt, sowie für seine ungeliebte
Gemahlin, die jedoch in Stutt­
gart residiert. Deren Zimmer­
flucht soll Eberhard Ludwigs
langjährige Mätresse bewoh­
nen (siehe Seite 72).
Doch zunächst sind
schon die ersten Schäden am
Schloss zu beseitigen: Die
flachen Blechdächer halten
der Witterung nicht stand, es
regnet durch.
Balken verfaulen, müssen
ersetzt, die Dächer zum Te il
steiler konstruiert und mit
Ziegeln gedeckt werden.
Über Jahre ist Frisoni
vorwiegend damit beschäftigt,
Bestehendes zu renovieren
und die von Nette begonne-

LITERATURTIPPS

MICHAEL WENGER
»Ludwigsburg. Die
Gesamtanlage«
Informativer Kurzführer
(Deutscher Kunstverlag).

"Schloss Ludwigsburg.
Geschichte einer barocken
Residenz«
Sammelband über Schloss
und Stadt (Silberburg).

IN KÜRZE

1704 ordnet Herzog
Eberhard Ludwig von
Württemberg die Kon­
struktion eines neuen
Schlosses an. Ein Barock-
bau schwebt ihm vor,
umgeben von weitläufigen
Gärten und bald auch
von einer idealen Stadt,
symmetrisch, eben­
mäßig und dem Palast
in ihrer Mitte deutlich
nachgeordnet - ein
steingewordenes Abbild
seiner absolutistischen
Herrschaft. Doch als
der Fürst 1733 stirbt, sind
die Innenarbeiten im
Schloss noch im Gang.

149 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700


nen Arbeiten zu vollenden.
Immer wieder muss der
Herzog seine Gemächer im
Schloss verlassen, weil auch
dort gebaut wird, ganze Wän­
de entfernt und Kamine ein­
gezogen werden.
1724 entscheidet sich der
italienische Architekt schließ­
lich für ein weiteres Neubau­
projekt: Ein vierter Flügel soll
alle Raumprobleme lösen.
Die beiden Seitenflügel
werden durch Galerien nach
Süden verlängert - und dort
durch einen Wo hntrakt ver­
bunden, der dem ganzen Bau
den Grundriss eines geschlos­
senen Rechtecks verleiht.
Noch im selben Jahr erklärt
der Landesherr Ludwigsburg zu
seiner alleinigen Residenz. Der
Hofstaat ist bereits umgezogen,
1727 fo lgen die Regierungsbehör-
den; hier liegt nun Wü rttem­
bergs Hauptstadt.
Aber die Vo llendung sei­
ner Vision erlebt Eberhard
Ludwig nicht mehr: Als er am


  1. Oktober 1733 stirbt, sind
    die Innenarbeiten an seiner
    Residenz immer noch nicht
    abgeschlossen. Da er keinen
    männlichen Erben hinterlässt
    (sein Sohn ist 1731 gestorben),
    fällt das Herzogtum an einen
    katholischen Ve rwandten. Die
    politische Bilanz seiner Herr­
    schaft ist kläglich.
    Und dennoch wird man
    sich des Fürsten erinnern - so
    wie er es sich ersehnt hat.
    Denn sein Traum ist wahr ge­
    worden. Aus dem Nichts hat
    er eine neue, wohlgeordnete
    We lt erschaffe n, hat der Wild­
    nis ein Schloss mit Park und
    eine Stadt nach seinem Willen
    abgerungen, die seinen Na­
    men tragen: Ludwigsburg. 0

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