Geo Epoche - 08.2019

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große, vor Pracht strotzende Residenzen österreichischer

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Adeliger, die die Nähe des Kaisers suchten. 248 Paläste
lii weithin zählt die Stadt die Hammerschläge um das Jahr 1730. der Und Zimmerleute, noch immer ziehen hallen
Wa gengespanne Ladungen von Holz-und Dachschindeln
zu den Baustellen in und vor der Metropole.

enn für Anwesen mit weitläufigen,
streng geometrischen Gärten, wie sie
gerade groß in Mode sind, ist in Wien
kein Platz. Daher haben Adelige begon­
nen, auch auf Arealen vor der Stadt­
mauer zu bauen. Prinz Eugen von Savoyen etwa errichtet
das südlich gelegene Belvedere: eine Schlossanlage mit
imposanter Fassade und riesenhaftem Park.
Nicht weit davon entsteht auf Geheiß des Kaisers
ein neu es, mit über 70 Meter Höhe monumentales Got­
teshaus: die Karlskirche. Zwei mächtige, von golde-
nen Adlern gekrönte Säulen flankieren den Eingang
sowie die türkisfarbene KupferkuppeL Drinnen Rund
haben namhafte Maler die hohen Gewölbe mit Fres-

Hof ist die Wa hrung der Tradition seit jeher wichtiger
als die Mode.

DIE NOBLE HOCHZEITSGESELLSCHAFT hat sich an die­
sem 12. Februar 1736 inzwischen in einem prächtig de­
korierten Saal versammelt: In der Mitte des Raumes steht
eine Tafel, beschirmt von einem Baldachin und bedeckt
von bodenlangen Tuchen, Silbergeschirr und kunstvollen
Zuckerbäckereien.
Nur die kaiserliche Familie nimmt an dem festlich
gedeckten Tisch Platz. Schon tragen Edelknaben, Mund­
schenke und Vo rschneider opulente Speisen in einer
Prozession in den Saal und servieren in untertänigster
Haltung. Während des mehrgängigen Mahls reicht der
Obersthofmeister, der ranghöchste Hofbeamte, den Herr­
schaften, dem Zeremoniell gemäß, mit streng vorgeschrie­
benen Bewegungen Handwasser und Servietten.
Diese "offe ne Tafel" ist eine Demonstration
von Pracht und Macht, bei der die Hofgesellschaft
nur herumstehen und zuschauen darf-doch allein
der Herrscherfamilie bei einem solchen Ereignis
ken von Engeln und biblischen Szenen verziert.
Als "Vienna gloriosa" hat schon um 1700 ein
Gelehrter seine vor Pracht gleißende, unaufhörlich
wachsende Stadt gefeiert. Rund 150 000 Bewohner
zählt sie mittlerweile (alle Vo rorte eingerechnet),
fü nfmal mehr als noch 200 Jahre zuvor.

250 hohe


nahe sein zu dürfen, ist für sie die größte Ehre.
Als das Mahl beendet ist, geleitet die Hoch-

Adels-


Wie gestrig wirkt dagegen jener Ort, von dem
aller Prunk ausgeht und der die Menschen von weit­
her anzieht: die Hofburg, die kaiserliche Residenz.
Im Kern ist sie ein trutziges Viereck. Doch fast jeder
habsburgische Herrscher hat der Anlage, deren
Grundsteine bereits im 13. Jahrhundert gelegt wur­
den, mit der Zeit etwas hinzugefügt, einen neuen
Flügel, einen neuen Trakt.

fa milien


leben


Zuletzt, unter der Ägide von Maria Theresias
Vater, ist die Hofbibliothek mit ihrem Prunksaal
hinzugekommen - sowie die Winterreitschule, in

zn


der sich der Jung-Adel hoch zu Ross übt. Das Ge­
bäude steht einem Ballsaal in nichts nach, mit der kunst­
vollen Kassettendecke und den säulengesäumten Logen
rundherum, von denen aus geladene Gäste die Vo rfüh­
rungen der gelehrigen, gelenkigen Lipizzaner-Hengste
bestaunen, deren Pirouetten und Piaffen.
Doch trotz aller Modernisierungsmaßnahmen ist
die Hofburgauch im Jahrvon Maria Theresias Hochzeit
noch immer eher eine Festung als eine barocke Residenz:
verwinkelt, verworren angelegt, unmodern. Prunkvolle
Ehrentreppen oder Gartenanlagen nach französischem
Vo rbild sucht man dort vergebens. Dem kaiserlichen

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zeitsgesellschaft die frisch Ve rmählten schließlich
noch bis in ihr Gemach, wo auch das Brautbett
steht. Dort wird sich das Paar dann "fleischlich ver­
mischen", wie es die Tradition verlangt.
Nichts geschieht spontan oder gar zufällig.
Alles am Hof der Habsburger fo lgt einem strengen
Drehbuch- an diesem wie an jedem gewöhnlichen
Tag. Das Hofzeremoniell, das in seinen Grundzügen
auf einem mittelalterlichen Regularium der Herzöge
von Burgund beruht, durchwaltet den Alltag bis in
die Kleinigkeiten. Und überträgt damit Maß und
Ordnung Gottes, als deren Bewahrer der Monarch
sich versteht, auf das irdische Regiment.
Das Zeremoniell legt etwa fe st, wer sich in wel­
cher Haltung dem Kaiser nähern darf-mit ein-,
zwei-oder dreifachem Kniefall. Dazu gibt es weitere
Regeln, je nachdem ob der Herrscher als Oberhaupt des
römisch-deutschen Reiches auftritt oder als Fürst eines
der habsburgischen Te rritorien.
Wie groß jemandes Unterschrift auf einem Doku­
ment zu sein hat, wer in der Hofburg auf welchen Möbeln
sitzen, auf wessen Gesundheit er trinken und welche Tü r­
schwellen er überschreiten darf: Alles, alles ist für jeden
Höfling seinem Rang entsprechend vorgeschrieben.
In den kaiserlichen Privatgemächern empfängt der
Herrscher nur höchste Gäste zum Gespräch. Anders als
in Ve rsailles, wo sich der französische Sonnenkönig schon
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