Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1

in größtmöglicher Distanz zum einfachen Vo lk.
Maria Theresia wird in den darauffolgenden vier
Jahren drei Töchter bekommen.
Sie führt ein bis ins Kleinste geregeltes Da­
sein am Wiener Kaiserhof. Bald besetzt sie dort
eine Schlüsselposition, gewährt Adeligen Audien­
zen, vermittelt Kontakte, überbringt dem Kaiser
Botschaften und Bitten.
Während sich Ammen und Kinderfrauen um
den Nachwuchs kümmern, geht sie außerdem
Reiten, unternimmt Ausfahrten und singt Arien.


och dann ändert sich ihr Leben
abrupt, als am 20. Oktober 1740
nach kurzer Krankheit ihr Vater
stirbt, der römisch-deutsche
Kaiser Karl VI. Der Herrscher
hinterlässt keine männlichen Nachkommen -
wohl aber ein mit Sorgfalt vorbereitetes Gesetz.

17:16 I Wien


LITERATURTIPPS

BAR BA RA STOLLBERG-
RILINGER
nMaria Theresia: Die
Kaiserin in ihrer Zeit«
Brillant geschriebenes
Standardwerk (C. H. Beck).

PET ER CSENDES U.A. (HG.)
nWien, Gesc:hic:hte
einer Stadt (16. bis


  1. Jahrhundert)«
    Detailreiche Stadt-
    geschichte (Böhlau).


rich Il. sieht eine günstige Gelegenheit, sich die
wohlhabende, strategisch wichtige Habsburger­
Provinz Schlesien einzuverleiben.
Schon Mitte Dezember 1740, kaum zwei
Monate nach dem To d des Kaisers, marschiert er
dort ein. Friedrich glaubt, leichtes Spiel zu haben:
Seine Armee ist modern, gut gerüstet und exzel­
lent gedrillt. Außerdem stehen seinen 20 000 an­
greifenden Soldaten in Schlesien nur 6000 Öster­
reichische Kämpfer entgegen.
Oie junge Regentin aber lässt sich davon
nicht beeindrucken. Im fo lgenden Frühjahr
schickt sie eine ebenfalls rund 20 000 Mann starke
Streitmacht nach Schlesien - und stellt sich dem
Duell. So prallen die beiden mächtigsten deut­
schen Herrscherfamilien aufeinander.

Darin hat er fe stgelegt, dass die Habsburger Erb­
lande "unteilbar und untrennbar" sind. Und dass

Der Krieg zwischen Habsburgern und Ho­
henzollern eskaliert zu einem Kampf um die
Vo rherrschaft im römisch-deutschen Imperium. Maria
Theresia und Friedrich wetteifern nicht mit Prunk und
Ve rschwendung, sondern allein mit Gewehren,
Bajonetten, Kanonen. Jahrzehntelang wird das
Duell der Großmächte die Geschichte des Heili­
gen Römischen Reiches bestimmen - und es an

auch eine Frau dieses Reich regieren darf, falls er
ohne Sohn und ohne Enkel stirbt.
Mit gerade einmal 23 Jahren soll Maria The-
resia die Habsburger führen, eine europäische
Großmacht regieren.
Überdies ist ungewiss, wie die anderen Fürs­
ten des Kontinents auf die "Weiberherrschaft"
reagieren werden. Eine Frau auf dem Thron: Das
ist in den Augen etlicher Zeitgenossen ein Ve rstoß
gegen die Ordnung Gottes und der Natur.
Und das Kaiseramt- die Herrschaft über das
Heilige Römische Reich deutscher Nation -, das
mit dem Tode des Vaters ja nun ebenfalls vakant
ist, vermag sie ohnehin nicht zu erben (da das
Reichsoberhaupt von den Kurfürsten gewählt wird
und das AmtMännern vorbehalten ist).
Maria Theresia aber - ihren Lebtag standhaft
bis zur Starrsinnigkeit - zögert nicht, ihr Erbe
anzunehmen. Größer noch als ihr Ehrgeiz ist ihre
tief religiöse Überzeugung, dass Gott sie dazu be­
stimmt habe, das habsburgische Reich zu führen
und zu verteidigen.
Noch am To destag des Kaisers tritt sie daher,
leichenblass und in Trauerkleider gehüllt, vor den
versammelten Hofstaat und lässt sich huldigen.
Doch außerhalb des Wiener Hofes fo rmiert
sich Widerstand gegen die junge Frau. Einige Fürs-

IN KÜRZE

Wien ist um 1730 die
bedeutendste deutschspra-
ehige Metropole, doch
der herrschaftliche Prunk
zehrt die habsburgische
Staatskasse aus. Als die
junge Regentin Maria
Theresia 1740 vom Preu-
ßenkönig Friedrich II.
angegriffen wird, zwingen
sie die nun anbrechenden
Kriegszeiten, an der luxuriö­
sen Hofhaltung zu sparen.
So trägt der Waffengang
zum Ende des Barock in den
deutschen Landen bei -
mehr noch aber die Auf-
klärung, die ein neues,
bescheideneres Herrscher-
bild mit sich bringt.

den Rand des Abgrunds treiben.
Der Konflikt wird die Habsburger zum Spa­
ren zwingen, ihren Glanz zeitweise verblassen
lassen. Maria Theresia muss vorübergehend sogar
ihren Schmuck beleihen. Vor allem aber verändert
den Hof in Wien schließlich der neue Geist, der
in den fo lgenden Jahrzehnten die deutschen Lande
durchdringt. Mit den Ideen der Aufklärung wan­
delt sich auch das Selbstbild vieler Fürsten, verliert
der glänzende Schein, die Fassade der Repräsen­
tation an Bedeutung.
Maria Theresia wird die Zahl der Opern
reduzieren, die bis dahin Höhepunkt höfischer
Hochzeiten wie der ihren waren. Sie entlässt Mu­
siker; die Hofkapelle spielt fo rtan vor allem in
Gottesdiensten. Und die abgeschottete We lt der
Aristokraten Wiens öffnet sich mehr dem Volk.
Jagdreviere und Parks, Bibliotheken und
Kunstsammlungen, die lange den hohen Herr­
schaften vorbehalten waren, darf nun auch das
gemeine Publikum besuchen.

ten versuchen, Maria Theresia das Erbe streitig zu machen.
Der fr isch gekrönte, machthungrige Preußenkönig Fried-

Ein BaUhaus, in dem sich allein Edelleute zu
einer fr ühen Form des Te nnis trafen, wird zum
öff entlichen Theater umgebaut. Der Adel und die
Niedriggeborenen kommen sich an diesen Orten plötzlich
sehr nah. Eine neue Ära ist angebrochen. 0

163 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700

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