Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1

wo während der zwei
jährlichen Messen
ein Weinmarkt öff­
net, machen häufig
Lastkähne mit Waren
aus den Nieder­
landen fest


siedeln dürfen. Viele Religionsgelehrte
haben sich in dem �artier niedergelas­
sen, die Studenten von weither anziehen.
Immer wieder sind die schmalen,
hohen Häuser geteilt, erweitert, umge­
baut worden, um mehr Menschen Platz
zu bieten - auch weil das Wo hnrecht in
der Judengasse an den Besitz oder Mit­
besitz eines Gebäudes gebunden ist: We r
kein Eigentum nachweisen kann, muss
ständig fürchten, vom Rat aus der Stadt
verwiesen zu werden. Manchmal teilen
sich vier Familien die wenigen Räume

eines Hauses. Im Winter sind die Wo h­
nungen kalt und klamm, im Sommer
fe ucht und fliegenverseucht und dun­
kel das ganze Jahr über. Nachts sowie
sonntags und während der christlichen
Feiertage bleiben die To re der Gasse ver­
schlossen, ihre Bewohner eingesperrt.
Die meisten Frankfurter Juden sind
eher arm, nur wenige haben es zu Ver­
mögen gebracht. Strenge Verordnungen
regeln ihr Verhältnis zur christlichen
Stadtbevölkerung. Ein Handwerk dür­
fe n sie nicht ausüben, und nur einge-

44 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700


schränkt Handel treiben: damit sie nicht
zur Konkurrenz werden für christliche
Krämer, Kaufleute und Handwerker.
Dennoch ist der Handel mit Wa ren
oder Geld die wichtigste Einnahmequel­
le für die Bewohner der Judengasse. Sie
verkaufen alte Kleidung sowie Pferde,
Pelze und Felle, aber auch Gewürze und
Öle, vermitteln überdies Geldgeschäfte.
Etliche arbeiten als We chsler: tauschen
gegen Gebühr die vielen unterschiedli­
chen Münzsorten um, die im Reich kur­
sieren, und beschaffen oft auch Kredite.
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