Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1
-- 1649-171 4 --
Esther Liebmann

S


ie darf den Herrscher besuchen, wann immer
sie will. Seine Leute, so hat der Monarch es
befohlen, sollen sie jederzeit vorlassen. Für
Friedrich I., König in Preußen, erledigt diese
energische Frau ja auch fast alles, was von Belang ist. Sorgt
für Glanz und Luxus, beschafft Edelsteine, Gold und
Schmuck, ausgefallenes Essen, Kutschen und fe ine Tink­
turen. Sie beliefert die königlichen Baustellen zuverlässig
mit Material und organisiert sogar das für die Wirtschaft
so wichtige Münzwesen des Staates mit. Kurz: Keine Frau
in Preußen ist um das Jahr 1700 so
einflussreich wie Esther Liebmann -
vor allem keine Jüdin.
Früher haben Vo rfahren des DIE


ebenfalls als Lieferant des Berliner Hofes reüssiert. Immer
stärker treten die Eheleute nun als Gespann auf: Esther
Liebmann reist mit ihrem Mann zu wichtigen Messen,
kümmert sich mit ihm um den EdelsteinhandeL Um 1700
gilt Jost Liebmann mit einem Ve rmögen von 100 000
Reichstalern als der reichste Jude Deutschlands.
Als auch er 1702 stirbt, führt seine Frau die Geschäf­
te allein weiter - und ist erfolgreicher als je zuvor. Denn
kurz vorher hat sich der Herrscher Preußens fe ierlich
zum König gekrönt. Mehr denn je braucht er nun reprä-
sentative Kostbarkeiten, die seinen
Hof glänzen lassen. Die Witwe und
der Monarch werden zu idealen
Partnern; sie beschafft ihm- neben
Königs Juden aus ihren Städten und vielem anderen - die Geschenke für
Landen vertrieben, sie zum schlech­
ten Einfluss, zu gefährlichen, uner­
wünschten Fremden erklärt. Doch in


HOFJUDI N


die Staatsgäste: goldenes Geschirr,
diamantgeschmückte Schnupftabak­
dosen, strahlende Juwelen.
den letzten Jahrzehnten haben sich We il sich Friedrich I. immer hö-
die Zeiten geändert: Die barocken her bei seiner Lieferantin verschul­
Höfe haben einen gewaltigen Bedarf
an Luxusgütern und Kapital; zudem
fü hren die Herrscher nun erstmals
wachsende moderne Staatsapparate
mit zentraler Ve rwaltung und ste­
hendem Heer. Sie benötigen Geld,
kundige Finanzplanung, gutes Ma­
nagement der entstehenden Staats­
haushalte. Und so wenden sich viele
Fürsten unter anderem an Juden.


Lange ausgegrenzt, werden
Juden um 1700 von deutschen

det, gewährt er ihr im Gegenzug
das Recht zur Münzprägtmg. Esther
Liebmann erwirbt, wie andere
Münzmeister ihrer Zeit, die benötig­
ten Edelmetalle vermutlich auf den
internationalen Märkten w1d prägt
Millionen Sechspfennigstücke fü r
Preußen, bei deren Ausgabe sie dann
Geld verdient.

Fürsten als Finanzfachleute
engagiert. Zu den bedeutendsten
von ihnen zählt eine Frau
TE XT:]ens-Rainer Berg
ILLUSTRATION: Raine1·Ehrtfor GEOEPOCHE

Die halten als Geschäftsleute
oft Kontakt über Landesgrenzen hin-
aus -ein Vorteil für jene neue Tätigkeit, die sich ihnen
nun überall in Deutschland bietet: Sie sollen die Ve rsor­
gung der Höfe und Heere mit Gütern übernehmen und
die Staatsfinanzen organisieren. Schnell erreichen manche
von ihnen eine privilegierte Stellung. Und einen eigenen
Titel: Hoffaktor (oder "Hofjude").
Esther Liebmann ist nacheinander Gattin von gleich
zwei Hofjuden- und die Ehen sind wie Lehrjahre für sie.
Ihr erster Mann versorgt die Armee, liefert dem HofSil­
ber und We in, Gewürze und Zugtiere. Die attraktive,
diplomatisch geschickte, hochehrgeizige Frau stammt aus
einer prominenten Prager Familie und macht in Berlin
schnell auf sich aufmerksam. Als ihr Gatte 1673 stirbt,
sind ihre eigenen Kontakte längst so gut, dass sie selbst
den Titel der Hofjüdin verliehen bekommt- die perfekte
Mitgift für ihren zweiten Mann.
1677 heiratet sie erneut, den jüdischen Juwelenhänd­
ler Jost Liebmann, der dank ihrer Ve rbindungen bald


Damit ist sie eine der ersten
Frauen Europas, die das Finanzsys­
tem ihres Landes mitgestalten.
Doch die enge Bande zum König erweist sich
schließlich als verhängnisvoll: Als Friedrich I. im Jahr 1713
stirbt, fä llt sie mit ungeheurer Wucht.
Der Thronfolger, Friedrich Wilhelm I., verabscheut
die Geldverschwendung seines Vaters - und offenbar auch
alle Personen, die dies ermöglicht haben. Er setztEsther
Liebmann zehn Wo chen unter Hausarrest und lässt sie
(wohl zu Unrecht) wegen Betrugs anklagen.
Sie kämpft vor Gericht, muss dem Hof am Ende
jedoch eine gewaltige Summe zahlen. Sie bleibt wohl­
habend, aber ist, so scheint es, gebrochen. Hinzu kommt
die Häme vieler Christen, die die Macht der Jüdin nie
akzeptiert haben.
Nur ein gutes Jahr nach Friedrich I. stirbt auch die
ehemalige Hofjüdin. Doch die Ve rbindung zu ihrem
mächtigsten Ve rbündeten bewahrt sie über den To d
hinaus: Sie lässt sich eine goldene Kette, das kostbarste
Geschenk des Königs an sie, mit ins Grab legen. 0

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GEO EPOCHE Deutschland um 1700
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