Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1

eihnac hten


Viel ist nicht bekannt über das
Leben des Michael Püechl.
Etwa 20 Jahre mag der Bau­
ernbursche alt sein, und wohl
zum ersten Mal wird er das
We ihnachtsfest nicht daheim am
Te gernsee verbringen. Wie Hun­
derte andere Männer hat er sich
nach München aufgemacht. Der
Marsch ist keine Parade oder Pro­
zession, wie sie an hohen Feier­
tagen in Bayern üblich sind- son­
dern eine Rebellion.
Sie wollen sich wehren gegen
Truppen aus Österreich, die ihre
Heimat besetzt halten. Unter den


BRUTAL reiten kaiserliche Soldaten
am Morgen des 25. Dezember 1705
Rebellen nieder, die sich bei der
Dorfkirche von Sendling südlich von
München verschanzt haben

Im Jahr 1704 beginnen Österreichische Truppen, Bayern zu besetzen.
Das Kurfürstentum ist zwischen die Fronten eines Krieges geraten,
den der Kaiser in Wien mit dem französischen König führt. Ende
1705 sammeln sich Tausendebayerische Bauern gegen die fremden
Herren - und greifen sie in der Heiligen Nacht in München an

TEXT: Reymer Klü ver

Aufständischen sind wohlhaben­
de Landwirte, aber auch Knechte,
Tagelöhner, Eierträger und Kuh­
hirten. Maurer, Metzger, Schmie­
de laufen ebenfalls mit. Etwa 2100
Rebellen rücken an diesem 24.
Dezember 1705 aufMünchen vor.
Es ist ein ungeordneter Heer­
haufen, angeführt von Beamten
und ehemaligen Offizieren. Sen­
sen, Spieße, Mistgabeln sowie ein
paar mittelalterliche Hellebarden
und Morgensterne sind ihre Waf­
fe n; und sechs kleine Kanonen.
900 Männer tragen Gewehre, 300
sind beritten. Zwölf Jahre zählt
der Jüngste, 80 der Älteste.
Seit einem Jahr halten Solda­
ten des habsburgischen Kaisers
Joseph I. das Land besetzt. Sie
haben den bayerischen Kurfürsten
ins Exil getrieben - denn er hat
sich auf die falsche Seite geschla­
gen in einem Krieg, der gar nichts

55 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700


mit Bayern zu tun hat: dem
Kampf zwischen Habsburg und
dem Königvon Frankreich um die
Thronfolge im fe rnen Madrid.
Die Tr uppen des Kaisers
tyrannisieren die Bevölkerung,
erpressen �artier und Proviant
sowie Futter für ihre Tiere. Mäd­
chen und Frauen sind nicht
sicher. Steuereintreiber fo rdern
exorbitante Kriegsabgaben. Und
nun soll auch noch jedes Dorf
Soldaten fü r die Armee des Kai­
sers stellen. Seit Wo chen rattern
Pferdewagen durchs Land, um die
jungen Kerle gefesselt zu den Re­
krurensammelstellen zu bringen.
Genug ist genug: "Lieber
bayerisch sterben als kaiserlich
verderben", lautet die Losung der
Aufständischen, die seit Wo chen
durch Bayern hallt.
Bald nach Mitternacht er­
reicht Püechls Abteilung Mün-
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