heraus, langsam, auf Knien, mit
dem Rosenkranz in der Hand.
D
och dann bricht die
Hölle los. Denn
die Kaiserlichen
halten sich nicht
an die Ve rabre
dung. Wild schreiend stürzen sich
die Soldaten auf die Wehrlosen.
Reiter preschen in den Haufen der
knienden oder sich panisch zur
Flucht wendenden Männerund
hacken mit Säbeln auf sie ein.
Infanteristen stürmen hinterher,
schießen oder stechen die Über
lebenden nieder.
Der Schnee auf dem Feld
fä rbt sich rot vom Blut der Bau
ern. Sogar auf dem Friedhof um
das Gotteshaus wüten die Solda
ten. Kein Offizier gebietet den
Entfesselten Einhalt.
Panisch flüchten Aufständi
sche in die Kirche, wohl in dem
Glauben, zumindest dort auf Gna
de hoffen zu dürfen - am We ih
nachtstag an einem geweihten
Ort. Doch erbarmungslos metzeln
Soldaten die letzten Überleben
den vor dem Altar nieder.
1100 tote Rebellen liegen am
Mittag des 25. Dezember zwi
schen dem Münchner lsartor und
der Sendlinger Pfarrkirche. Von
den mehr als 600 Ve rwundeten
werden noch etliche ihren Leiden
erliegen. Die Kaiserlichen zählen
nur 40 Gefallene und Verletzte.
Michael Püechl aber entgeht
dank seinem Sprung in die eisige
lsar dem Gemetzel. Zweimal wir
belt ihn der reißende Gebirgsfluss
umher. Schließlich, als er fast
schon aufgegeben hat, spült ihn
die Strömung an den schilfbestan
denen Uferbereich. Später gelingt
ihm die Flucht in Richtung Alpen.
Er kehrt an den Te gernsee
zurück und stiftet der Jungfrau
Maria eine Messe, als Dank
für die wundersame Rettung.
Ein Pfarrvikar in Püechls Hei
matort schreibt dessen Ge
schichte im Mirakelbuch der
Gemeinde nieder und über
liefert sie so der Nachwelt.
Die "Sendlinger Mord
weihnacht" wird zur Wende
der Rebellion: Der südbaye
rische Bauernhaufen ist zer
schlagen. Und die Aufstän
dischen im Osten, die bald
darauf vom Massaker erfah
ren, treten demoralisiert den
Rückzug an, viele Bauern laufen
davon. Binnen weniger Ta ge ist
nur noch ein harter Kern von
knapp 3000 Mann übrig.
Die kaiserlichen Truppen
stellen sie am 8.Januar 1706 und
töten wahrscheinlich 2000 von
ihnen. Ein Oberst wird voller
Stolz an den Oberbefehlshaber
der kaiserlichen Tr uppen schrei
ben: "Ich lasse massakrieren, was
mir unter die Finger kommt:'
Danach bricht der Auf
stand endgültig zusammen.
Der eroberte Festungsort
Braunau fällt kampflos. Als
eine der letzten Städte in Re
bellenhand verlieren die Bau
ern am 18. Januar Burghausen.
Insgesamt sind 5000 Men
schen ums Leben gekommen.
Die Besatzer trumpfen
nun aber nicht auf. Stattdes
sen erlassen sie allen Män
nern, die in den Bauernheeren
mitgelaufen sind, die Strafe
- wohl um ein Wiederauf
flammen der Unruhen zu ver
meiden. Nur einige Anführer
werden hingerichtet.
Die Zwangsrekrutierun
gen, die einst den Aufstand
ausgelöst haben, schaffen die
Kaiserlichen offiziell ab. Die
Ausbeutung der Menschen
LITERATURTIPPS
CHRISTfAN PROBST
»Lieber bayrisch sterben«
Geschichte der
Bauernrevolte
(Süddeutscher Verlag).
MATTHIAS SCHNETTGER
beenden sie dagegen nicht.
Jahr um Jahr fo rdern Truppen
�artier, ziehen die Beamten
Steuern zur Finanzierung des
Krieges ein, insgesamt mehr
als 20 Millionen Gulden.
»Der Spanische
Erbfolgekrieg«
Konzise Darstellung des
Konflikts, der zum Aufstand
führte (C.H. Beck).
Erst 1714 kommt der
Erbfolgekrieg durch einen
Friedensschluss zu einem
Ende: Frankreich und Öster
reich vereinbaren einen Kom
promiss, der dem Enkel des
Franzosenkönigs den Thron
in Madrid zuspricht und die
Habsburger dafür mit Terri-
IN KÜRZE
1701 entbrennt zwischen
dem römisch-deutschen
Kaiser und dem König von
Frankreich ein Krieg um
die spanische Thronfolge,
die beide Herrscher für
Mitglieder ihrer Familien
beanspruchen. Weil
Bayerns Kurfürst in dem
Konflikt mit Paris paktiert,
lässt der Kaiser das Kur
fürstentum besetzen.
Am 25. Dezember 1705
versuchen Bauern, die
verhassten Besatzer aus
München zu vertreiben.
Ein ungleicher Kampf, dem
mehr als 1100 Aufständi
sche zum Opfer fallen.
torien wie den Spanischen Nie
derlanden und dem Königreich
Neapel entschädigt.
BAYERN ABER BRINGT der Frie
densschluss, nach mehr als einem
Jahrzehnt Krieg und Fremdherr
schaft, nur die Wiederherstellung
des Status quo. Die Besatzerziehen
ab, der vertriebene Kurfürst kehrt
aus dem Exil zurück. Am 10. April
1715 rollt die Kutsche Max Erna-
nuds in München ein.
Doch so groß die Er
leichterung der Menschen
über den Abzug der Habsbur
ger auch sein mag: Sie schwin
det, als sich zeigt, dass der
Kurfürst ebenso rücksichtslos
wie in früheren Zeiten vor
geht. Binnen Kurzem bürdet
er seinen Untertanen erneut
hohe Steuern auf, diesmal
zur Finanzierung von baro
cken Prachtbauten wie dem
Nymphenburger Schloss. Die
Staatsschuld wächst bis zum
To d des Herrschers 1726 auf
25 Millionen Gulden an.
Der Aufstand aber
brennt sich tief in das Ge
dächtnis der Bayern ein, vor
allem das Massaker vom
- Dezember 1705: die Send
linger Mordweihnacht. 0