Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1

Die Te ilhaber der
BAAC warfen Raule 1694
Misswirtschaft vor. Höf­
linge behaupteten, er habe
Bilanzen gefälscht und sich
selbst auf Kosten der Ge­
sellschaft bereichert. Und
in der Tat hatte der risiko­
freudige Geschäftsmann
in Berlin ein Gutshaus mit
Park erwerben können, das
er zum Schloss umbauen
ließ, und besaß Ländereien
in Potsdam.
Im Jahr 1698 befahl
der Kurfürst, Raule zu
verhaften, in die Festung
Spandau einzusperren und
sein gesamtes Ve rmögen zu
beschlagnahmen. Zu einem


LITERATURTIPPS

ULRICH VAN DER HEYDEN
»Rote Adler an
Afrikas Küste<<
Detailreiche Schilderung von
Entstehung und Untergang
der Kolonie Großfriedrichs-
burg (Brandenburgisches
Verlagshaus; antiquarisch).

JEREMY BLACK
nThe Atlantic: Slave Trade
in World History<<
Darstellung des Sklavenhan-
dels über den Atlantik und
die Rolle der verschiedenen
europäischen Nationen
(Routledge).

We tters umkehren oder
waren gekapert worden.
Immer energischer drängte
die Garnison auf ihre
Ablösung. Und so mietete
Friedrich I. Ende 1708 bei
niederländischen Reedern
zwei Schiffe, die "Prinz
Eugen" und die "Maria",
um den siechen Komman­
danten Heinrich Lamy und
seine Männer abzuholen.

MÄRZ 1709. Am Horizont
vor Großfriedrichsburg
leuchten die Segel der
"Prinz Eugen" und der
"Maria". Auf der Reede
werfen beide Schiffe An-

Prozess kam es jedoch nie, es fe hlten die
Beweise.

ker. Heinrich Lamy und
seine Männer sind endlich erlöst. Der
Kommandant, der an Schwindsucht und
Lähmungen der Hände leidet, geht mit
seinen Untergebenen an Bord.

Benjamin Raule wurde 1702 wieder
aus der Haft entlassen. Er musste sich
nach Emden zurückziehen, hauste dort
drei Jahre lang auf einem Schiff. 1707
starb der erste und letzte Marinedirektor,


Ein neuer Befehlshaber übernimmt
mit seiner Mannschaft, darunter 16 Sol­
daten, die Festung. Sie haben Proviant
für zwei Jahre dabei. Ihre
Aufgabe: das Fort weiter
zu halten.

den Brandenburg-Preußen
je hatte, schließlich verein­
samt in Hamburg.
Der Kurfürst, inzwi­
schen als Friedrich I. König
in Preußen, hatte drängen­
dere Sorgen als Großfried­
richsburg. Die Kriege in
Europa, der Kampf der
Habsburger gegen Spanien
und Frankreich, bean­
spruchten seine Aufmerk­
samkeit mehr als ein un­
gewisses Unternehmen in
Afrika.
1707 war die BAAC
nahezu bankrott. Die we­
nigen Schiffe, die sie in den
letzten Jahren noch hatte
ausrüsten und nach Groß­
friedrichsburg schicken
können, mussten unter­
wegs wegen schlechten


IN KÜRZE

Großmannssucht und
Geldprobleme treiben
Friedrich Wilhelm von
Brandenburg-Preußen
1683 dazu, ein Fort
an Afrikas Westküste zu
errichten und in den
Sklavenhandel einzustei-
gen. Doch gegen die
europäischen Kolonial-
mächte können sich die
Brandenburger im
Überseehandel nicht
behaupten. Schon nach
wenigen Jahrzehnten muss
Berlin den Stützpunkt
wieder aufgeben -unter
großen finanziellen
Verlusten.

Doch in Europa ha-
ben die Te ilhaber der
BAAC ihren Glauben an
die Kompanie verloren,
niemand möchte mehr
Geld in das Unternehmen
investieren. In Emden ver­
fällt das Kontorhaus, im
Hafen vermodern die
letzten beiden Schiffe der
Firma.
1711 widerruft König
Friedrich I. den offiziellen
Schutzbrieffür die Gesell­
schaft und erklärt die Ak­
tien der BAAC für "erlo­
schen" - damit fällt die
Firma in seinen Besitz.
Allerdings scheut sich der
Monarch, den kolonialen

Traum seines Vaters ganz und gar ein­
zustampfen.
Diese Skrupel hat sein Sohn Fried­
rich Wilhelm I., der ab 1713 regiert,
nicht. Er sieht in Großfriedrichsburgnur
eine "Schimäre", die Brandenburg mehr
als zwei Millionen Taler gekostet habe.
Und so verkauft er die Kolonie (so­
wie die Insel Arguin) im Jahr 1717 für
6000 Dukaten an die niederländische
We stindien-Kompanie- Brandenburgs
großen Rivalen im DreieckshandeL
Gut zwei Jahre zuvor hat in West­
afrika der letzte Sklaventransport der
BAAC abgelegt: Die "König von Preu­
ßen" brachte 212 geraubte Menschen
nach St. Thomas.
Rund 24 000 Sklaven verschlepp­
ten die Brandenburger während ihrer
Kolonialzeit insgesamt, von denen be­
reits auf der Überfahrt in die Neue Welt
mehr als 4000 ums Leben kamen. Die
Männer der Kompanie waren damit nur
ein kleiner Spieler im transatlantischen
Menschenhandel - auch wenn sie auf
viel mehr gehofft hatten.
Die Niederländer benennen die
von ihnen erworbene Festung 1724 in
"Hollandia" um (und werden sie mit ih­
ren anderen Fons an der Goldküste 1872
an die Briten verkaufen). Ve rlockend war
vermudich der niedrige Preis- sowie die
Aussicht, einen Konkurrenten endgültig
aus dem Geschäft zu drängen.
Doch der Unterhalt der Forts und
ihrer Besatzungen im fe rnen Afrika wird
für die Europäer immer mehr zur fi nan­
ziellen Last.
Ab 1830 dringen sie schließlich
selbst tiefer ins Innere Afrikas vor und
kolonisieren weite Te ile des Kontinents.
Im Laufe der Jahre verfallen Groß­
fr iedrichsburgs Mauern aus blassgelbem
Granit. Zerbröckeln die Magazingebäu­
de. Überwuchern schließlich Schling­
pflanzen und Kakteengestrüpp die Rui­
nen der We hrgänge und Bollwerke.
So als wäre das afrikanische Aben­
teuer des Großen Kurfürsten nichts als
ein Traum gewesen. 0
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