P.M. Fragen und Antworten - 08.2019

(Nancy Kaufman) #1

JJ POLITIK US-Präsident Trump und
Chinas Staatschef Xi Jinping
geben sich die Hand.
Doch ihre Mienen zeigen:
Ein Konflikt droht


Kann man Kriege


vorhersagen?


D


er amerikanisc

.

he Ex-General
Ben Hodges glaubt, dass in den
nächsten 15 Jahren ein Krieg
zwischen den USA und China
ausbrechen wird. Woherwill Hodges das
wissen? Seine Analyse beruht auf einer
Theorie des griechischen Militärhisto­
rikers Thukydides, der vor 2400 Jahren
lebte. Nach dessen Auffassung ist Krieg
fast unausweichlich, wenn eine Welt­
macht durch eine aufstrebende Macht
unter Druck gesetzt wird. Dann beginnt
die Weltmacht Krieg, um ihre Position zu
sichern (und oft vel'liert sie ihn). Damals
waren die Gegner Sparta und Athen.
Heute sind es die USA und China.
Moderne Kriegsforscher nennen
dieses Phänomen die Thukydides-Falle.
Der Politologe und Harvard-Professor
Graham Allison hat 16 kritische Situa­
tionen der vergangenen 500 Jahren ana­
lysiert, in denen die Thukydides-Falle
aufgespannt worden war. Zwölfmal
schnappte sie erwartungsgemäß zu,

KONFLIKT-MONITOR


Die Farben der ViEWS­
Quadrate zeigen, wo
Gewaltausbrüche drohen:
Blau steht für kleine
Gefahr, Rot für große

32 Fragen&Antworten


zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg
(1618-1648) und im Ersten Weltkrieg
(1914-1918). Aber viermal konnte der
Krieg auch verhindert werden, etwa in
der Konfrontation zwischen der Sowjet­
union und den USA nach dem Zwei­
ten Weltkrieg. In diesem sogenannten
Kalten Krieg entwickelten die Mächte
ein-wenn auch äußerst heikles-Gleich­
gewicht des Schreckens durch Atomwaf­
fen. Im Falle eines Krieges hätten die
Gegner einander komplett vernichtet.
Und genau darum kam es nicht dazu. Die
Abschreckung war einfach zu groß. So
jedenfalls sehen das Militärstrategen.
Eine konkrete Voraussage für den
aktuellen Konflikt zwischen USA und
China lässt sich daraus nicht ableiten.
Neben den Atomwaffen fließen da zu
viele Variablen ein. Doch manche For­
schungsinstitute und Sicherheitsunter­
nehmen versuchen dennoch, gewaltsa­
me Auseinandersetzungen möglichst
genau zu prognostizieren.

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Die Firma Predata in NewYork zum Bei­
spiel. Siewurdevon Ex-CIA-Agentjames
Shinn gegründet und analysiert im Auf­
tragvon Ölkonzernen, Finanzinvestoren
und Behörden Kriegsrisiken. Shinn kam
auf die Idee, als er Propaganda-Videos
derTerrororganisation Islamischer Staat
(IS) auswertete. Die Videos waren inter­
essant, aber noch interessanter fand er
die Kommentare darunter. Allein ihre
Menge verriet schon viel über die nächs­
te mögliche Attacke.

SIGNALWÖRTER LIEFERN INDIZIEN,
OB EIN KONFLIKT ESKALIERT
Die Spezialisten von Predata schürfen
im Internet nach Daten und werten sie
aus. Tausende Twitter-Feeds, Wikipedia­
Seiten und YouTube-Kanäle aus über
200 Ländern werden nach bestimmten
Signalwörtern durchsucht und mit vor­
handenen Informationen abgeglichen.
In einem Fall ging es um die Mög­
lichkeit neuer bewaffneter Konflikte
nach dem Friedensvertrag im Südsudan.
Eines der Signalworte war #SPLM-10,
der Hashtag für die militante >>Sudan
People's Liberation Movement-in-Oppo­
sition<<-Bewegung. Die Online-Aktivi­
täten mit diesem (und vielen anderen)
Hashtags werden ermittelt und analy­
siert. Kommt es in diesen Metadaten zu
einer Häufung, erkennt der Computer
das Risiko für eine Eskalation etwa drei
Monate im Voraus.
Ob Syrien, Jemen oder Mexiko: Die
Liste der Kriege, Bürgerkriege, Konflikte
und Unruhen, die tagtäglich unschuldi­
ge Opfer fordern, ist lang. Laut Studien
der Hamburger Arbeitsgemeinschaft
Kriegsursachenforschung (AKUF) wur­
den im Jahr 2018 weltweit insgesamt
28 Kriege und bewaffnete Konflikte ge-

8/2019
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