P.M. Fragen und Antworten - 08.2019

(Nancy Kaufman) #1

JJPOLITIK


LESERFRAGE: ISABELL BONATH, E-MAIL


In welchen Ländern


gibt es Mindestlohn?


MINDESTLÖHNE SOLLEN
VERHINDERN, dass jemand, der Voll­
zeit arbeitet, trotzdem arm bleibt.
Sie sind ein wichtiges soziales Ziel der
Europäischen Union. 22 EU-Länder
haben dafür bislang die Grundlagen
geschaffen. Deutschland führte
den Mindestlohn nach vielen Debatten
im Jahr 2015 ein, er gilt inzwischen in
allen Branchen. Seit Anfang des Jahres
müssen Arbeitgeber demnach 9,19
Euro pro Stunde an ihre Beschäftigten
bezahlen. Tarifverträge, die darunter­
liegen, sind nicht mehr zulässig.
Was die Höhe betrifft, liegt
Deutschland damit laut dem Wirt­
schafts- und Sozialwissenschaftlichen
Institut (WS I) der Hans-Säckler-Stif­
tung EU-weit seit dem 1. April 2019 an
siebter Stelle. Den ersten Rang nimmt
Luxemburg ein (11,97 Euro), gefolgt von
Frankreich (10,03), den Niederlanden
(9,91), Irland (9,80), Belgien (9,66) und
Großbritannien (9,28). Im Mittelfeld

In Euro pro Stunde


  • inderEU

  • in anderen ausgewählten Ländern


AustraUen 11,98
Luxemburg 11,97
Neuseeland 10,37
Frankreich 10,03
Niederlande 9,91
Irland 9,80
Belgien 9,66
Großbritannien 9,28
Deutschland 9,19
Kanada' 8,59
Japan• 6,70
USA 6,14
Spanien 5,45
Slowenien 5,10

liegen Spanien (5,45), Slowenien (5,10)
und Malta (4,40). Elf EU-Staaten
zahlen nur zwischen zwei und vier
Euro: Portugal, Griechenland, Litauen,
Estland, Tschechien und Polen lie­
gen über drei, die Slowakei, Kroatien,
Ungarn, Rumänien und Lettland un­
ter drei Euro. Schlusslicht ist Bulgarien
mit 1,72 Euro.
Die absolute Höhe des Mindest­
lohns sagt allerdings noch nichts
darüber aus, ob und wie gut jemand
davon leben kann. Bezieht man Le­
benshaltungskosten und Kaufkraft in
den Ländervergleich mit ein, verändert
sich die Rangfolge: So liegt etwa
Rumänien beim Mindestlohn auf
Platz 20, gemessen am Kaufkraftstan­
dard (KKS) wegen der niedrigen Le­
benshaltungskosten aber auf Platz
zwölf. ln Slowenien ist es umgekehrt:
Der dortige Mindestlohn nimmt abso­
lut den neunten Platz im EU-Ranking
ein, gemessen am KKS fällt das Land

Griechenland 3, 76
Portugal 3,61
Litauen 3,39
Estland 3,21
Tschechien 3,11
Polen 3,05
Slowakei 2,99
Kroatien 2,92
Ungarn 2,69
Rumänien 2,68
Lettland 2,54
Türkei 2,30 -
Bulgarien 1, 72 -
Russland 0,88 -
Malta 4,40 ·Durchschnitt regionaler Mindestlöhne

34 Fragen&Antworten


aber auf Rang 17 zurück. Bezieht man
die Kaufkraft mit ein, rückt Deutsch­
land vom siebten auf den vierten Platz
innerhalb der EU vor.
Die nordeuropäischen Länder,
Italien und Österreich haben keinen
Mindestlohn nötig, so das WS I,
weil dort Tarifbindung und -löhne
ohnehin höher sind als in anderen
EU-Staaten.ln Österreich haben sich
Arbeitgeberverbände und Gewerk­
schaften zudem geeinigt, dass bis zum
Jahr 2020 Tariflöhne die Untergrenze
von 1500 Euro monatlich nicht unter­
schreiten dürfen -und dies bei
verpflichtenden 14 Monatsgehältern.
ln seiner jährlich aktualisierten
Datenbank zum Mindestlohn führt das
WSI neben den EU-Staaten folgende
europäische Länder auf: Albanien,
Mazedonien, Moldawien, Russland,
Serbien, die Türkei und die Ukraine
sowie die außereuropäischen Indus­
trie-und Schwellenländer Argentinien,
Australien, Brasilien, Japan, Korea,
Kanada, Neuseeland und die USA. Dort
liegen die Mindestlöhne zwischen
0,78 Euro (Moldawien und Ukraine) und
11,98 Euro in Australien, das damit den
Ranglistenersten der EU, Luxemburg,
um einen Cent übertrifft. (crs)

Die Grafik zeigt: Es
gibt europa-und
weltweit viele Länder
mit Mindestlöhnen.
Doch deren Höhe
variiert sehr stark

8/2019
Free download pdf