P.M. Fragen und Antworten - 08.2019

(Nancy Kaufman) #1

)) WISSENSCHAFT


Warum wachsen Menschenkinder


so langsam?


M


enschenkinder wachsen
deutlich langsamer als der
Nachwuchs anderer Säuge­
tiere. Zum Beispiel Giraffen:
Nach nur sechs Lebensjahren können
sie schon die Blätter vom Baum knab­
bern. Aber auch Primaten wachsen
schneller als unsereins. Und das hat
einen guten Grund: Würden wir Men­
schen uns körperlich genauso rasch
entwickeln, wären wir wohl kaum intelli­
genter als andere Tiere.
Beides, Schlauheit und Größe, gibt
es nicht »kostenlos«. Die notwendige
Energie für die Entwicklung dieser
Eigenschaften muss sich der Organis-

musgut einteilen, Gehirn und übriger
Körper treten da in Konkurrenz. Die
Evolution hat das daher so gelöst: Nach
dem Motto >>heute schlau, morgen auf
Augenhöhe« wird das Körperwachstum
nach einem kräftigen Anfangsschub von
rund 25 Zentimetern im Säuglingsalter
fürs Erste abgebremst: Dann ist erst
einmal das Gehirn an der Reihe.
Wie ein Forscherteam um den
Anthropologen Christopher Kuzawa vor
ein paar Jahren zeigen konnte, lässt sich
die enge Wechselbeziehung zwischen
Hirnentwicklung und Körperwachstum
am Energieverbrauch ablesen. Etwa mit
dem Start ins zweite Lebensjahr beginnt
das kindliche Gehirn, auf >>Energiefres­
ser« umzuschalten und nach und nach
mehr Glukose zu verbrauchen. Im Alter
von rund fünf Jahren schluckt es dann

bis zu zwei Drittel aller verfügbaren
Glukosereserven - ein Spitzenwert,
denn das ausgewachsene Gehirn
braucht nur halb so viel.
Der Energiebedarf im Kindergarten­
alter spiegelt die rasante Entwicklung
des jungen Gehirns wieder: Unter Hoch­
druck verbinden sich immer mehr
Nervenzellen untereinander, die Kinder
saugen Informationen auf, verarbeiten
immer neue Reize, lernen ungemein viel
dazu. Später in der Pubertät werden
viele dieser Verbindungen wieder
gekappt. Das Gehirn arbeitet sparsa­
mer, und dann steht auch wieder mehr
Energie fürs Längenwachstum zur
Verfügung. Am Ende erreichen so auch
wir eine respektable Körpergröße -
auch wenn es nicht zum Knabbern an
Baumkronen reicht. (mf)
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