P.M. Fragen und Antworten - 08.2019

(Nancy Kaufman) #1

0 b beim Zwiebelschneiden, aus
Liebeskummer oder bei einer
Beerdigung: Anlässe für Tränen
gibt es oft im Leben. Doch
Träne ist nicht gleich Träne.
Da wären zum einen die »Reflexträ­
nen«, sie werden durch Fremdkörper oder
Reize hervorgerufen, also beispielsweise
durch ein Staubkorn im Auge oder ein
ätzendes Gas. »Basale« Tränen befeuchten
beim Blinzeln die Hornhaut des Auges, so
trocknet sie nicht aus. Doch dann gibt es
da noch die emotionalen Tränen, die durch
starke Gefühle ausgelöst werden. Und
es scheint so, als sei der Mensch das einzige
Lebewesen, das aus emotionalen Gründen
weint. Doch warum kann er das?
Ad Vingerhoets, Psychologe an der
Universität Tilburg in den Niederlanden,
beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem
Thema Weinen. Für ihn stellen Tränen
eine Verbindung zwischen Menschen her.
Tränen sind ein Zeichen für Hilflosigkeit
und Einsamkeit und wecken Mitgefühl.
Erwachsene weinen sogar wegen des Leids
anderer. Auch positive Erlebnisse lösen
Tränen aus. Bei »Freudentränen« weint
die Person, weil sie ihre glücklichen
Emotionen nicht mehr anders auszudrücken
weiß oder weil sie sich beispielsweise
bei einem Wiedersehen mit einem
Menschen an die schmerzhafte Zeit der
Trennung erinnert.
Und warum weinen manche Menschen
mehr als andere? Die genetische Veran­
lagung spielt eine wichtige Rolle, aber auch
Schlafmangel, Alkohol und Krankheiten
erhöhen die Neigung zum Weinen. Zudem
sorgen kulturelle Prägungen dafür, dass
Frauen häufiger als Männer weinen: auf­
grundvon vorgelebten Rollenbildern oder
weil sie im Berufsleben oder in der Freizeit
häufiger mit emotionalen Situationen
konfrontiert werden. Das männliche
Geschlechtshormon Testosteron bremst
wiederum die Neigung zum Weinen.
So vielfältig die Gründe zum Weinen
auch sein mögen, die Wirkung von
Tränen scheint stets die Gleiche zu sein:
»Tränen lassen uns freundlicher, aufrechter,
ehrlicher erscheinen. Mit so einer Person
kommt man leichter in Kontakt«, erläutert
der Psychologe Ad Vingerhoets. Weinen
ist also ein besonders wichtiger Teil
unseres Sozialverhaltens. (ah)


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8/2019 � Fragen&Antworten 65

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