Frankfurter Allgemeine Zeitung - 02.08.2019

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SEITE 2·FREITAG, 2. AUGUST 2019·NR. 177 F P M Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Nicht nur der Wald steht vor dem Kollaps
Die „Emder Zeitung“ befasst sich mit der Furcht vor
einem neuen Waldsterben in Deutschland:
„Heute wird der bedrohte deutsche Wald globaler ge-
sehen, die Verschmutzung unserer Umwelt nicht mehr
nur allein am nächsten Industrie-Schornstein festge-
macht. Das Bewusstsein der Menschen ist ein anderes.
Der Wald leidet mehr denn je. Aber tun wir wirklich et-
was dagegen? Oder warten wir insgeheim ab, bis auch
diese ,Phase‘ an uns vorüberzieht wie damals das ,Wald-
sterben‘? Das wäre ein großer Fehler. 30 Jahre nach
dem sauren Regen steht die Welt vor dem Kollaps. Nicht
nur der Wald.“


Unserem Planeten sind wir egal
Die slowakische Tageszeitung „Sme“ schreibt zum Kli-
mawandel:
„Ob wir nur auf unser eigenes Wohlbefinden schauen
und notfalls anderen die Schuld geben oder ob wir gegen
Trinkhalme und Plastiksäcke kämpfen... ist unserem
Planeten im Grunde egal. Er hat schon das Aussterben


mehrerer Arten überstanden, und jedes Mal bedeutete
das einen neuen Evolutionssprung. Wir schaden nicht
dem Planeten, sondern nur uns selbst... Alle unsere
Skandale, Betrügereien und Affären werden am Ende
Banalitäten sein. Wenn sich der Golfstrom von uns ver-
abschiedet, stehen unsere Länder bald unter Wasser und
unsere Gebirge werden zu Inseln. Der Begriff ,Erderwär-
mung‘ ist längst abgenutzt, wir sollten lieber von einer
globalen Katastrophe sprechen, damit die Gefahr erns-
ter genommen wird. Aber auch dann werden zu viele
meinen, dass sie das alles nicht betrifft und sowieso nur
andere daran schuld sind.“

Die Welt rückt einem Krieg näher
Die russische Zeitung „Moskowski Komsomolez“ kom-
mentiert das Ende des INF-Abrüstungsvertrags über
landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen:
„Das Ende dieses Vertrages wird nach Einschätzung
von Experten das Risiko eines atomaren Konflikts mit
Raketen erhöhen und die Welt näher an einem Krieg
mit all seinen katastrophalen Folgen bringen. Jede Seite


  • die Vereinigten Staaten und Russland – vertritt ihre
    Version dessen, wie es dazu gekommen ist.... Aber eine
    Erörterung der gegenseitigen Anschuldigungen hat es
    nicht gegeben. Der Kreml war bereit für sachliche Ge-
    spräche, die Vereinigten Staaten aber hielten den Dia-
    log für unangebracht. Was erwartet unsere Länder nun
    nach der Zerschlagung des Abkommens? Die Experten
    geben ganz unterschiedliche Ausblicke. Einig sind sie
    nur in einem: Sicherer wird die Welt nun nicht.“


Die NGOs nehmen im Mittelmeer Fahrt auf
Die italienische Zeitung „La Repubblica“ kommen-
tiert den Fall des italienischen Küstenwachenschiffes
mit geretteten Migranten an Bord:
„Dass die 116 Migranten endlich von Bord des Küsten-
wachenschiffs ,Gregoretti‘ dürfen, ist Frankreich,
Deutschland, Portugal, Irland und Luxemburg zu verdan-
ken. Diesen fünf Ländern von acht, die bei dem Treffen
in Paris – das Innenminister Matteo Salvini geschwänzt
hat – vorgeschlagen haben, dass die Verteilung der geret-
teten Migranten nach einem Mechanismus automatisch

abläuft. Das hat auch dieses Mal für Salvini die heißen
Kohlen aus dem Feuer geholt, bevor auch in diesem Fall
die Justiz die Anlandung des Schiffes angeordnet hätte.

... Aber jetzt nimmt die Herausforderung der NGOs mit-
ten in der sommerlichen Hochsaison wieder an Fahrt auf.
Obwohl drei Schiffe derzeit beschlagnahmt sind, trotz
höchster Strafen und Ermittlungen wegen Beihilfe zu ille-
galer Einwanderung gegen Kapitäne und Einsatzleiter,
sind drei zivile Rettungsschiffe wieder bereit, Migranten
auf der Flucht über das zentrale Mittelmeer zu retten.“


Berlin fehlt Interesse für Polens Geschichtsbild
Die „Landeszeitung“ (Lüneburg) beschäftigt sich mit
dem Gedenken an den Warschauer Aufstand:
„In Berlin mangelt es an Interesse für das polnische
Geschichtsbild, wie die fehlende Bereitschaft des Bun-
destags zum Gedenken belegt. Und dabei fußen die aus
Berliner Sicht oft so anstrengenden polnischen Allein-
gänge etwa bei der Flüchtlingspolitik und die Anbiede-
rungen an Washington auf der Selbstwahrnehmung, ein
Opfer zweier übermächtiger Nachbarn zu sein.“

STIMMEN DER ANDEREN


PARIS ,1. August. Der frühere konservati-
ve Parteichef Jean-François Copé ist bis
heute stolz auf das Burkaverbot, das er
vor fast einem Jahrzehnt gegen Wider-
stand in der Regierung durchsetzte. „Wir
wollten ein klares Statement gegen den is-
lamistischen Fanatismus“, sagte er im
Rückblick. Seit 2011 ist es in Frankreich
gesetzlich verboten, im öffentlichen
Raum sein Gesicht zu verhüllen. Für
Copé, der inzwischen nur noch als Bürger-
meister im Pariser Vorort Meaux aktiv ist,
entfaltet das Gesetz eine nicht zu unter-
schätzende Wirkung. Für Franzosen mus-
limischen Glaubens sei es wichtig, klare
Grenzen des Miteinanders im öffentli-
chen Raum zu kennen. Es zähle nun mal
zum Wesen der französischen Gesell-
schaft, dass sich deren Mitglieder auf der
Straße ins Gesicht sehen könnten. Copé
freut es, dass das Burkaverbot in Europa
die Debatte verändert und Nachahmer ge-
funden hat.
Die Burka war in Frankreich immer ein
Minderheitenphänomen, aber das Gesetz
habe dazu beigetragen, dass sich die Voll-
verschleierung nicht weiter ausgebreitet
habe, lautet die Einschätzung von Islam-
fachleuten wie Olivier Roy vom Europe-
an University Institute in Florenz. Die Kri-
tik des UN-Menschenrechtsausschusses
an Frankreich im vergangenen Oktober
hält Copé für „das falsche Signal zur fal-
schen Zeit“. Es sei bedauerlich, dass die
Vereinten Nationen damit die radikalsten
islamischen Gruppen stärke. Die Sechs-
Monats-Frist, die der UN-Menschen-
rechtsausschuss Frankreich zu einer Stel-
lungnahme setzte, hat die Regierung ein-
fach verstreichen lassen. Die Stellungnah-
men des Gremiums sind rechtlich nicht
bindend. Der von einem Ägypter geleite-
te Ausschuss verlangte Korrekturen an
dem 2010 verabschiedeten Gesetz gegen
die Vollverschleierung im öffentlichen
Raum. Es verstoße gegen den „internatio-
nalen Pakt über bürgerliche und politi-
sche Rechte“ von 1966, den Frankreich ra-
tifiziert habe. So habe sich Frankreich

zum Prinzip der Religionsfreiheit ver-
pflichtet, das auch die Freiheit, seine Reli-
gion öffentlich zu zeigen, einschließe. Ein
grundsätzliches Verbot des Gesichts-
schleiers sei „unverhältnismäßig“, mo-
nierte der UN-Menschenrechtsausschuss.
Es schränke die individuellen Freiheits-
rechte zu sehr ein, diskriminiere die Frau-
en und zwinge sie in die soziale Isolation.
Seit Inkrafttreten des Burkaverbots vor
neun Jahren wurden dem französischen
Innenministerium zufolge etwa 2000 Buß-
gelder verhängt. Ein Großteil davon geht
auf das Konto einer Gruppe voll verschlei-
erter Frauen, die regelmäßig zu einer
150-Euro-Strafe verurteilt wurden, in eini-
gen Fällen mehr als 50 Mal. Das liegt dar-
an, dass einige Trägerinnen bewusst den
Gesetzgeber herausfordern. Sie werden
von Aktivisten wie dem algerisch-franzö-
sischen Millionär Rachid Nekkaz unter-
stützt. Nach Verabschiedung des Gesetzes
legte Nekkaz einen Fonds „zur Verteidi-
gung der Freiheit und der Laizität“ mit ei-
nem Startkapital von einer Million Euro
auf. Nekkaz appelliert seither an Frauen,
sich an ihn zu wenden. Er begleicht die
Kosten für das Bußgeld. Auch in anderen
europäischen Ländern ist er aktiv, um
Burkaverbote zu unterlaufen. Zuletzt
machte er von sich reden, weil er in Alge-
rien für die Präsidentenwahlen kandidie-
ren wollte. Die französische Regierung
hält an dem Verbot fest und beruft sich da-
bei auf den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte. Dieser urteilte 2014,
dass das französische Gesetz mit dem
Recht auf Religionsfreiheit vereinbar sei.
Schleier, die das gesamte Gesicht bede-
cken, sind demnach nicht auf eine religiö-
se, sondern auf eine rein individuelle Ent-
scheidung zurückzuführen. Ein Ende der
Debatte hat das Burkaverbot nicht ge-
bracht. So tobt derzeit ein neuer Streit
über den „Burkini“. Aktivistinnen in Gre-
noble „besetzten“ ein öffentliches
Schwimmbad in dem Ganzkörperbadean-
zug. Die Stadtverwaltung zeigte sich em-
pört. Schon im Vorjahr war über ein Bur-
kiniverbot am Strand debattiert worden.

now.BRÜSSEL, 1. August. Die Nieder-
lande sind seit Donnerstag der sechste
von 28 EU-Staaten, die das Tragen von
Ganzkörperverschleierungen ganz oder
teilweise untersagen. Das jetzt in Kraft ge-
tretene niederländische Gesetz verbietet
zwar auch generell Vermummungen oder
das Tragen von Integralhelmen, es zielt
aber letztlich insbesondere auf die Burka
mit einem Stoffgitter vor den Augen so-
wie den mit Sehschlitzen versehenen Ge-
sichtsschleier (Niqab). Sie dürfen künftig
nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und
Verwaltungsgebäuden, aber auch nicht in
Schulen und Krankenhäusern getragen
werden. Auf offener Straße sind in den
Niederlanden Ganzkörperverschleierun-
gen fortan zwar nicht verboten; Ordnungs-
hüter dürfen sich jedoch das Gesicht zei-
gen lassen und die Identität der Personen
überprüfen. Bei Verstößen drohen theore-
tisch Geldstrafen in Höhe von bis zu meh-
reren hundert Euro.
In der Praxis dürfte das Gesetz nicht so
streng wie vorgesehen gehandhabt wer-
den. Die Stadtverwaltungen von Amster-
dam, Rotterdam und Utrecht haben
schon wissen lassen, dass die Vorschrif-
ten nicht zur Anwendung kommen soll-
ten. Die Grünen-Politikerin und Amster-
damer Bürgermeisterin Femke Halsema
gab zu verstehen, dass es in Krankenhäu-
sern und Schulen, aber auch für die Ver-
kehrsbetriebe wichtigere Aufgaben als
die Jagd auf Burkaträgerinnen gebe.
Dennoch sprach Geert Wilders, der
Vorsitzende der fremdenfeindlichen „Par-
tei für die Freiheit“ (PVV), der schon
2005 ein generelles Verbot der Ganzkör-
perverschleierung gefordert hatte, am
Donnerstag von einem „historischen
Tag“. Dem Fernsehsender NOS sagte Wil-
ders: „Es ist das erste Mal, dass eine
Anti-Islam-Maßnahme ausgeführt wird.
Und ich bin darüber auch froh.“ Außer in
den Niederlanden bestehen in der EU
auch Verbote in Belgien, Bulgarien, Dä-
nemark, Frankreich und Österreich. In


Deutschland gibt es seit 1985 zwar eine
generelle gesetzliche Regelung zum Ver-
mummungsverbot, sonst aber nur auf ein-
zelne Bundesländer beschränkte Vor-
schriften zur Ganzkörperverschleierung.
Besonders weitreichend sind die Verbots-
regeln in Frankreich und Belgien. Der
Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte in Straßburg hatte 2014 und 2017
nach Klagen aus beiden Ländern befun-
den, dass die Verbotsregelungen nicht ge-
gen die Menschenrechtskonvention ver-
stießen.
In den Niederlanden gibt es derzeit
nach Schätzungen nur 200 bis 400 Träge-
rinnen von Ganzkörperverschleierungen.
Der Befürchtung, aus Protest gegen das
wohl in der Praxis nur selten geahndete
Verbot werde die Zahl deutlich zuneh-
men, widersprach Badr Youyou, der ehe-
malige Vorsitzende der Moschee in Gro-

ningen. Der Zeitung „de Volkskrant“ sag-
te er: „Die allermeisten Musliminnen ver-
spüren nicht das Bedürfnis, ihre Zuwen-
dung zu Gott durch ein Niqab oder eine
Burka zum Ausdruck zu bringen.“ Frei-
lich gab Youyou zu bedenken: „Dennoch
sind viele gewöhnliche Musliminnen ver-
ärgert und irritiert über das Gesetz, da es
zu Diskussionen geführt hat, an denen ih-
nen in keiner Weise gelegen ist.“
Eine andere Auffassung vertrat der
Arabist Jaap de Ruiter von der Universi-
tät Tilburg. Für orthodoxe Musliminnen
sei nicht entscheidend, ob das Gesetz in
der Praxis zur Anwendung komme oder
nicht, sagte er der Zeitung „de Volks-
krant“. „Für sie ist das Verbot kennzeich-
nend für die Unvereinbarkeit der von
Gott vorgegebenen Scharia und dem von
Menschenhand geschaffenen demokrati-
schen Rechtsstaat“, so de Ruiter.

PEKING, 1. August


B


itte schauen Sie sich diesen Image-
film mit Kopfhörern an.“ Mit die-
sem freundlichen Appell zur Rück-
sichtnahme auf die Mitmenschen hat das
chinesische Militär ein Video verbreitet,
das alles andere als harmlos ist. Es enthält
eine unmissverständliche Drohung an die
Adresse der Hongkonger Protestbewe-
gung. Der drei Minuten lange Clip in
Kriegsfilmoptik zeigt Soldaten der Hong-
konger Garnison beim Häuserkampf ge-
gen imaginierte Terroristen, bei der Fest-
nahme imaginierter Unruhestifter und bei
der Versenkung eines imaginierten feindli-
chen Kriegsschiffs. Eingeblendet wird
dazu der Schriftzug: Trainingsszenen.
In einer Szene rücken Soldaten in Reihe
gegen fliehende Demonstranten vor. Ein
Soldat hält ein Schild mit der Aufschrift
„Warnung. Kommen Sie nicht näher, oder
wir setzen Gewalt ein“ hoch. Diese Art
von Schildern setzt die Hongkonger Poli-
zei derzeit bei Protestveranstaltungen ein.
Ein weiterer Soldat ruft in dem Video:
„Sie tragen das Risiko für alle Konsequen-
zen.“ Dass er dabei Kantonesisch und
nicht Mandarin spricht, ist ein klares Zei-
chen, an wen sich seine Botschaft richtet:
an die Hongkonger Aktivisten. In dersel-
ben Sequenz kommen auch Panzer und


junge Demonstranten in Handschellen
vor, untermalt von dramatischer Musik.
Vorgestellt wurde das Video in Hong-
kong am Mittwochabend bei einem Emp-
fang zum 92. Gründungsjubiläum der
Volksbefreiungsarmee. Dabei äußerte
sich der Kommandeur der in Hongkong
stationierten Truppen erstmals zu der po-
litischen Krise. Generalmajor Chan Dao-
xiang sagte, die gewaltsamen Proteste be-
drohten das Leben und die Sicherheit der
Bürger und sollten nicht toleriert werden.
Die Armee sei entschlossen, Chinas Sou-
veränität, den Wohlstand und die Stabili-
tät Hongkongs zu schützen.
Vor einer Woche hatte der Sprecher des
Verteidigungsministeriums angedeutet,
dass Peking einen Einsatz der Armee zu-
mindest nicht ausschließe. In der gegen-
wärtigen Lage erscheint ein solcher
Schritt gleichwohl unwahrscheinlich. Er
würde China wohl nicht nur international
isolieren, sondern auch jene besondere
Brückenfunktion zerstören, die Hongkong
für das Land hat. Selbst chinesische Staats-
unternehmen wickeln ihre Auslandsge-
schäfte vorzugsweise über Hongkong ab,
weil es dort einen freien Kapital- und Wa-
renaustausch mit dem Rest der Welt gibt.
Nicht zuletzt nutzt auch die Parteielite
Hongkong, um Geld zu parken und um
freier mit politischen und wirtschaftlichen
Gesprächspartnern zu kommunizieren,
als das in Peking möglich ist.
Dass ein Armeeeinsatz in der Metropo-
le für Peking mit sehr hohen Kosten ver-
bunden wäre, hat schon Margaret That-
cher verstanden. Während der Verhandlun-
gen über die Rückgabe der Kronkolonie an
China drohte Machthaber Deng Xiaoping
ihr 1982 mit einem Einmarsch der Armee
noch am selben Nachmittag. „Ich antworte-
te, dass sie das natürlich tun könnten, ich
würde sie nicht davon abhalten können.
Aber das würde Hongkongs Zusammen-
bruch bedeuten“, schrieb die damalige Pre-
mierministerin in ihren Memoiren.

Beide Seiten vereinbarten dann die Be-
dingungen, unter denen die Armee in der
neuen Sonderverwaltungsregion statio-
niert werden sollte. Am 1. Juli 1997 zogen
die Soldaten vom Festland aus feierlich in
Hongkong ein und übernahmen die Lie-
genschaften der britischen Armee. Im
Hongkonger Grundgesetz heißt es, das Mi-
litär solle sich „nicht in die internen Ange-
legenheiten der Region einmischen“. Die
Lokalregierung könne aber, „wenn nö-
tig“, zur Wiederherstellung der öffentli-
chen Ordnung oder im Katastrophenfall
in Peking um Unterstützung der in Hong-
kong stationierten Truppen ersuchen.
Kürzlich hat die Regierung von Carrie
Lam klargestellt, dass sie nicht gedenkt,
eine solche Anfrage zu stellen.
Derzeit sind in der Garnison zwischen
6000 und 8000 Soldaten stationiert. Ihnen
kam lange nur die symbolische Funktion
zu, Hongkongs Zugehörigkeit zu China zu
unterstreichen. Erst vor zwei Jahren hieß
es in der einflussreichen Parteizeitschrift
„Suche nach Wahrheit“, die Garnison
habe auch Kampffähigkeiten aufgebaut.

Zudem wurde angekündigt, die Armee sol-
le dazu beitragen, den Patriotismus in
Hongkong zu fördern. Unter anderem ver-
anstaltet sie Sommercamps für Kinder. In
dem Video der Hongkonger Garnison wer-
den zahlreiche Bürger zitiert, die ihre Be-
geisterung über die Soldaten ausdrücken.
Diese seien kampfstark, gutaussehend,
diszipliniert und nah an der Bevölkerung.
Die Patriotismuskampagne war allerdings
bislang alles andere als erfolgreich. In ei-
ner Studie der University of Hong Kong
antworteten kürzlich 90 Prozent der 18
bis 29 Jahre alten Teilnehmer auf die Fra-
ge, ob sie stolz seien, chinesische Staats-
bürger zu sein, mit Nein.
Vom Dienst in der Armee sind Hong-
konger bisher ausgeschlossen. Das Vertei-
digungsministerium hatte im vergangenen
Jahr Pläne bestätigt, das zu ändern. Diese
Pläne verschwanden nun unter dem Ein-
druck der aktuellen Proteste wieder in der
Schublade. Die „South China Morning
Post“ berichtete, es gebe Bedenken, dass
Rekruten aus Hongkong „ungesunde politi-
sche Ideen“ in die Truppe tragen könnten.

Die Drohung, die in dem Video zum
Ausdruck kommt, dürfte ihre einschüch-
ternde Wirkung nicht verfehlen. Die
Angst vor einem Militäreinsatz schwebt
wie eine dunkle Wolke über den Protes-
ten. Es ist eine Urangst in der Hongkonger
DNA. Denn die Stadt hat ein besonderes
Verhältnis zum 4. Juni 1989, als die KP zu-
letzt die Armee eingesetzt hat, um eine De-
mokratiebewegung niederzuschlagen. Da-
mals stand bereits fest, dass die Stadt acht
Jahre später an China zurückgegeben wer-
den würde. Die Panzer auf dem Tianan-
men-Platz lösten in Hongkong einen Mas-
senexodus aus. Hunderttausende wander-
ten nach Australien, Großbritannien, Ka-
nada, Amerika und Singapur aus.
Für weitere Beunruhigung sorgte ein
Bericht von Bloomberg, wonach das Wei-
ße Haus ein Zusammenziehen chinesi-
scher Kräfte an der Grenze zu Hongkong
beobachtet habe. Es sei aber unklar, ob es
sich um Polizisten oder Soldaten handle,
zitierte die Agentur einen Mitarbeiter des
Weißen Hauses. Man beobachte die Lage
sehr genau.

WASHINGTON/FRANKFURT, 1.
August. Am Mittwochnachmittag Wa-
shingtoner Ortszeit bestätigten rang-
hohe Regierungsmitglieder, was schon
Tage zuvor in der amerikanischen Re-
gierung erwogen worden war: Sanktio-
nen gegen den iranischen Außenminis-
ter Mohammed Dschawad Zarif zu ver-
hängen. Bankkonten und Vermögens-
werte, die Zarif in Amerika habe, seien
eingefroren worden. Amerikanischen
Bürgern würden jegliche Geschäfte
mit dem Diplomaten untersagt. Unklar
ist, ob Zarif auch die Einreise in die Ver-
einigten Staaten, etwa zu den Verein-
ten Nationen nach New York, unter-
sagt wird. Offenbar gibt es eine Ten-
denz in der Regierung von Präsident
Donald Trump, dies zu tun.
Erst vor zwei Wochen war Zarif in
New York gewesen. Dort hatte er in
Fernsehinterviews Amerika angepran-
gert, ein Schritt, der Außenminister
Mike Pompeo verärgert haben soll. Za-
rif habe gegen die Auflagen seines di-
plomatischen Visums verstoßen, das
ihm auferlege, sich nur am UN-Sitz zu
betätigen, hieß es.
Die Sanktionen gegen Zarif bedeu-
ten eine Eskalation der ohnehin zuge-
spitzten Krise zwischen den beiden
Staaten, da sie eine diplomatische Lö-
sung des Konflikts erschweren. Des-
halb hatte das State Department zu-
nächst Bedenken geäußert, als Trump
vor Wochen gegenüber Finanzminister
Steve Mnuchin den Schritt erwog. Mnu-
chin hob nun hervor, Zarif sei das
Sprachrohr der iranischen Regierung
und setze die „rücksichtslose Agenda“
von Revolutionsführer Ajatollah Ali
Chamenei um, gegen den schon im Juni
Sanktionen verhängt worden waren.
„Die Vereinigten Staaten senden die
eindeutige Botschaft an das iranische
Regime, dass dessen jüngstes Verhal-
ten vollkommen inakzeptabel ist.“
Ein ranghoher Regierungsvertreter
sagte, Zarif sei das „Gesicht des Re-
gimes, das im Ausland die Propaganda
und Desinformationskampagnen zu-
gunsten von Teherans Atompro-
gramm, seiner ballistischen Raketen
und seiner Terrornetzwerke verbrei-
tet“. Er sei in Wahrheit nicht Außenmi-
nister, sondern ein „Propagandaminis-
ter“. Sein Auftreten als „ehrlicher und
vernünftiger Gesprächspartner“ sei
nur „Fassade“.
In Teheran reagierten auffallend vie-
le Politiker mit Kritik und Spott auf die
amerikanische Entscheidung, was auf
großen Rückhalt für Zarif schließen
lässt. Der Außenminister, dessen Popu-
larität als Folge der neuen Sanktionen
in Iran wieder steigen dürfte, bedankte
sich auf Twitter dafür, dass er in Wa-
shington als eine solch große Bedro-
hung für die Agenda der amerikani-
schen Regierung gelte. Auswirkungen
auf ihn und seine Familie hätten die
Sanktionen aber nicht, da er in Ameri-
ka keine Bankkonten und auch sonst
keine Vermögenswerte habe. Er frag-
te, ob die Wahrheit, dass er der Spre-
cher Irans in der Welt sei, für die Verei-
nigten Staaten derart schmerzhaft sei.
Auch künftig bedürfe niemand einer
Lizenz der amerikanischen Regierung,
um seinen Interviews zu folgen. „Dia-
log und Frieden“ seien offenbar „exis-
tentielle Bedrohungen“ für das
„B-Team“ um den Nationalen Sicher-
heitsberater John Bolton.
Der iranische Präsident Hassan Ro-
hani unterstellte jenen, die in Washing-
ton Iran „Böses“ wollten, gar ein „kin-
disches Verhalten“. Einmal beteuerten
sie, ohne Vorbedingungen mit Teheran
reden zu wollen, sagte Rohani, dann
verhängten sie Sanktionen gegen den
Außenminister, mit dem sie doch spre-
chen müssten. Das zeige, wie verzwei-
felt die amerikanische Weltmacht sei,
wenn sie sich in einem solchen Maße
vor Irans Außenminister fürchte.
Abbas Araghtschi, der stellvertreten-
de Außenminister, sagte, es sei ein Wi-
derspruch, dass sich Finanzminister
Mnuchin gleichzeitig über Zarif als un-
bedeutenden Akteur in der iranischen
Politik lustig mache, ihn dann aber mit
Sanktionen belege. Der iranische Vize-
präsident Eshaq Dschahangiri sieht in
den Sanktionen lediglich einen weite-
ren Beleg für die amerikanische „Heu-
chelei und Unehrlichkeit“. Schließlich
müssten selbst Irans Gegner anerken-
nen, welche diplomatische Fähigkeiten
Zarif besitze, um Konflikte zu entschär-
fen und Kriege zu verhindern.
Bekannt wurde unterdessen, dass
Washington die internationale Koope-
ration mit Iran, die zivile Atomprojek-
te umfasst, vorläufig weiterhin nicht
sanktionieren will. Es handele sich um
eine abermalige Verlängerung der Aus-
nahmegenehmigung um 90 Tage, teilte
John Bolton mit. Die Aktivitäten wür-
den täglich und „sehr, sehr genau“
überwacht. Washington hatte die Aus-
nahmegenehmigung zuletzt im Mai
verlängert. Es geht dabei unter ande-
rem um Projekte an den Atomanlagen
Arak, Fordow und Buschehr. Dies er-
möglicht es etwa Russland und der Eu-
ropäischen Union, dort weiter mit Iran
zusammenzuarbeiten – mit dem Ziel,
den zivilen Charakter der Aktivitäten
dort sicherzustellen. (sat./Her.)

Ähnlichkeiten mit


realen Ereignissen


sind rein zufällig


Weitere Ausbreitung verhindert


DasBurkaverbot in Frankreich / Von Michaela Wiegel


In den Niederlanden tritt ein Burkaverbot in Kraft


Geldstrafen von mehreren hundert Euro / Einige Kommunen verweigern Anwendung


Wer den


Schaden hat,


spottet selbst


Washington sanktioniert


Irans Außenminister Zarif


Durch ein Video


versucht die chinesische


Armee, die Hongkonger


Demonstranten


einzuschüchtern. Ist ein


Einsatz des Militärs


in der Stadt denkbar?


Von Friederike Böge


Kampfstark und gutaussehend:Ein Video zeigt Soldaten in Hongkong beim Einsatz gegen imaginäre Demonstranten. Foto AFP


Bleibt auf öffentlichen Plätzen erlaubt:Eine voll verschleierte Frau in Rotterdam EPA

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