Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

Montag, 5. August 2019 ZÜRICH UNDREGION


Das Ende eines Prunkbaus


Vor 50 Jahren wurde das Palais Henneberg am General-Guisan-Quai abgebrochen – Teile davon geistern immer noch in der Stadt herum


ADI KÄLIN


«Am General-Guisan-Quai fällt in die-
sen Tagen dasPalais Henneberg der
Spitzhacke und den Schaufeln gefräs-
siger Abbruchmaschinen zum Opfer»,
schrieb die NZZ am17.Juli 1969 und
zeigte dazu das Bild einesBaggers, der
schon grosseTeile des einstigenPalais
Henneberg vernichtet hatte. Die Pracht
des Hauses sei schon vor einiger Zeit
verblasst. Und nun habe es «eine nüch-
terne Generation» einem Bürobau ge-
opfert und so die Zürcher Seefront ab-
geriegelt.
SiebzigJahre lang hatte sich dasPa-
lais HennebergamSeeufer mitRotem
und Weissem Schlosseine Art Wettbe-
werb um dieAufmerksamkeit des Publi-
kums geliefert, nun musste es den Platz
zwischen den beiden grösserenBauten
räumen. IBM Schweiz wollte an dieser
Stelle ihren neuen Hauptsitz errichten.
Ein Gutachten derETH sahkeine Hin-
derungsgründe: DerBau sei in den letz-
ten Jahrzehnten derart verändert wor-
den und heruntergekommen, dass man
ihn abbrechenkönne.
Gebaut worden war der «Palast», der
gleichzeitig alsWohnhaus und Bilder-
galerie diente, zwischen1896 und 1900
vom reichen Seidenhändler Gustav
Henneberg. Dieser hatte sich imLauf
der Jahre eine grosseKunstsammlung
erworben, allerdings fehlten ihm die ge-
eignetenRäume, diese auszustellen. Er
fragte Arnold Böcklin umRat, doch
die beiden Männer zerstritten sich.Am
Endebeschloss Henneberg, die Galerie
in eigenerRegie zu erstellen.


Anspruchsvoller Bau


Gustav Henneberg beauftragte den
Architekten Emil Schmid-Kerez, nach
dessen Plänen damals gerade dieFrau-
münsterpost entstand, mit dem Entwurf
eines geeigneten Gebäudes. Die Arbei-
ten begannen mit einigen Hindernissen;
weil dort, wo dasPalais zu stehenkom-
men sollte, bis zumBau der Quaianla-
gen noch See war, gab es Probleme mit
der Statik. Es brauchte umfangreiche
Pfählarbeiten, um die nötige Stabilität
auf dem aufgeschütteten Grund zu er-
reichen.1897 war das Gebäude dann
aber imRohbau fertig.
Henneberg sparte nicht bei der
künstlerischen Ausschmückung sei-
nes neuenPalais. Besonders auffällig
war das zwei Meter hohe und zwanzig
Meter lange Marmorrelief vonAdolf
Meyer, das einenBacchantenzug dar-
stellte. Um 1900 war das Werk vollendet
und die «Avenue derReichen», wiees
die NZZ damals ausdrückte, um ein ein-
drückliches Gebäudereicher. Henne-
bergbewohntefortan das Erdgeschoss,
darüber stellteer seine Bildersammlung


aus – die allerdings «nie ein abgeschlos-
senesGanzes» war, wie Zeitgenossen
berichteten.1903 veräusserte Henne-
berg sogar grosseTeile der Sammlung,
um diese in derFolge mit andern Bil-
dern wieder aufzustocken.
Als derBauherr 1918 starb, begann
die bewegte Geschichte des Hauses mit
zahlreichen Handwechseln und ver-
schiedenen Nutzungen. Ein deutscher
Industrieller nutzte dieRäume zunächst
als Büros, bis das Haus1925 zumKursaal
umgebaut wurde.Man träumte davon,
Zürich zu einem kleinen Monte Carlo
werden zu lassen, doch in der Krisenzeit
der dreissigerJahre platzten dieTräume
bald:1934 wurde das Haus geschlossen
und später an eineBaufirma verkauft.
Diese ermöglichtees immerhin, dass der
Kasinobetrieb über dieLandesausstel-
lung1939 hinaus aufrechterhalten blieb.
Nach dem Krieg erfuhr das Haus
erneut eineradikale Umnutzung: Die
Migros hatte so grossen Erfolg mit ihren
Sprachkursen, dass sie neue Räume
brauchte– und diese schliesslich imeins-
tigenPalais Henneberg fand. Nach einer
längeren Umbauphase wurde das Klub-
haus am See1947 eröffnet, in dem bald
auch schon die sogenannten Klubhaus-
Konzerte durchgeführt wurden.

Bürohausals «ruhender Pol»


In den sechzigerJahren war diese Nut-
zung an einem derart exquisiten Stand-
ort nicht mehr zu halten:Das in dieJahre
gekommenePalais musste weg, um Platz
zu machen für den neuen Hauptsitz der
IBM Schweiz. Als Architekt hatte sich
die Computerfirma nicht irgendjeman-
den ausgewählt, sondern denrenom-
mierten ProfessorJacques Schader, von
dem unter anderem auch die Kantons-
schuleFreudenberg stammt. Die IBM
wünschte sich einen «einfachen,klaren,
attraktiven und zeitgemässenBau». Das
Ziel wurde erfüllt: Entstanden sei «ein
ruhenderPol zwischen den beiden dra-
matisch inszeniertenPalästen», schrieb
die NZZ einmal. Heuteist der Bürobau
im I nventar der schützenswertenBau-
ten der Stadt verzeichnet.
Vordem Abbruch desPalais Henne-
berg wurden noch verschiedeneTeile
in Sicherheit gebracht. Die Eigentüme-
rin überliess sie der StadtZürichkos-
tenlos, allerdings wusste diese nicht so
recht, wohin sie damit sollte. Das Mar-
morrelief ist heuteTeil der Quaianlage
im Bereich derVilla Egli,ein steinerner
Löwe des Bildhauers Urs Eggenschwy-
ler steht beim Gemeinschaftszentrum
Seebach, ein anderer in einem priva-
ten Garten in Zollikon. Die kleineren
Elemente, etwa kunstvoll geschmiedete
Eisengeländer undTreppenköpfe, befin-
den sich in der Sammlung des Museums
für Gestaltung.

DasPalais Henneberg lag zwischen Weissem (links) undRotem Schloss. KANTONALE DENKMALPFLEGE

DasHaus,das lange alsKunstgalerie diente,wurde 1925zum Kursaal umgebaut. ERNST LINCK / KANTONALE DENKMALPFLEGE

VERWALTUNGSGERICHT


Stadt Zürich diskriminiert Schwangere


Kürzung des Beschäftigungsgrads einer Lehrerin verstösst gegen das Gleichstel lungsgesetz


LENA SCHENKEL


Im Winter 2016 vereinbarte eine in
der Stadt Zürich tätige Sekundarlehre-
rin mit ihrem Schulleiter, im nächsten
Schuljahr 43 Stellenprozent zu arbei-
te n. Sie war zu diesem Zeitpunkt be-
reits sechsJahre mit unterschiedlich
hohem Beschäftigungsgrad an der
Schule tätig. Dies, weil sieein Fach
jeweils ausschliesslich imWintersemes-
ter unterrichtenkonnte.Auch nachdem
sie im darauffolgendenFrühling ihre
Schwangerschaft kundgetan hatte und
der Geburtstermin fürAugust2017 er-
rechnet wordenwar,bekräftigte der
Schulleiter das vereinbartePensum für
das kommende Schuljahr in einem Mit-
arbeitergespräch.
Die Kreisschulpflege aberkorrigierte
den Beschäftigungsgrad später auf 36
Stellenprozent wegen eines «Irrtums»:


Sie hatte nämlich bereits im Herbst 20 16
verfügt,das Pensum der Lehrerin sei
herabzusetzen. DieFrau legteRekurs
bei der kantonalen Bildungsdirektion
ein, dieser wurde jedoch abgewiesen.
Daraufhin gelangte sie mit einer Be-
schwerde ansVerwaltungsgericht des
Kantons Zürich.
EinenVerstoss gegen den Sperr-
fristen- oderVertrauensschutzkonnte
dieses nicht feststellen.Weil die Kreis-
schulpflege ihreKehrtwende jedoch
mit der Schwangerschaft und dem bal-
digen Mutterschaftsurlaub der Lehre-
rin begründete, prüfte es von Amtes
wegen einen Verstoss gegen das
Gleichstellungsgesetz.
In seinem kürzlich veröffentlichten
Entscheid stellt das Gerichteine Diskri-
minierung fest.Wenn einer Lehrerin nur
deshalb die geplante und bereits abge-
machte Erhöhung ihres Beschäftigungs-

grads beziehungsweise die semester-
weise Unterrichtszuteilung einesFachs
verweigert werde, weil sie schwanger
sei, liege eine diskriminierende Nicht-
berücksichtigung vor.
DasArgument der Kreisschulpflege,
wonach der Lehrerin die höhere Mut-
terschaftsentschädigung nicht zustehe,
weil ihre Unterrichtsstunden infolge
ihrer Mutterschaft von einer anderen
Lehrperson zu erteilen gewesen seien,
erweise sich geradewegs als diskriminie-
rend, heisst es im Urteil.
In dem Entscheid desVerwaltungs-
gerichts wird die Kreisschulpflege ver-
pflichtet, der Lehrerin den erhöhten
Beschäftigungsgrad rückwirkend zu ge-
währen und ihr eine Entschädigung für
das Rekurs- und Beschwerdeverfahren
von 2000 Franken zu zahlen.

Urteil VB.2018.00701 vom 3. 7. 2019.

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