Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

16 PANORAMA Montag, 5. August 2019


ZAHLENRÄTSEL NR. 178

SPIELREGELN«GEBIETSSUMME»:Die
Ziffern 1bis 7sind soei nzutragen,dasssie
in jeder Zeile und jeder Spalteeinmal vor-
kommen. Die kleinenZahlen inden umran-
deten Gebieten gebendieSummeim
jeweiligenGebietan. InnerhalbeinesGe-
bietskönnenZiffern mehrfachvorkommen.

Auflösung:
ZahlenrätselNr. 17 7

Hunde helfen bei Stress und Heimweh


An der Middlesex-Universität in London erhalten Studenten mit Problemen Unterstützung vonVier beinern


MARKUS M. HAEFLIGER, LONDON


Wenn Maisy vonDarren Hazelby über
den Campus der Londoner Middlesex-
Universität geführt wird, breitet sich
guteLaune aus, wohin sie gehen.«Maisy,
Maisy!», rufen Studentinnen, beugen
sich zu derLabradorhündin herab und
kraulen sieamHals. Einige springen von
der Kaffeepause auf, um ihrschwarzes
Fell zu streicheln. Maisy lässt es sich ge-
fallen,erwidert die Zuwendungen und
wedelt mit dem Schwanz.«Wenn ich mit
Hunden unterwegs bin, hellen sich um
mich herum die Gesichter auf», sagt Ha-
zelby,Techniker und hauptberuflich zu-
ständig für dieWartung derLaborgeräte
undRoboter in der Pflegeausbildung.
«Es macht mich wunschlos glücklich.»


Futter undviel Liebe als Lohn


Die achtjährige Maisy ist nicht irgendein
Hund, sondern, wenn man so will, An-
gestellte der Universität. Ihr Lohn be-
steht ausFutter und einem Bettchen für
einenTag – und viel Liebe. Sie trägt ein
rotes Mäntelchen mit einerAufschrift,
die sie als «hündische Lehrassistentin»
ausweist,sowie um den HalseinenAus-
weis wie ihre menschlichenKollegen.
Die Middlesex-Universität, mit knapp
19000 Studierenden eine der grössten
imRaum London, begann vor zweiJah-
ren damit, Hunde einzusetzen. Derzeit
stehen achtLabradorhunde im Dienst;
sie werden von einem kleinenTeam von
nebenamtlichen Hundeführern betreut,
die sich bei derAufgabe ablösen.


Die therapeutische Wirkung von
Hunden sei wissenschaftlich erwiesen,
sagtFiona Suthers, leitende Dozentin
für Krankenpflege und Geburtshilfe.
Maisy ist ihr Hund. An dreiTagen pro
Woche nimmtsie sie zu ihrem eigenen
Arbeitsplatz mit, wo die Hündin Stu-
dentinnen und Studenten hilft, Stress-
situationen zu bewältigen.Laut Suthers,
die dasTeam der freiwilligen Hunde-
betreuer leitet, werden die «canine tea-
ching assistants» in allen Abteilungen
eingesetzt.«Wirerhaltenregelmässig
Anfragen der Betriebswirtschafter oder
derJuristen», sagt Suthers.
Emily Craig, eine angehende Kran-
kenpflegerin, sagt,sie müsse oftFeind-
seligkeiten vonPatienten über sich er-
gehen lassen.«Es ist wunderbar, am Ende
eines langen Arbeitstags ein Lebewesen
zu treffen, das sich freut, wenn du auf es
zugehst», sagt die 20-Jährige. Das dritte
und letzteAusbildungsjahr absolvieren
die Studierenden der Pflegeberufe – die
grosse MehrzahlFrauen– jezur Hälfte in
einem Spital und an der Universität. Su-
thershat grösste Hochachtung vor ihnen
und bezeichnet ihre Leistungen und ihre
Ausdauer als übermenschlich. «Sie arbei-
ten ohne Lohn während 46Wochen im
Jahr,während andereStudenten in die
Ferien nach Hause gehen.»Dass Maisy
den jungenFrauen etwas Entspannung
schenkt, freut die Mutter zweier erwach-
sener Kinder.
Die Hundeassistenten wurden gezielt
ausgesucht, ausgebildet und vonFach-
leuten auf ihre charakterliche Eignung
geprüft. In der Abteilung für die Betreu-

ung von Studenten ist ihnen ein eigener,
grosszügigerRaum vorbehalten.Wer
will, kann bis zu zweistündige Besu-
che buchen oder unangemeldet herein-
schauen. Dazukommen Anlässe, welche
di eUniversitätsverwaltung und die Stu-
dentengewerkschaft organisieren, um
dasWohlbefinden derKommilitonen zu
verbessern. Die Middlesex- Uni, ein ehe-
maligesPolytechnikum, versteht sich als
solidarische,dem Elitismus abgeneigte
Institution. Die physische und seelische
Gesundheit der Studenten wird gross-
geschrieben.

Ablenkung vor dem Examen


Bei Bedarfkönnen Maisy und ihre vier-
beinigenKollegen gezielt gebucht wer-
den, in individuellenFällen etwavom
psychologischen Dienst der Universität
oder von einzelnenFakultäten.Als Bei-
spiel nennt Hazelby die Kriminologen,
die einen Hund bei sich haben wollten,
wenn sie abstossendeFälle behandel-
ten. «Kindsmisshandlungen und solche
Sachen», sagt der Hundeführer, «die Ab-
lenkung wirkt sich positiv aus.» Hunde
leisten auch allein oder paarweise Stu-
denten Gesellschaft, die imWarteraum
ausharren, bis sie zu einem Examen ge-
rufen werden. In solchen Situationen
komme es manchmal zuPanikattacken,
oder Studenten hättenNasenbluten,
sagt Suthers. «Ein Hund bringt sie auf
andere Gedanken.»
Die im Nordwesten der Hauptstadt
gelegene Universität geht mit der Idee
landesweit voran. Es ist einForschungs-

programm geplant, das mit quantita-
tiv auswertbaren Beobachtungen den
Nutzen der Hundeassistenten wissen-
schaftlich belegen soll.LautJosh Nei-
cho, demKommunikationsbeauftragten,
erhält die Middlesex-Universität Anfra-
gen vonVertretern anderer Hochschu-
len, die die Einführung eines ähnlichen
Projekts erwägen.
Eine gemeinsame Sorge ist, dass briti-
sche Universitäten Heimweh-Epidemie-
zentren sind. Durchschnittlich 60 Prozent
der Studierenden ziehen von zu Hause
weg, wenn sie das Studium antreten. «Am
meisten vermisse ich meinen Hund»,sagt
die 21-jährige Sarah Cunningham, eben-
falls angehende Krankenpflegerin. Sie
musste den idyllisch gelegenenLandkreis
Dorset an der englischen Südküste hinter
si chlassen und ist in der Grossstadt bis-
her nicht heimisch geworden.Das Glei-
che gilt fürAusländer, die an der Middle-
sex-Universität rund ein Drittel der Stu-
dentenschaft ausmachen.
Zu Beginn hätten vereinzelt Profes-
soren undVerantwortlichedes Manage-
mentsWiderspruch angemeldet, sagt
Suthers. «Sie dachten, die Hundebesit-
zer im Lehrkörper hätten eineAusrede
erfunden, damit sie die Hunde mit zur
Arbeit nehmenkönnten.» Andere hät-
ten dasVorhaben fürTierquälerei gehal-
ten. Aber die Befürchtungen lösten sich
in Luft auf. Die Hunde erscheinen nur an
einzelnenTagen zum Dienst und erhalten
selber genügendFreizeit von den Men-
schen zugestanden. Die gesamte Univer-
sität, so scheint es, hat sich zu einer Insti-
tution von Hundefreunden gewandelt.

Apple stoppt


Abhörpraxis


Konzern reagiert auf Kritik an
Auswertungvon Sprachaufnahmen

JOCHEN SIEGLE

ZurVerbesserung der Spracherkennung
lässt AppleeinenTeil der über den digi-
talen Assistenten Siri aufgezeichne-
ten Mitschnitte von Mitarbeitern oder
Dienstleistern im Nachhinein abhören
und analysieren.Jetzt hat der iPhone-
Hersteller auf Kritikreagiert und die-
sesVorgehen vorerstweltweit gestoppt.
Laut dem amerikanischenTech-Maga-
zin«Techcrunch» will Apple den Pro-
zess zurAuswertung von Sprachbefeh-
len überprüfen. DerKonzern erklärte
zudem, dass Siri-Nutzer in Zukunft ent-
scheidenkönnen, ob sie einerAuswer-
tungdurch menschliche Prüferzustim-
men wollen. Dies soll über ein Software-
Update ermöglicht werden.
Der Schritt folgt auf einen Bericht des
britischen «Guardian», gemäss dem die
Siri-Sprachaufzeichnungen laut einem
Apple-Dienstleister auch private Ge-
spräche enthalten sollen, die die Sprach-
erkennung des Apple-Systems ohne be-
wusste Aktivierung durch den Nutzer auf-
nehme. So sollen beispielsweisePatien-
tengespräche, sexuelle Aktivitäten oder
auch ein mutmassliches Drogengeschäft
in Siri-Audiodateien festgehalten und von
menschlichenAuswertern mitgehört wor-
den sein. Apple hat erklärt,dass weniger
als ein Prozent der täglichen Siri-Aktivie-
rungen ausgewertet werde und dass die
Sprachanfragen nicht mitder Apple-ID
der Nutzer verknüpft seien.
Kürzlich war bekanntgeworden, dass
Googlein Europa vorerst davon absehe,
aufgezeichneteAudiodateien des Goo-
gle Assistant zumTeil von Mitarbeitern
überprüfen zu lassen. Die für Google
zuständigeDatenschutzbehörde hat in
Deutschland einVerfahren gegen den
Konzern eröffnet. Demnach ist es Goo-
gle nun für drei Monateuntersagt, ent-
sprechendeAuswertungen durch Mit-
arbeiter oder Drittevorzunehmen. Die
Nutzung von automatischen Sprachassis-
tenten von Anbietern wie Google,Apple
und Amazon erweise sich als hoch risiko-
reich für die Privat- und Intimsphäre von
Betroffenen,so die Behörde.
Auch Google hat lauteigenen An-
gaben auf menschliche Prüfer gesetzt,
um die Assistenzsoftware in verschie-
denen Sprachen zu verbessern – dabei
sei es allerdings nicht möglich, die Ge-
sp rächsmitschnitte einem Nutzerkonto
zuzuordnen. Einer der mit derAuswer-
tung betrauten Mitarbeiter desKonzerns
hatte rund tausend Sprachaufnahmen
belgischer Nutzer an die Presse überge-
ben.Auch hier sollenprivateKonversa-
tionen enthalten sein und nicht nur ge-
zielt an den Sprachassistenten gerichtete
Anweisungen. Ein ähnliches Prozedere
ist seit April auch von Amazon bekannt:
Bei Alexa wurden Sprachaufzeichnun-
ge n in derVergangenheitaus Qualitäts-
gründen teilweise von Mitarbeitern ab-
gehört und transkribiert.

Flug über den Ärmelkanal ist geglückt


Beim zweiten Anlauf hat Flyboard-Air-Erfinder Franky Zapata Erfolg


NINA BELZ,PARIS

Der zweite Versuch sollte glücken.
Franky Zapata ist es am Sonntagmorgen
gelungen, mit seinem FlyboardAir den
Ärmelkanal zu überqueren. Er hob kurz
nach 8 Uhr morgens am Strand des fran-
zösischen Ortes Sangatte ab und kam
nach rund zwanzig Minuten an der St
Margaret’sBayin der Nähe von Dover
an.Das Flyboard, eine Erfindung von
Zapata, kann nur rund zehn Minuten in
der Luft bleiben,bevores neu betankt
werden muss. Bei seinem erstenVer-
such am 25.Juli war er auf derselben
Etappe ins Meer gestürzt. Zapata war
unverletzt geblieben, musste das Expe-
rimentaber abbrechen.

Am Sonntag gelang dasTanken je-
doch ohne Mühe. Man habe eine grössere
Plattform zurVerfügung gestellt als beim
letzten Mal, hiess es aus seinemTeam.
Zudem habe man sie anders positioniert,
damit sie weniger demWellengang aus-
gesetzt gewesen sei. Zapatakonnte daher
problemlos landen und dasKerosin, das
er in einemRucksack mit sich trug, in den
Tank des Flyboardsfüllen. Er habe aber
auchviel mehr Glück gehabt als beim
letzten Mal, sagte er nach dem Flug.
Das FlybordAir wird von fünfTr ieb-
werken angetrieben und kann biszu 190
km/h erreichen.AmSonntag habe Zapata
den Ärmelkanal mit einer Geschwindig-
keit von160 bis170 km/h überquert, hiess
es. In einer Flughöhe von rund fünfzehn

Metern erreichte er die englischeKüste
nach gut zwanzig Minuten.
Der vierzigJahre alte Zapata, ein aus-
gebildeter Mechaniker und professio-
nellerJetski-Pilot, arbeitete seit 2012 an
der Entwicklung seiner fliegenden Platt-
formen.Auchdie französische Armee
interessiert sich für seine Erfindung. Seit
vergangenemJahr wird er vomVerteidi-
gungsministerium bei der Entwicklung
eines neuen Antriebs finanziell unter-
stützt.Es heisst, die Streitkräfte sähen
in dem Flyboard Potenzial für Spezial-
einsätze in städtischen Gebieten. Zapata
durfte mit seinem Flyboardauch an der
diesjährigenParade zum französischen
Nationalfeiertag teilnehmen und geniesst
seither grosse medialeAufmerksamkeit.

FrankyZapata auf seinem FlyboardAir kur zvor der Landung an der St Margaret’sBay bei Dover. STEVEPARSONS / AP

Wachsende Angst


vor Dammbruch


Über 1500 Einwohner von Whaley


Bridge bei Manchester evakuiert


(dpa)·NeueRegenfällekönnten das
Risiko einesDammbruchs in Nordeng-
land erheblich erhöhen. Einsatzkräften
war es zwar gelungen, bis Sonntagnach-
mittag mehr als ein Drittel desWassers in
dem beschädigtenToddbrookReservoir
abzupumpen.Doch sagten Meteorolo-
gen wieder hohe Niederschlagsmengen
fürdieRegionvoraus, die alle Bemühun-
gen zunichtemachenkönnten. Experten
rechneten mit einer immensen Zerstö-
rung, sollte derDamm brechen.
Über 1500 Einwohner des Städtchens
Whaley Bridge südöstlich von Manches-
ter waren in den vergangenenTagen in
Sicherheit gebracht worden. Alle Betrof-
fenen durften zunächst für kurzeZeit
Haustiere, Medikamente und andere
persönliche Gegenständeaus den Ge-
bäuden holen. Am Sonntag wurde aber
auch dies angesichts der Lebensgefahr
verboten. Einsatzkräfte versuchten ver-
zweifelt, die Struktur des beschädigten
Bauwerks zu stützen und denWasser-
stand weiter zu senken. In der Grafschaft
Derbyshirehatte es in denTagen zuvor
ungewöhnlich stark geregnet. Innert 48
Stunden gab es so viel Niederschlag wie
sonst in eineinhalb Monaten.
Premierminister BorisJohnson ver-
suchte,den Einwohnern Mut zu ma-
chen. «Notfallhelfer,Ingenieure und
Angehörige derRoyal AirForcearbei-
ten rund um die Uhr, umdenDamm
zureparieren», sagte er bei seinem Be-
such amFreitag. In der Kleinstadt wur-
den Sorgen laut: «Sollte derDamm bre-
chen, wäre wahrscheinlich der ganze
Ort weg»,sagteeinMann der Zeitung
«DerbyshireTelegraph».
DerPegelstand des Flusses River
Goytkönne schnell steigen, sollteWas-
ser aus dem Staudamm austreten, teilte
die Umweltbehörde mit. Experten be-
fürchteten, dass ein beschädigter Über-
lauf endgültig einbrechen und «massive
Überflutungen» auslösenkönne. Immer-
hin enthalte das um1830 gebauteReser-
voir normalerweise rund 1,3Millionen
TonnenWasser. Diejährliche Inspektion
fand nachAngaben der Binnenwasser-
Verwaltung im November statt.

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